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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 3
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Duret, Théodore: Paul Cézanne
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0109

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Schon sehr früh hatte er eine wahre Leidenschaft
für das Zeichnen empfunden, und er verlicss das
Rechtsstudium mit der Absicht, sich ganz der
Malerei zu widmen. Im Jahre 1862 kommt er,
von seinem Vater begleitet, zum ersten Male nach
Paris. Er besucht die Schweizer Akademie, aber
er fällt bei der Konkurrenz für den Eintritt in die
Ecole des Beaux Arts durch. Nach diesem Miss-
erfolg kehrt er nach Aix zurück und tritt in
das Bankgeschäft seines Vaters. Natürlich wird
ihm dieses Leben sogleich unerträglich und da der
Künstlerberuf ihn immer stärker ruft, erwiikt
er die Zustimmung nach Paris zurückzukehren, um
sich von nun an, im Jahre 1863, ganz der Malerei
zu widmen. Er trifft dort mit Zola zusammen, die
früheren Beziehungen werden aufs neue geknüpft
und sie führen eine Art gemeinsame Wirtschaft.
Sein Vater bewilligt ihm monatlich hundertfünfzig
Frank, die bald auf dreihundert steigen und ihm
regelmässig ausgezahlt werden.

Er geht an die Arbeit und besucht die Schweizer
Akademie am Quai des Oefevres; dort macht er die
Bekanntschaft von Pissarro und Guillaumin. Er
beschränkt sich nicht darauf, der Führung eines
der renommierten pariser Maler zu folgen; er setzt
wohl alles daran, das Handwerk gründlich zu er-
lernen, aber nach seinen eigenen Ideen. Nach der
ersten Lehrzeit mietet er sich ein Atelier in der
Rue Beautreilles, und versucht sich in eigenen, in-
dividuellen Arbeiten; aber es dauert noch einige
Zeit, bis er seine ganze Originalität entwickelt.

Wie bei allen jungen Leuten mit offenem Geist
wirkt derEinfluss von Delacroix undCourbet auch
auf ihn. Die Romantik und die Farben Delacroix'
locken ihn zuerst verführerisch, und aus seinen
Anfängen kennt man einige Kompositionen, von
reinster romantischer Schule; ein besonders wich-
tiges Werk darunter, „die Entführung", das im
März 1903 bei dem Verkauf Zola figurierte. Je-
doch ist die Epoche Delacroix nur vorübergehend,
und es folgt der viel tiefere und dauerhaftere
Einfluss Courbets. Er lernt Courbet auch per-
sönlich kennen und tritt in Beziehungen zu ihm.
Der Realismus dieses Künstlers war seiner Natur
viel verwandter, und daher hat er zahlreiche Werke
unter seinem Einfluss geschaffen.

Als Zola im Jahre 1866 von Herrn van Ville-
mcssant den Auftrag erhielt im Evenement Artikel
über den Salon zu schreiben, hatte erManet enthu-
siastisch gelobt, und dadurch einen ungeheuren
Skandal hervorgerufen. Er musste infolgedessen,

den Evenement verlassen und seine Berichte über
den Salon abbrechen. Da er somit der Streiter
Manets geworden war, wurde er auch mit ihm eng
befreundet, und Cezanne, der mit Zola intim liiert
war, fühlte sich sogleich zu Manet und dessen
Kunst hingerissen. Von diesem Augenblick an
arbeitete er nicht mehr in der Farbenskala Courbets,
sondern ging zu Manet über. Er steuerte darauf
hin, das koloristische System zu entwickeln und
trat somit in die Phase seiner vollen Originalität.

Man muss aber Wert darauflegen, zu erklären,
dass die Einflüsse, die nach und nach auf Cezanne
wirkten, sich nicht durch sehr abweichende und
scharfe Manieren kennzeichnen. Dazu war er ein viel
zu fester Mensch, der gleich einen ganz bestimmten
Weg eingeschlagen hatte; sowohl die Wahl seiner
Sujets, wie die Grenzen, die er sich gesetzt hat,
waren von Anfang an bestimmt. Mit Ausnahme
der paar romantischen Kompositionen, die er im
Anfang im Geiste Delacroix' malte, hatten nur die
Erscheinungen der sichtbaren Welt Reiz für ihn.
Er hat nie beschreibende Sujets gewählt, literarische
Abklatsche waren ihm fremd, den Ausdruck von
abstrakten Gefühlen, von Seelenzuständen hat er
nie versucht. Zuvörderst hat er nur gemalt, was
Jeder mitseinen Augen sieht: Stilleben,Landschaften,
Köpfe oder Porträts und dann, als eine Art Krönung
des Ganzen: Kompositionen, aber von der ein-
fachsten Art, wo einige Personen nebeneinander
gestellt sind, ohne sich irgend welchen merklichen
Handlungen himugeben, extra um gemalt zu werden.

Da also das Terrain, das er bearbeitete, fest
umgrenzt war, so handelt es sich, bei den er-
wähnten Einflüssen, in Wirklichkeit nur um tech-
nische Fragen, um die Valeurs und Farben, die er
seinen Vorgängern verdankt. Eigentlich hat nur
sein Kolorit verschiedene Phasen durchgemacht,
ehe es sich endgültig befestigte. Also nur das
Ausserliche wechselte und modifizierte sich bis zu
dem Tage, wo der Künstler sich definitiv entschied,
indem er sich zu der Freilicht-Malerei bekannte.
Das geschah im Jahre 1873 , wo sich Cezanne in
Auvers-sur-Oise niederliess. Hier traf er Pissarro
und Vignon, die längst im Freien malten. Er folgte
ihrem Beispiel, indem er die lebhaften Färbungen
wiedergab, die durch das volle Licht auf dem Lande
hervorgerufen werden. Bis dahin hatte er noch
nicht ausserhalb seines Ateliers gemalt, selbst Land-
schaften wie der „Schmelzende Schnee" aus der
Vente Doria waren im Atelier gemalt. Als er syste-
matisch anfing, Freilicht zu malen, in Auvers, war

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