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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0189

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beschränkenden Malkunst nicht fähig zu sein. Die
Maler, die sich im Club Berliner Landschafter ver-
einigt haben, treiben es kaum anders. Wieviel mehr
haben wir doch von Nussbaum erwartet! Es giebt
bei ihm wie bei Ernst Kolbe, Liedtke oder Sandrock
nur ein naturalistisch romantisches Ungefähr, eine mit
schweissvoller Mühe erzwungene Skizzenhaftigkeit.
Würde man zwischen ihre Bilder einen schlechten
späten Thoma hängen: er schlüge sie alle mausetot.
Und das will etwas sagen! Mit Unbehagen ist auch
von den letzten Arbeiten Philipp Francks zu sprechen.
Er steckt immer tief im Versuch, verrät stets viel
Talent, mehr guten Willen und am meisten Fleiss.
Aber er bleibt ein Dienstbote der Natur. Dieses-
mal zeigte er Pferde im Wasser. Bunt, aber nicht
lebendig farbig; plastisch richtig, aber mit der Richtig-
keit eines modernisierten Anton von Werner. Er
giebt Naturausschnitte, fleissig durchgemalt bis zum
Rand, aber keine Bilder, die nach Gesetzen eines
raumgliedernden Rhythmus, aus freier Motivenwahl
entstehen. Aber er sucht ehrlich und treu das
ihm Gemässe und so begleitet sein Ringen die Teil-
nahme.

Bei Gurlitt bewies Walser mit Skizzen für Theater-
dekorationen, dass sein Talent zu Weiterem reicht als
zur Mitarbeit am Theater. Die gesunde Natur drängt
in letzter Zeit den bedenklichen Beardsleyeinfluss
und die ermüdende Biedermeierei mehr zurück. Es
ist nun nicht mehr einzusehen, warum Walser nicht
den Zielen sollte zustreben können, die Maurice
Denis locken. Ein Theatermann ist er nicht. In dem
Sinne wenigstens nicht, wie Craig es ist. Das heutige
Theater kann sein Dekorationstalent nur gut brauchen.
Vor den ausgestellten Skizzen dachte man kaum an den
Theaterzweck; sie wirken bildhaft, oder illustrativ,
aber nicht wie Vorlagen, wonach sich Theatermaler,
Regisseur und Schneider richten können. Dem Theater
kann die spielerische, japanische Knappheit Walsers
nur Anregungen geben. Gar zu feine Anregungen
oft, die auf der notwendig vergröbernden Bühne
nicht immer zur Geltung kommen. Wichtiger ist,
dass diese jungfernzarte aber graziöse lind fein
differenzierte Begabung der Malerei erhalten bleibt,
dass seine Theaterkunst ihm nicht allein Lebenszweck
wird.

Das wichtigste Ereignis — glücklicherweise ein blei-
bendes! — ist die Neuordnung der Nationalgalerie.
Der in glücklicher und reicher Weise vermehrte Besitz
präsentiert sich jetzt so vorteilhaft, dass wir fast von einer
neuen Galerie sprechen dürfen. Herr von Tschudi
hat mit dieser That die Jahrhundert-Ausstellung nach-
träglich noch in glänzender, unwiderleglicher Weise

legitimiert. Es wird im Einzelnen noch von diesem
schönen Unternehmen zu sprechen sein.

Die d eutsche Jahrhundertausstellung 1906.
II. Teil. Katalog der Gemälde mit 11 3 7 Abb. München.
Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. 1906. Mk. 60.

Der seinerzeit (Jahrg. IV. Heft 11, S. 489) an-
gekündigte zweite Teil des grossen Abbildungswerkes,
das den Bestand der deutschen Jahrhundertausstellung
übermittelt, liegt nunmehr vor. Sein Äusseres, so sehr
es im wesentlichen dem ersten repräsentativen Band
angeähnelt ist, giebt sich einfacher und anspruchsloser,
wie es sich für eine ergänzende Publikation geziemt.
Es fehlen die posthumen Ehrenbezeigungen der Mezzo-
tinti, und man hat von der mehr oder minder aus-
zeichnenden Graduierung des Massstabes abgesehen.

Dieser einheitliche Eindruck des Ganzen gereicht
dem praktischen Zweck des Werkes zu hohem Nutzen.
Es ist, gleich den ähnlichen englischen Unternehmungen,
z. B. dem grossen dreibändigen Katalog der National
Gallery, die bündigste bildliche Vorführung einer idealen
Kunstsammlung, in der vereinigt wäre, was die deutsche
Malerei an Entwickelungsfaktoren für den augenblick-
lichen Stand der Dinge geliefert hat. Die Tendenz, die
der erste Band mit seiner engen Auswahl und seiner
Gruppierung notwendig vertreten musste, ist hier aus-
geschaltet. Das ruhige parteilose Gleichmass der alpha-
betischen Reihenfolge hält alle subjektiven Accente
nieder, löst alle parteipolitischen Gruppenbildungen in
ein friedfertiges Nebeneinander auf.

Höchst dankenswert empfindet man, dass Bilder und
Text auf gegenüberliegenden Seiten sich entsprechen,
so dass das störende Nachschlagen fortfällt. Nur vor
diesem Texte kann man sich eines Zwiespalts der Em-
pfindung nicht erwehren. Er enthält Seite für Seite
nichts als die „summarische Beschreibung der Farben,
die lediglich bestimmt ist, den Nutzen der Abbildungen
zu vergrössern". Thut sie das wirklich und kann sie
das überhaupt bewirken? Was soll man anfangen mit
diesen „bordeauxrötlichen Zwischentönen", der „tinto-
rettohaften Fleckenwirkung", mit all diesen koloristischen
Nuancierungen und Differenzierungen, die viel zu kom-
pliziert sind, um eine unzweideutige farbige Anschauung
hervorzurufen? J. Meier-Gräfe hat sich der undankbaren
und in ihrer Eintönigkeit beängstigenden Aufgabe mit
unleugbarem Geschick und einer grenzenlosen Geduld
unterzogen. Um so mehr muss diese ermattende Arbeit
anerkannt werden, als sie niemandem nutzt, ausser
Denen, die ein verkehrtes Katalogisierungsprinzip damit
ad absurdum führen wollen.

Hans Mackowsky.

FÜNFTER JAHRGANG, VIERTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 24. DEZEMBER. AUSGABE AM DRITTEN JANUAR NEUNZEHNHUNDERTSIEBEN
VERANTWORTLICH FÜR DIE REDAKTION: BRUNO CASS1RER, BERLIN J IN ÖSTERREICH-UNGARN: HUGO HELLER, WIEN I.

GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG.
 
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