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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 7
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Rosenhagen, Hans: Carl Buchholz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0305

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Landschaften mit Feldern, die sich über ein leicht
bewegtes Terrain ziehen; oder Motive aus dem
Park, den Goethe liebte; oder aus dem Webicht,
dem Wäldchen, das auf dem Wege nach Tiefurt
liegt. Und am liebsten während des Vorfrühlings
und in herbstlichen Tagen, wenn die Natur
voller süsser Erwartungen ist oder mit stillem
Lächeln sich zum Sterben rüstet. Auch den
Abend hat er gern gemalt, mit der stillen Luft, die
noch erfüllt ist von der satten Schönheit des Tages,
oder in die, von Dünsten umhüllt, „der bleiche
Freund der Nacht" sich erhebt und mit matten
Augen durch kahle Zweige oder auf eine friedliche
Dorfstrasse blickt. Buchholz schuf in seinen Land-
schaften die entzückendsten lyrischen Gedichte voll
duftiger Stimmung; nicht mit der Energie und
Kraft eines Rousseau, nicht in der weichen, die Sinne
bezaubernden, graziösen Art von Corot, sondern
mit der keuschen Hingabe eines gefühlvollen Deut-
schen, der mit seinem ganzen Herzen an der Scholle
hängt, die ihn gebar. Aber wie Rousseaus Bilder
tragen die von Buchholz den Stempel der Wahrheit,
zeigen sie die untrüglichste Empfindung für das
Organische in der Natur; und gleich den holden
Träumereien Corots lassen sie einen Menschen
erkennen, der innerlich voller Musik ist, der die
Harmonie alles Seins gefühlt hat.

Wenn das Wort „Heimatskunst" von wider-
wärtigen Spekulanten nicht aufs Unleidlichste
entweiht worden wäre: vor den Bildern von
Buchholz dürfte man es schon gebrauchen. Und
hätte Courbet sie gesehen, würde er sein hartes
Wort über die deutschen Landschafter: „Sind denn
diese Leute nirgends geboren?" wohl kaum ge-
sprochen haben. Aber das Publikum hatte in der
Zeit, da der weimarische Künstler seine besten
Sachen schuf, für dergleichen kein Auge. Es wollte
nicht eine gewohnte Natur sehen, sondern eine
ausserordentliche. Oswald Achenbach, der ältere
Kalckreuth, Kameke, Ludwig und Bracht malten
die Landschaften, für die man sich damals be-
geisterte. Um so stärkeren Eindruck machte
Buchholz auf die Künstler. Für eine stattliche
Zahl von ihnen wurde er in Weimar der Füh-
rer. Alfred Böhm, Paul Baum, Ed. Weichberger,
Carl Rettich, P. Müller, Adolf Thamm, Paul
Koken, Conrad Ahrens, Franz Hoffmann-Fallers-
leben, Max Merker, Christian Rohlfs: sie alle
sind mehr oder minder stark von Buchholz angeregt
worden und haben zum Teil unter seinen Augen
ihre besten Schöpfungen produziert. Man darf aus

dieser Thatsachc, wofür eine Unmenge Zeugnisse
vorliegen, ohne Bedenken den Schluss ziehen, dass
der Künstler auch als Mensch seinen Kollegen im-
poniert hat, dass sie in ihm eine besondere Persön-
lichkeit erblickten. Als eine solche offenbart ihn
schon seine frühe künstlerische Reife und die
Energie, womit er sich in den Besitz der ihm mit
der Geburt nicht zugefallenen Kultur setzte.

Denn Karl Buchholz war ein Bauernsohn. Er
wurde in dem weimarischen Dörfchen Schlossvip-
pach, wo sein Vater neben seiner Ackerwirtschaft
einen kleinen Viehhandel betrieb, am 23. Februar
1849 geboren und genoss keine bessere Schule
als andere Dorfkinder. Seine Begabung zeigte
sich früh an. Die Eltern glaubten den künstleri-
schen Trieb, der in dem blonden, ein wenig
schmächtigen Jungen steckte, dadurch am besten
zu befriedigen, dass sie ihn zu einem Stubenmaler
in die Lehre gaben. Als er drei Jahre lang inCölleda
als Anstreicher gearbeitet hatte, erbarmte sich seiner
der wohlhabende Rittergutsbesitzer Collenbusch,
der ihn von Kind auf kannte, und gab die Mittel,
dass Buchholz die weimarische Kunstschule besuchen
konnte. Die stand damals in Blüte. Die Gross-
herzogin Sophie wandte reiche Mittel darauf, dieser
Schule durch Heranziehen hervorragender Lehrkräfte
Ansehen und Bedeutung zu verschaffen. Buchholz
wählte die Klasse des Berliner Landschafters Max
Schmidt, der, obgleich ein Schüler Blechens, doch
im grossen und ganzen dem getragenen Stil Poussins
und Claude Lorrains ergeben war. Von dieser Vor-
liebe für die romantisch ideale Landschaft übertrug
der Lehrer freilich nichts auf den Schüler. Er muss
diesen aber ausserordentlich schnell gefördert haben;
denn nach einem anderthalbjährlichen Unterricht
bezieht Buchholz Ende des Jahres 1867 schon ein
eigenes Atelier, um für sich zu arbeiten. Mit neun-
zehn Jahren malt er bereits ein Bild von so indi-
vidueller Haltung, wie den vor kurzem in die
National-Galerie gelangten „Frühling in ii-Lirm Os-
dorf", in dem das Problem einer Landschaftsdar-
stellung in voller Tagesbeleuchtung in einer reizend
naiven, aber doch höchst sinngemässen Weise ge-
löst erscheint. Es offenbart sich insofern als das Werk
eines Anfängers, als alle erdenklichen Mittel ge-
häuft sind, um die Illusion eines strahlenden Lenz-
tages zu geben. Mag jedoch hierin ein Zuviel sein:
in der Art, wieBuchholz sich der Wirklichkeit gegen-
über Freiheiten erlaubt, zeigt sich doch schon ein
sicherer künstlerischer Takt. Er hat sich übrigens das
Recht auf solche Freiheiten durch die unglaublichste

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