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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 10
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Bode, Wilhelm: Max Liebermann: zu seinem sechzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0401

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MAX LIEBERMANN, RADIERUNG

Leibi für Süddeutschland war, wurde Liebermann
gleichzeitig für Norddeutschland, und seit Jener
dahingegangen ist, kann Liebermann der Ruhm
als Deutschlands erster Maler füglich nicht mehr
streitig gemacht werden. Wir dürfen auch sagen:
als einer der deutschesten Maler unter den lebenden
Künstlern, mehr als er selbst weiss und zugeben will.
Sehr mit Unrecht hat man ihn als fremden, als inter-
nationalen Künstler ablehnen wollen. Es ist richtig,
dass Liebermann von fremder Kunst viel gelernt
hat, dass er die künstlerische Form, das Ausdrucks-
mittel seiner Kunst in Frankreich gefunden hat; das
haben aber fast alle tüchtigen Maler Deutschlands
seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gethan.
Als Fremder konnte Liebermann nur so lange
erscheinen, als der Impressionismus bei uns un-
bekannt war; seitdem er die herrschende Kunst-
form auch in Deutschland geworden ist, nicht am
wenigsten gerade durch den Einfluss Liebermanns,
kann kein Einsichtiger Diesen mehr einen Inter-
nationalen einen Fremdling unter den deutschen
Künstlern, nennen.

Eine nationale Kunst in dem Sinne wie in alter
Zeit giebt es freilich heute nicht mehr; der leichte
und enge Verkehr der Nationen unter einander
nähert sie auch in geistiger Beziehung, in ihrer
künstlerischen Bethätigung, und so ist die moderne
französische Kunstform, der Impressionismus, heute
die herrschende über die ganze Kunstwelt. Die

Anschauung jedes Objekts, auch des Menschen,
durch das Medium von Licht und Luft, die Ein-
ordnung und Unterordnung unter die Landschaft,
unter die Atmosphäre und die landschaftliche Stim-
mung ist heute der französischen Malerei nicht mehr
eigen wie der englischen, amerikanischen oder
deutschen. Und wie die Auffassung im Wesent-
lichen gemeinsam ist, so sind auch die künst-
lerischen Ausdrucksmittel, die Technik, im Grunde
gemeinsame oder wenigstens sehr verwandte. An
Stelle der Schönheit von Form und Farbe, die
bis dahin die Herrschaft hatte und in deren
Dienst und Verehrung wir Älteren noch gross ge-
worden sind, ist die Schönheit des Lichts und
des Tons getreten, die jene nur zum Teil zur
Geltung kommen lässt, ja geradezu verneint. In
dem Luftton, der alles umgiebt und durchdringt,
in dem Spiel des Lichts erscheint die Linie un-
bestimmt und aufgelöst, die plastische Wirkung
wird aufgehoben, die Farben werden vielfach ge-
brochen und negiert, ganze Gebiete der Kunst,
namentlich die grosse Kunst, kommen nicht zu
ihrem Rechte. Die Frage, ob diese Entwicklung
für unsere deutsche Kunst ein Segen gewesen ist,
was bei der Ausartung des Impressionismus in
Flüchtigkeit und Rohheit der Empfindung wie der
Ausführung zwar bei uns in Deutschland bezweifelt
werden kann, haben wir hier nicht zu erörtern.
Zweifellos ist, dass dadurch neue Reize der Natur

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