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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 11
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Elias, Julius: Der Berliner Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0478

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Illustrationen versorgen, kommen, im Vergleich zu
jenen zwei charmanten Köpfen, vom Pilsener Bier
her. Das war die selige, goldene Zeit, da noch
kein „Simplizissimus" die Individuen des Witzblatt-
publikums „unbehaglich" machte. Und strebte
Stahl ins grosse Bild, so brachte er in der Farbe
die schmetternde, improvisierende Bravour der
Besnardschule. An diesem höchst geschickten

Künstler war jeder Zoll — ein Anderer.....

Stahl ging nach Florenz; er lebt dort, aber er
wohnt abermals wo anders, — in längstvergangenen
Jahrhunderten, bei fremden Menschen. Er verliess
die Zeit und begab sich ins Zeitlose. Doch im
Grunde ist's derselbe Faden. Durchtriebene Nach-
ahmung, spirituelle Formenspielerei. Stahl hat
eigentlich nie die Natur gesehen, er sah nur das
natürlich Existente durch Medien. Jetzt betreibt
er sein Handwerk, die Welt mit der hüpfenden
Laune seiner Technik zu ergötzen. Ich kann diese
Dinge nicht ernsthaft nehmen, diese höchst fatalen
Künsteleien, die das Sitzfleisch archaisierenden Ge-
lehrtentums zustande gebracht hat. Parodien auf
primitive florentinische Altmeister, auf Cimabue,
Giotto u. s. w. Schlimm-heiliger Stahl; nimmt
man dir deinen Maskenanzug vom Leibe: so findet
man das längstbekannte Weltkind wieder, den
zeichnenden Pariser Pflastertreter, der das lockende,
verführerische, versucherische Leben notierte. Es
ist derselbe Faden. Man betrachte nur diesen
„Triumph des Eros". Um solches zu machen,
schafftest du dir eine Renaissance zum Privat-
gebrauche an? Beschworst mit blendenden Kopien
die alten Meister?

Sein alter Kamerad, Franz Skarbina, hat dieses
Mass von Geschicklichkeit nicht erreicht. Er hat
keinerlei Anstrengung gemacht, aus der Illustration
zu der Naturanschauung (seiner früheren Periode)
zurückzukehren. Seine Schilderung einer chirur-
gischen Klinik, worin der (nun selige) Bergmann
hantierend, dozierend steht, ist koloristisch böse.
Es sollte sein ein Doelenstück der Huldigung und
ist nichts weiter, denn eine gruslich genrehafte
Konzeption für's Familienjournal. Auch in Otto
Heichert steckt feuilletonistischer Geist. Aber seine
Gebetsitzung der Heilsarmee ist doch wohl etwas
mehr als ein grossformatiges theatralisches „Genre",
mehr denn eine sittenkonstatierende Zeichnung, der
mit der Farbe nachgeholfen ist. Es wird durch male-
rischen Eindruck Etwas gegeben, das hinter den
sichtbaren Dingen steckt: Fanatismus der Bet-

anstrengung, Trotz im Widerstande gegen eine ver-
sagende Macht, ein Visuelles, das suggestiv wirken

muss.

Der Graphik sind heuer ein weiter Raum und
so praktische wie schöne Räume gegönnt. Zwei
Attraktionen: Schmutzer aus Wien und Bühle aus
Frankfurt am Main. Ein Virtuos und ein Natur-
sucher; ein Kosmopolit und ein Deutscher; ein
moderner Formenspieler und Einer, der nach Art
der Renaissance-Alten mit dem formalen Ausdruck
zäh und kraftvoll ringt; ein Kalligraph und ein
Ingenu. Einer, der die Zeitgenossen unterhält mit
dem Glanz seiner Technik, mit vielfältigem Rhyth-
mus der Linie, mit Beleuchtungen und stofflichen
Nuancen, lebendig, geschmeidig, elegant; der Andere
mit schwerem Geblüt, in der Wirklichkeit das
Sinnbild schauend, eine stilempfinderische, träume-
rische Gelehrtennatur, die dem Alfred Rethel und
dem Hans Thoma als ihren nächsten Meistern folgte
in der Erlernung der historischen Formensprache.
Kräftig ist die Ausmodelung der bäuerlichen, ritter-
lichen, heiligen Figuren, treuherzig der Schnitt der
Landschaft. Was bei Andern deutschtümelnde Pose
wäre, ist bei diesem biedern Süddeutschen Tempera-
mentsache, persönlicher Schönheitstrieb. Böhle ent-
stammt dem Lande, das den Ritter mit dem Knecht
am heftigsten ringen, das die Flammen des Bauern-
kriegs glutrot auflodern und jäh erlöschen sah, in
einem Aschenhaufen. Deutschland, Deutschland,
du aller Länder Krone . . .

Zweitausend gemalte oder gezeichnete Bilder
und vier Notizen. Man wird nach und nach
melancholisch bei dieser Art „Kunstbetrachtung".
Ausstellungssache — Philistersache. Und hier stehe
ich und schliesse mit einem Wort des grossen
Constable: „Wie traurig, diese Gewohnheit der
Kunstspiesser, immer von Farben, Zeichnungen,
Gemälden et caetera zu reden und niemals an die
Natur zu denken! Wie! absichtlich seine Augen
verschliessen der Sonne, die leuchtet, den Auen,
die blühen, den Bäumen, die sich mit Grün be-
decken — seine Ohren verstopfen dem Brausen in
Feld und Wald! Immer den Schöpfungen Gottes
alte verräucherte Scharteken gegenüberstellen!"

Hurra, jetzt gehe ich in meinen Wald!

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