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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 12
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Weizsäcker, Heinrich: Frankfurter Kunst im neunzehnten Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0490

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bald nach dem Tode seines Lehrers und Freundes
Scholderer, die Eindrücke der von beiden gemein-
sam vor mehr als dreissig Jahren in Paris verlebten
Studienzeit zusammengefasst. Er hat damit einer
Uberzeugung Ausdruck gegeben, die in eben jenen
Tagen viele deutsche Künstler und unter ihnen der
besten einige, mit ihm teilten. Im besonderen hat
diese grundsätzliche Anschauung in Frankfurt vor
ihm und nach ihm eine ganze Anzahl hervorragen-
der Anhänger gefunden.

Seit der Mitte etwa des vorigen Jahrhunderts
sehen wir Paris als Schule der Malerei zu steigen-
dem Ansehen gelangen, auf Grund bestimmter
Vorzüge der formalen Ausbildung, die zu jener
Zeit dort wie nirgends sonst zu finden waren.
Während der klassische Boden Italiens, nachdem
er seine althergebrachte erziehliche Bedeutung
durch Jahrhunderte behauptet hatte, zusehends an
Anziehungskraft verlor, strömten in der franzö-
sischen Hauptstadt die Lernbegierigen aus aller
Herren Ländern zusammen. Das stärkste Kontingent
haben darunter wohl die Deutschen geliefert, und
einzelne von ihnen haben sich damals, gleich zahl-
reichen anderen Berufsarbeitern aus kaufmännischen
und gelehrten Kreisen, dauernd in Paris nieder-
gelassen. Eine gewisse Enge des geistigen Hori-

zontes und mancherlei soziale Vorurteile, die auf
unserer Seite in jenen letzten Zeiten der deutschen
Kleinstaaterei zu beklagen waren, mögen in vielen
Fällen dazu beigetragen haben, dass jenen Aus-
gewanderten der Abschied von der Heimat nicht
allzuschwer gefallen ist, wie denn beispielsweise
der Frankfurter Maler Adolf Schreyer dies offen
von sich bekannt hat.

Ihm hat ja auch Paris in der Tat die Bahn erst
freigemacht. Den weltberühmten Künstlernamen,
der seinem Andenken bis heute geblieben ist, hat
er sich dort geschaffen. Das war noch zur Zeit
des zweiten französischen Kaiserreiches, im Laufe
der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, für
deren allgemeine Geschmacksrichtung ja auch die
Gegenstände bezeichnend sind, die Schreyer als
Maler von Pferd und Reiter mit Vorliebe behan-
delte: die schwermütigen Motive aus den süd-
slavischen Steppengebieten auf der einen Seite und
auf der anderen, im wirksamen Gegensatz dazu,
die farbenreichen Szenen aus dem Kriegs- und
Sportleben der nordafrikanischen Berbervölker.
Leider sind die durch hohe Tonschönheit ausge-
zeichneten Werke des Künstlers aus jenen Jahren,
die zu seinen besten zählen, im einheimischen Besitz
seiner Vaterstadt immer seltener geworden.
 
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