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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 12
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Zilcken, D.: Die Königsgräber von Saint Denis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0524

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Von den Grabmalen der späteren Könige ist
künstlerisch nicht viel Aufhebens zu machen, wenn
es auch historisch interessant und menschlich nicht
ohne Eindruck ist, an der Stätte zu stehen, wo
Heinrich IV. — der in Saint Denis zum Katholizis-
mus übertrat — und Ludwig XIV. bestattet
wurden. Ludwig XIV., der die Aussicht auf die
Gruftkirche, die er von seiner Residenz Saint Ger-
main aus sah, so unerträglich fand, dass er sich
deshalb ein neues Schloss, Versailles, baute! Und
der dann schliesslich doch wie seine Vorfahren da
hinab musste.

Ludwig XIV. wurde indessen in einem neu
angelegten Teile der Gruft bestattet, da der alte
ausgefüllt war. Noch nicht viele Mitglieder des
Hauses Bourbon waren in dieser Erweiterung bei-
gesetzt, als die Revolution ausbrach. Das tausend-
jährige Denkmal des Monarchismus forderte natür-
lich in besonderem Masse die Zerstörungswut
heraus. Die Nation hatte Geschütze und Munition
nötig, und das an den Särgen befindliche Metall
sollte dazu verwendet werden. Der Konvent be-
schloss die Verwüstung der Königsgräber. Am
12. Oktober 1793 wurde mit der Gruft der Bour-
bonen der Anfang gemacht, in wunderbarer Fügung
an demselben Tage, wo hundert Jahre früher der
Erbauer dieser Gruft, Ludwig XIV., die Kaiser-
gräber zu Speier hatte zerstören lassen. Und zwar
beide Male unter der Leitung gleichnamiger
Männer: 1693 des französischen Intendanten Hentz,
1793 des Volksrepräsentanten Hentz. Am 16. Ok-
tober, zur selben Stunde, als in Paris auf der Place
de la Revolution das Haupt der Maria Antoinette
fiel, wurde in Saint Denis, der Sarg Ludwig XV.
geöffnet. Um rascher zu Werke gehen zu können,
war durch die Mauer der Krypta ein Loch ge-
brochen worden; zwei mit Kalk gefüllte Gruben
nahmen die Gebeine aller der Herrscher auf, die
ein Jahrtausend fränkischer und französischer Ge-
schichte repräsentierten. Am 25. Oktober war die
Arbeit vollendet.

Die Basilika hatte während des Schreckens-
jahres abwechelnd als Tempel der Vernunft, Ar-
tilleriedepot, Gauklerbude und Salzmagazin gedient.
Sie war ihrer Kostbarkeiten, der Fenster und des

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Daches beraubt worden, und da das Gewölbe ein-
zustürzen drohte, wurde schon beabsichtigt, das
Gebäude als Markthalle umzubauen. Ein Dekret
Napoleons I. befahl die Wiederherstellung der
Abtei, die anfangs allerdings mit mehr gutem
Willen als mit Geschick betrieben wurde.

1817 wurden die Überreste von Ludwig XVI.
und Marie Antoinette, die bis dahin auf dem
kleinen Madeleine Friedhof in Paris geruht hatten,
nach Saint Denis übertragen. Indessen erhebt sich
das Marmorstandbild Ludwigs XVI., ebenso wie
die Büste Ludwigs XVIII., des letzten Königs, der in
der alten Königsgruft bestattet wurde, kaum über das
Konventionelle und bei der knieenden Marmorfigur
der Marie Antoinette wundert man sich nur ein
wenig über die sehr dekolletierte Ballrobe der
Dame, die sich zu dem Gebetbuch, das sie in der
Hand hält, merkwürdig genug ausnimmt. Schliess-
lich wurde noch der Sohn Karls X., der 1830 er-
mordete Herzog von Berry hier beigesetzt, der
Letzte aus dem ruhmreichen Geschlechte der
Conde.

Dem unermüdlichen Eifer des Malers Alexandre
Lenoir ist es zu danken, dass wenigstens die herr-
lichen Skulpturen der französischen Königsgräber
über die schlimmen Zeiten der Revolution hinüber-
gerettet wurden. Wie dieser mutige Konservator,
dem die französische Kunst unendlich viel ver-
dankt, alles, was ihm an Trümmern und an ge-
fährdeten Kunstwerken erreichbar war, in dem
Musee des Petits Augustins, der heutigen Ecole des
Beaux Arts, zusammentrug, so hatte er dort auch
die unschätzbaren Werke von Pilon, von Bontemps
und die anderen Grabmalsstatuen aus Saint Denis
geborgen. Als im Jahre 1817 die Abtei wieder
in ihre alten Rechte eingesetzt wurde, befahl Lud-
wig XVIII. gleichzeitig, dass auch die Denkmale
an ihren alten Ort zurückgebracht würden. Eine
verständige, stilgemässe Wiederherstellung fand in-
dessen erst statt, als 1859 der hochbegabte, frei-
sinnige Kenner gotischer Baukunst, Viollet le Duc,
derselbe, der auch die Restaurierung von Notre
Dame übernahm, eingriff und der Kirche sowohl
wie den Grabmalen ihre frühere Schönheit und
künstlerische Bedeutung zurückgab.

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