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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 12
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0526

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wollen, die nach Kesslers Rücktritt einen entschiedenen
Systemwechsel befürchteten. Denn man muss die Vor-
worte zweier Kataloge für Ausstellungen von Arbeiten
aus den Lehrkursen H. Oldes, L. von Hofmanns und
van de Veldes als Programm betrachten. Und dieses
Programm erweckt, trotz einer nicht immer über-
zeugenden Argumentation, die Hoffnung, dass das
Museum sich auch ferner in den Dienst der produk-
tiven Kunstkräfte stellen wird, womit in Weimar als
mit dem Gegebenen gerechnet werden muss.

#

Der „Fachverband für die wirtschaftlichen Inter-
essen des Kunstgewerbes", berüchtigt geworden durch
die Denunzierung eines freimütigen Geheimrats beim
Minister, sendet uns den stenographischen aber trotz-
dem tendenzvoll arrangierten Bericht des „Kongresses
deutscher Kunstgewerbetreibender" in Düsseldorf, wo
die vielbesprochene Muthesiusaffaire öffentlich diskutiert
wurde. (Wobei einige bedeutende Firmen mit Eklat
ihren Austritt anmeldeten). Soll diese Zusendung die
stille Aufforderung zu einer Kritik sein? Hier ist eine,
kurz und erbaulich, mit Hörnern und Klauen: Dieses
einhundertfünfzig Seiten füllende Gerede von Fabri-
kanten, Händlern und Handwerkern, die jeder Berufs-
idealität bar sind und mit angesäuerten Phrasen sich
selbst belügen, ist wahrhaft beschämend. Es zeigen sich
alle Laster der „kompakten Majorität". Eine üble,
hinter Biederkeit versteckte Unmoral der Lebensanschau-
ung, die das Maul sehr voll nimmt und mit ekler Logik
ihre Plattheiten beweist, giebt den Grundton. Und es
duftet rings so entsetzlich nach Selbstgefälligkeit, dass
man sich die Nase zuhält. Der Sieg hätte Muthesius
schwer gemacht werden können; hätte ihm, im Interesse
der Sache, erschwert werden müssen, weil das Problem
tiefer ist, als die meisten Beteiligten ahnen. Aber Gegner
wie diese brauchen nicht einmal bekämpft zu werden.
Sie schlagen sich selbst.

*

In einigen Städten Deutschlands und Österreichs
fahnden die Schutzleute neuerdings wieder auf nackte
klassische Kunst. Die Behörden sollten ein für alle Mal
gründliche Arbeit thun und allen Galeriedirektoren das
Lokal schliessen, das der offiziellen Moral streckenweis
doch wie das Interieur eines Freudenhauses erscheinen
muss. Sollten dem Kaiser ein Strafmandat schicken, weil
sich in seinen Gärten nackte Liebesgöttinnen in Marmor
umhertreiben; und den lieben Herrgott selbst sollten
sie verwarnen, weil dieser liebe alte Heide immer noch
die Menschen unter ihren Kleidern nackt herumlaufen
lässt.

*

Über den Verkauf der Sammlung Kann schreibt uns
ein genau Unterrichteter:

Nachdem man lange auf dem Kunstmarkte davon
gemunkelt hatte, ist es jetzt offenbar geworden: die
Sammlung Rudolf Kann ist verkauft, an die Londoner
Firma Duveen broth., für 21,000,000 Frs. — Wie die
Dinge heute liegen, ergiebt sich daraus, dass der euro-
päische Kunstbesitz vermindert, der amerikanische be-
reichert wird. Nur durch Verkäufe an Amerikaner
können die londoner Händler bei dem hohen Preise,
den sie selbst zu zahlen hatten, die Sammlung noch
vorteilhaft verwerten. Man hört schon, dass Pierpont
Morgan, der Unvermeidliche, und andere Amerikaner
die Hauptstücke erworben hätten.

Die Sammlung R. Kanns ist die gewählteste unter
allen in den letzten Jahrzehnten geschaffenen Privat-
sammlungen. Sie stand in einem Palais der Avenue de
Jena, das als Heim für den Kunstbesitz erbaut war. Die
Zerstörung des Ensembles, das von dem feinen und vor-
sichtigen Geschmack des Schöpfers zeugte, ist zu be-
klagen.

Abgesehen von zwei herrlichen Gobelinfolgen aus
dem 18. Jahrhundert, mit denen zwei Salons ausgestattet
waren, und abgesehen von einer kleineren Zahl guter
Bronzen, Elfenbeinarbeiten, Holzschnitzereien und ge-
malter Scheiben, besteht die Sammlung aus etwa 1 yo Ge-
mälden. Während der Hauptzeit seiner Sammlerthätig-
keit hatte Herr Kann sein Interesse der niederländischen
Malkunst des 17. Jahrhunderts zugewandt, namentlich
der holländischen und ganz besonders Rembrandt. In
stetem Verkehre mit dem pariser Händler Charles
Sedelmeyer war es ihm gelungen, vorzügliche Werke
von fast allen grossen holländischen Malern, von
Rembrandt ein Dutzend Schöpfungen, zusammenzu-
bringen. Zur Dekoration des im französichen Stil des
18. Jahrhunderts eingerichteten Hauses kaufte er hin
und wieder französische und englische Gemälde. In
späteren Jahren steigerte sich seine Neigung für die
„Primitiven" und er war glücklich, bedeutende An-
dachtsbilder und Porträts von den grossen Altnieder-
ländern, von Roger, Bouts, Memling, David erwerben
zu können, auch „Italiener", dabei das Profilporträt
einer Tornabuoni von Dom. Ghirlandajo, für das die
londoner Händler jetzt, wie verlautet, den Rekordpreis
von 1,000,000 Mk. erzielt haben.

Zum Tröste der deutschen Kunstfreunde können
wir schliesslich melden, dass es den Bemühungen Wil-
helm Bodes gelungen zu sein scheint, eine Reihe von
Bildern für das Kaiser Friedrich-Museum zu sichern,
vermutlich Dinge, die nicht auffällige „Hauptstücke"
im Zusammenhange der Kann'schen Sammlung, in diesem
oder jenem Betracht aber besonders wertvoll und er-
wünscht für die Berliner Galerie sind.
 
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