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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 2
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Glaser, Curt: Der Buddhismus in China
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0067

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DER BUDDHISMUS IN CHINA

VON

GURT GLASER

Die kulturellen Beziehungen des chinesischen
Reiches zu dem westlichen Asien, die wäh-
rend des eigentlichen Altertums nur schwer faß-
bar sind, verdichten sich im Verlaufe der ersten
nachchristlichen Jahrhunderte, um in der Über-
nahme derbuddhistischenReligionlndienszu gipfeln,
die nicht als ein isoliertes Phänomen zu deuten,
vielmehr im Zusammenhang der allgemeinen Aus-
breitung einer überlegenen Kultur zu verstehen
ist. Die Durchdringung des Ostens mit dem re-
ligiösen Denksystem und dem künstlerischen
Formenkanon Indiens muß als ein langwieriger
Prozeß vorgestellt werden, von dem nicht mehr
die einzelnen Stadien, sondern nur noch die end-
gültigen Ergebnisse sichtbar sind, ebensowohl in
der historischen Überlieferung, die den ersten An-
laß der Einführung des Buddhismus in China in
die legendenhafte Form eines Traumes des Kaisers
Ming Ti (61 n. Chr.) kleidet, wie in dem Bestände
erhaltener Denkmäler, deren früheste die Riesen-
anlagen der Felsentempel von Yün-kang darstellen.
Man hat Anlaß, zu glauben, daß bereits im
zweiten vorchristlichen Jahrhundert buddhistische
Mönche nach China gelangt sind, aber erst im
vierten Jahrhundert hatte der Buddhismus im Osten
festen Fuß gefaßt, begünstigt durch den der Blüte
der Handynastie folgenden Zerfall des Reiches,
das Erliegen der Zentralgewalt des konfuzianischen
Beamtentums unter dem Vordringen fremder Er-
oberervölker. Hatte der Konfuzianismus, der mehr
ein kanonisches Staatssystem als eine Religion war,
dessen Riten nicht so sehr ein allen zugänglicher
Gottesdienst wie das Vorrecht einer engen Ge-
lehrtenkaste waren, dem Volke abweisend gegen-
übergestanden, war also, sich selbst überlassen,
die breite Masse des Chinesentums kaum über
eine abergläubische Geisterverehrung hinausgelangt,
die auch alle späteren Glaubensformen, denen der
Osten sich unterwarf, wieder durchdringen und
zersetzen sollte, so bot sich in der buddhistischen
Lehre, wie sie nach dem Osten gelangte, ein dem

Anmerkung der Redaktion: Ein Kapitel aus dem
XI. Band der „Kunst des Ostens" (Verlag Bruno Cassirer),
der soeben erschienen ist.

Verständnis des einfachen Mannes zugänglicher
Polytheismus, der dem natürlichen Glaubensbe-
dürfnis mit einem leicht faßlichen Heilsversprechen
entgegenkam. Denn man darf nicht an die philio-
sophische Begriffswelt des historischen Buddha
denken, die in der Vorstellung des Nirvana gipfelte,
wenn von jenem Buddhismus die Rede ist, der
als welterobernde Religion fast ein Jahrtausend
nach seines Stifters Tode den fernen Osten seiner
Glaubenslehre Untertan machte, vielmehr hatte sich
das „kleine Fahrzeug", das den Sakyamuni einst
ans Ufer des Jenseits getragen hatte, durch brah-
manische Spekulation und altindische Gottesvor-
stellungen schwer befrachtet, in das „große Fahr-
zeug" verwandelt, ehe es die Fahrt nach dem
Osten antrat, wo nun in den Tempeln des neuen
Glaubens ein ganzes Pantheon mit verschiedenen
Kräften ausgestatteter Buddhagötter auf den Gläu-
bigen herniederschaute.

Es ist nicht leicht, das Wirrsal dieses viel-
gestaltigen Götterhimmels zu durchdringen, den
die Lehren oft einander widersprechender Sekten
nach dem Osten verpflanzt hatten, um so mehr
als scheinbar in der Frühzeit der Bekehrung
weniger die schwierige Spezialisierung des Buddha-
begriffs in ein kompliziertes System die Kräfte des
Weltalls symbolisierender Gottheiten, als vielmehr
die gemeinsame Grundform der neuen Vorstellung
überirdischer Gewalten Eindruck auf das empfäng-
liche Gemüt der immer weiteren Kreise von
Gläubigen geübt hat, denen bald einzelne dieser
Buddhagötter, unabhängig von ihrer sektenmäßigen
Bedeutung, vertraut geworden sind. Wenigstens
lassen die Denkmäler der ersten Jahrhunderte des
östlichen Buddhismus noch nicht jene in strenge
Normen fest gebundenen Typen erkennen, in
denen erst zu späterer Zeit das kanonische Ritual
bestimmter Glaubensgemeinschaften sich deutlich
bekundet.

Man weiß zu wenig von den Sekten der Früh-
zeit des chinesischen Buddhismus, um die erhalte-
nen Denkmäler mit ihnen in bestimmte Verbindung
bringen zu können. Man kann nur aus dem Be-
stände erhaltener Darstellungen schließen, daß im

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