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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 2
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Glaser, Curt: Der Buddhismus in China
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der Buddhas, deren es mehr gibt als Sandkörner
an den Ufern des Ganges.

Dem volkstümlichen Bedürfnis nach einer Per-
sonifizierung übermenschlicher Kräfte in indivi-
duellen Gottheiten war durch diese ursprünglich
rein spekulative Ausdeutung der Unendlichkeit des
Gottesbegriffs das Tor weit geöffnet. So verdrängen
mächtigere Buddhas, in denen sich Naturkräfte
und Zaubermächte verkörpern, den historischen
Stifter der Religion, den indischen Fürstensohn
Sakyamuni, der einen immer bescheideneren Platz
in dem Pantheon seines Glaubens einnimmt. Aber
ihm, dem einen, oder doch der vergeistigten Form
seiner in der Erleuchtung verklärten Erscheinung,
gleichen sie alle, die so endlich wieder nur wie
ein einziger erscheinen, Bbaisajyagürü, der große
Medizinbuddha, der Arzt der Seelen und des
Körpers, der alle Leiden heilt, der begleitet von
Sonne und Mond diese dunkle Welt mit Licht-
glanz erfüllt, Amitäbha, der Herr des Paradieses,
der ewige Glückseligkeit verheißt, und über allen
anderen der mächtige Vairocana, der höchste Herr-
scher des Himmels, der zum Mittelpunkt einer
großartigen religiösen Weltdichtung wird, die das
von dem Buddhismus übernommene Riesenpan-
theon des indischen Götterglaubens zu einem welt-
umspannenden System ordnet.

Brahmanische Kosmologie schuf dieses voll-
endete System eines spekulativen Polytheismus,
das in der abstrakt begrifflichen Erscheinung des
Adhibuddha gipfelt, den der Osten mit Variocana
gleichzusetzen pflegt. Der eigentliche Adhibuddha
aber ist die Gottheit auf der dritten Stufe gleich-
sam der Unvorstellbarkeit, unvorstellbar noch über
dem Unvorstellbarsten, ohne Anfang und ohne
Ende, unbegrenzt und allwissend, Urgrund alles
Seins, menschlichem Ahnen selbst unerreichbar,
im obersten aller Himmel. Er ist es, der allein
durch die Betätigung seiner fünffach göttlichen
Weisheit die fünf Dhyänibuddhas zeugte, die selbst
in unvorstellbarer Form verharren, deren Spiege-
lungen allein, auf Erden erscheinend, als die eigent-
lichen, die Manusibuddhas sich den Menschen
offenbaren.

Unter den abertausenden, in der Unendlichkeit
der Zeit und des Raumes unzählbaren Buddhas
sind es jene fünf, die den fünf uns nächsten
Weltenabschnitten, in deren viertem die Erde sich
befindet, das Licht der Weisheit verkündeten. In

ihrem reineren, himmlischen Reiche der Ideen
thront inmitten der große Vairocana, sein Element
ist der Äther, seine Farbe weiß, das Gehör ist der
Sinn, den er zeugt, wie jedem der fünf Dhyäni-
buddhas eines der fünf Elemente, der fünf Farben,
der fünf Sinne zugeordnet ist, Akshobhya ist der
Herr des Ostens, Ratnasambhava des Südens,
Amitäbha des Westens, Amoghasiddha des Nordens.
Das unvorstellbare Bhuvana, in dem in tiefster
Meditation diese unbeweglichen Urbilder der irdi-
schen Buddhaerscheinungen, der Manusibuddhas,
thronen, wandelt sich in der Volksreligion, zu der
das buddhistische Weltsystem umgebildet wurde,
in die Vorstellung von vier Paradiesen, die in den
vier Richtungen der Himmelsrose gelegen, der
Wohnsitz jener vier Dhyänibuddhas sind, deren
Lebensdauer nicht auf die Zeit eines kurzen Erden-
wallens beschränkt ist, gleich der ihrer irdischen
Abbilder. An die Stelle des Nirvanaglaubens tritt
so die Hoffnung auf eine Wiedergeburt aus den
Knospen herrlicher Lotusblüten, die, den paradie-
sischen Gewässern entsteigend, die Seelen zu ewiger
Glückseligkeit emportragen.

Kein anderer Teil seiner Lehre ebnete dem
Buddhismus so sehr den Weg zum Herzen der
Gläubigen wie das Versprechen paradiesischer
Freuden. Amitäbha, der Herr des „reinen Landes"
im Westen, den die Chinesen — in heutiger Aus-
sprache — O-mi-t'o Fo, die Japaner Amida nennen,
wurde zur volkstümlichsten Gottheit des Mahäyänä-
kultes. Der Buddha des grenzenlosen Lichtes, der
Unsterbliche, der den Gläubigen Unsterblichkeit
verheißt, wurde den Chinesen, die in seinem Lotus-
lande das Paradies der alten Volksreligion des
Taoismus wiederfanden, ebenso vertraut wie den
Japanern, die nach der Lehre des Kobö Daishi in
ihm die Verkörperung ihrer uralten Sonnengöttin
Amaterasu verehrten. Allen Religionen scheint
die Vorstellung gemeinsam zu sein, im äußersten
Westen, dort wo die Sonne niedergeht, sei das
Paradies gelegen, und so wurde von den vier
Paradiesen, die das universistische System des
Mahäyäna forderte, nur dieses eine von dem Volks-
glauben aufgenommen, und entgegen seiner Gleich-
stellung mit den vier anderen Dhyänibuddhas in
der Rangordnung der Götter, stieg sein Herr, der
große Amitäbha, neben Vairocana, der den mysti-
schen Geheimsekten an Stelle des abstrakt begriff-
lichen Adhibuddha als die Inkarnation göttlicher

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