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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0094
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3ur saukuntt des Mittelalkers.

Drnkmale der Baukunst des MittelalterS in Sachsen.
Erstr Abtheilung, daS Königreich, daS Großherzogthum und die Herzog-
rhürner Sachsen ernesti'nischer Linie, die Herzogthümer und Fürsten-
thümcr Anhalt, Schwaczbucg und Reuß enrhaliend. Bsarbeitet und
herauSgegeben von L. Puttrich, Doctor der Rechte, unter Mitwir-
kung von G. W. Gexser d. Z., Maler. Kl. Fvl. Leipzig, gedruckt
bei BrockhauS auf Kosten deS HerausgeberS, 1838—1843.

Bon A. Reichensperger.

Jn den Rrn. 83 und 84 des „DomblakteS" hai Herr o. Weydcn
ein Werk*) besprochen, welches füc dir nähere Kenntniß rheinischer
Kunstalterthümer von desonderer Bedeulung ist und deffen weirece AuS-
dehnung gewiß von allen, welchen Sinn für die HSHere Kunst inne
wohnt, ledhaft gewünscht wird. Es sei uns gestattet, die Aufmerksam-
kelt drr Leser dieses Blattes hiermit auf ein ahnlicheS W-rk hinzulenken,
daS unS so recht in dir Mitle unseres Baterlandes einführt und
<1nes Ler schönstsn Blättec seiner Geschichte vor uns entrollc. Ncben
den Rhemlanden sind besonderS die sächsischen Ländec reich an mtt-
lelalterlichen Monumenten, was außer der hoheu politischrn Bedeutung,
welche dieselben im fräheren Mirrclalter harren, auch wohl zum Theile
den früher so sehr ergiebig gewesenen Bergwerken zuzuschreiben s-in
mag, welche die materiellen Mittel zur Befcicdigung ves frommen
Dranges, Gott durch die Kunst zu ehren, darboten. Man staunt in
der That, «enn man diese Menge von auSgezeichneten und dedeuten-
den Kunstdenkmälern überschaut, die aus einem verhältnißmäßig so klei-
nen Landstriche zusammengedrängl flnd. Mik unermüdlicher Ausdauer,
großer Umsicht und Sachkenntniß hat Herr v. Puttrich sich bestredt,
diesen Reichthum zusammenzustellen und im Bilde wenigstmS der
Nachwelt zu «rhalten. Die in der Ueberschrift bezeichnete Sammlung,
von welcher bis jitzt der erste Band in zwei Abrheilungen erschienen
ist, gidk die verschiedenen wichtigeren Bauwerke rm Jnneren wie im
Aeußeren, die an oder in denselben besindlichen interessantcn DetailS,
sodann Grundrisse, Durchschnitte u. s. w., theils in perspectivischer Dar.
stellung und schattirt, theils in Linearzcichnung geometiisch aufgerissen,
AlleS fest, destimmt, klar und zugleich gefällig in Skeindruck auSgeführr,
fo daß nicht bloß der Kenner, svndern auch jeder Laie, der nur irgend
Sinn sür Formenschönheit und historische Bedeutsamkeit hat, hier vollc
Brfciedigung sindrn wird. Den Adbildungen ist ein erläuterndec Text
drigegeben, wrlcher geschichtliche Darstrllungen und genaue Beschreibun-
gen, meist von der Feder des Herausgebers, «nthält und an inreressan-
len Notizen und Ausschlüssen der mannigsalkigstrn Art schr reich ist.

Es würde die Gränzen dieses Blattes weit überschreiten, wenn wir
hier näher auf die einzelnen Baudenkmäler eingeben wolltcn, welche
Hr. v. Puttrich durch Bild und Wort uns »sranschaulicht hat; dem
Kunst- und Alterthumsforscher wird es indeß nicht unerwünscht fein,
wenigstens die nähere Anzeige von drm Jnhalte ei'nes Werkes zu be-
kommen, daS wrgen sciner großartigen Anlage und drr daraus noth-
wendi'g sich ergebenden KLstspieligkeil weniger verbrertel sein wlrd, als
solches im Jnteresse dsr Sache zu wünschrn wäre.

Die rrste und zweite Lieferung der ersten Abtheilung machen uns
mit der Kirche zu Wechselburg bekannt, einem sehr originellen,
charakterüvllen Bauwerke aus dem Ende des 12. Jahrhunderts mit vie-
Irm merkwürdigen Dctail, insbesondere Sculpturwirk. DiesesDenkmal
jst um so interessanter, als daSselbe großentheils ftine volle Eigcnthüm-
lichkeit durch alle Drangsale der Zeiten hindurch geretter ha^. Der Be-
schreibung ist eine geschichlliche Einleitung von v. Stieglitz voran-
Sesch'ckt.

Die dritte Lirftrung beschästigt sich ausschließlich mit einem Kunst-
«erke, welches den letzten Ueberrest des alten Domes zu Freiberg
bildet, der so genannlen gvldenen Pfort« nämlich, ,,einem der
briüantestcn Portale des romanischen Sryles, bei dem wiederum jenes
neu erwachte Gefühl für die Antike in einer Behandlung, die gleich-
wohl als völlig ftlbstständig betrachtet werden muß, bedcutsam hervor-
tcitt" (s. Kugler, Kunstgesch., S. 472). Sechs Blätter mit svrgfäl ig
ausgeführten Abbildungen veranschaulichcn dieses Prachtmonument, mir
«elchem in Bezug auf Bedeutsamkeit wie auf Schönhrit gewiß nur
wenige der Art verglichen werden können. Herr v. Srieglitz hat zu
Licftn Abbikdungen den beschreidenden und erläuternden Text gelieftrt;
drrftlbe soll, wegen deS besondern Jateresses, welches das ftagliche Kunst-
werk darbietet, sowohl, alS wegen der lingestreuten, höchst schätzbaren
Bemerkungen allgemeinerer Natur, in dieftn Blältern nach und nach
mikgetheilt werden. Dre Lieftruvge» vier bi's steben führen uns die äl-
teren Baudenkmäler in Zerbst vor das Auge, namentlich die Nico-
lai- und die Barthokomäikirche, sodann das Barfüßerkloster
«nd daS als Ziegelbau höchst merkwürdig« Rathhaus, letzteres aus
dem Ende des 15. Jahrhunderts. Es folgen svdann die Kirche zu
^ölnitz, unweit Dessau, und die Ktoster-, jetzige Schloßkirche zu
Mienburg an der Saale, deren Gründung nach derRnsscht des Hrn.

*) Die v«n dem Archilekten Hrn. Ch. W. Schmidt in Trier heraus-
gegcbene „Sammlung von Bauvenkmalen in Trier und seiuer Um-
gedung."

P. in drn Anfang des 13. Zahrhundnts fällt. Am Schluffr der Ze-
schreibung dieftr zum Herzogkhum Köthen gehörigen Kirche werdm wir
durch die Nachrichk ersreut, daß deren vollständige Wiederyerstellung
durch des Herzogs Heinrich Durchlaucht in Ausstcht gestellt sei.

Zu den Baudenkmalen Bernburgs übergehend, beschreibt Hr. P.
sodann die Marienkirche aus der Mitte des 15. Jahrhunderis, die
eine ausfallende Aehnlichkeit mit der oden gedachten Nicvlaikirche zeigt
und mil Standdildrrn von nicht gewöhnlichem künstlerischem Werkhe
verziert ist.

Aurführlich wird sodann die Stiftskirche zu Gcrnrode am
Harz abgehandelt, welche in Dasslikenform erbaut Ist und noch immer
in ihrem Jnnern diejenige Einrichkung dewahrk, die im Weftntlichen
vor dem l3. Zahrhundrrt in Jtalien, wie in den meisten christlichen
Ländern, namentlich aber auch am Rheine*), ducchgängig vorkam, ein
weites Miitelschiff, spärlich erleuchtet durch eine Reihe kleiner Fcnster-
welche hoch vben unrer dcr plakten Holzdecke auf beiden Seiken ange-
bracht find» nicdrige Seirenschiffe, die, nur hald so breit als das Mit-
telschiff, mit dieftm adwechftlnd durch Säulen und Pftiler verbunden
und gleichfalls mil einer platten Holzdccke verfthen find. Der Kreuzbau
und der Altarplatz sind durch runde Scheidedogen von den angränzrn-
den Theilcn dec Kirche gctrennt und in Holz flach abgedcckt. Ein flch
hoch üder den Fußboden cchebender Altarplatz, zu welchem 4ne Reihe
von Stuftn führt, wird nach Osten hin durch einen nischenförmigen
Chorschluß bcgränzt, in welchem sich ein koloffales Wandgemälde, die
Jungfrau Maria vorstellend, befindet. — Das zu dieftr Lieftrung ge-
hörige Blatt 24 veranschaulichk uns diese Dispofition des Znnerp,
welche um so mchr Aufmerksamkeit verdient, als in Deutschland wr-
nigstenS fast aüe derartigen Construct-onen durch den Gewölbebau vrr-
drängt worden sind. Ueberhaupt enthälk die in Rrde stehende Kirche
nvch mancherlei Merkwürdtges, so z. B. zwei Krypken, rine östlichr
und eine westliche, einen prächligm Kreuzgang aus dem 12. Jahrhun-
dert, zwei überwölbtc Seitencapellen mit schönen Gradmälern, Basre-
liefs und vielen Resten von allen Wandmalercien.

Demnächst folgen die Kirche zuHrcklingen, dieSti'ftskirche
zu Frose (bemerkmswerth durch ihre archikektonische Vcrwandtschaft
mit der Stiftskirche zu Gernrode), die Pelrikirche zuWörlitz und
dir Nicolaikirchc zu Koßwick.

Jn drr Kirche zu Hecküngen, einer flach abgedeckten Basilica, besin-
den sich an der südlichen und nördlichen Umfassungswand deS Mittel-
schiffes zwischcn den Bvgm-Adschniticn dcr GewSlbe, die aus dem
Mittelschiffe nach H«n Seirmschiffen führen, «wölf in Stuck ausge-
führte ReUes-Figurm, welche wir hier noch besondsrs hervorhebm zu
müffen glauben. Jn jedem Bogsnzwickel ist nämlich ein lebmsgroßer
Engel mil ausgebreüeten Flügeln angedracht, dec einen Pergamenlstrei-
f.n in der Hand hält. Dieft Engel kragm faltenrciche, gut motivirte
Uätergewänder und darüder geworftne Oberkleidcr; di'e KSpft sind bei
allen «del und ausdrucksvoll gehalten.

Die achte und neunte Lieftrung bringen eine ausführliche Veschrek-
bung des Klosters zu Paulinzelle im Schwarzburgischm mit ei-
ner geschrchtlichm Einleitung. Der Bau gehört der ftühesten romani'-
schen Periode an und trägt die charakkeristischm Merkmale derftlbm
an ssch: Einfachheit, Gedicgenheit, Festigkeit, ruhige Würde und gul«
Verhältniffe, die Fenster sämmtüch im Rundbogen überwöldt, die
Thürme endlich sehr solid, mir kleinen Fenstern. Leider hat die Zerstö-
rung dem ganzen Baue schon so arg zugesetzt, daß Vieles nur mitkels
Conj-cturm zu ergänzeu ist.

Dre Liebfrauenkirche in Arnstadt, aus dem Ende deS 12..
Jahrhunderts, zeigt im Allgemeinen dcn Uebergang aus dem romani-
schen :n den deutschen Baustyl, während in dem später umgebauten
Chore und Querschiffe der letzkere in seiner ganzen Reinheik crscheint.
Unter einer Seikencapelle befindet sich dir Begräbnißstätte der Ahnm
des fürstlichm Hauses Schwarzburg; die Capelle selbst cnthält mehre
Gradmonumente von bedeutmdcm Kunstwerihe. Die 16 Altäre, welche
die Kirchc «hemals zierten, sind fast all« verschwundm, wie dmn übrr-
haupt dieftlbe sich in «inem fthr übeln, gefährdeten Zustande befinden
!vll. Möge der vvn Herrn Puterich am Schlusse seiner
Beschreibung ausgesprochenr Wunsch, daß dieses in viel-
facher Hinsicht so interessante Denkmal dem völligen
Verdsrben, wclchem es «ntgegeneilt, entrissen werde, doch
ja in Erfüllung gehen! Möge die Pietät drr Enkel «s
nicht dulden, daß das ehrwürdige Mausoleum ihrer Ah-
nen vor unseren Augen unter Staub und Schukt begra-
ben wird!

Die Klosterkirche zu Stadt-Jlm, von welcher nur noch die
Thürme mit einigrn Anbauten und der Chor aufrecht stehm» macht
sich insbesondrre durch die höchst xhankastischm, rälhftlhaftm Sculp-

So z. B. die Ki'rchcn zu Höchst bci Franffurl, zu Eberbach, Miitel-
heim, JohanniSberg, Ems, Lallendar, die St. Johanmokirche bci
Lahnstein, die Florians- und Castorkirche in Coblenz, St. Ursula, St.
Cäcilia, St. Georg «nd dicApostelnkirche in Köla, die Adteikirchen ia
Brauweiler und Echternach, dieMatthias-Abtkikirche in Trier u. a. m.,
welche dkrmalea noch, freilich fast alle in fthr verändertem Zustande,
eristiren.
 
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