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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0116
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chrn Zriten, zu deffen Befitzungen die Gegenden gehSrtm, «o jeht Frei-
- berg liegt, sei keine Urkunde zu mtdecken. Moller, in seinen freiber-
gischen Annalen, «rwähnt nur beiläufig, dieFrauenkirche seibald
nach der Anlegung der Stadt erbaut wordrn, sie wär« aber
im Jahre 1484 durch Feuer verwüstet worden, worauf Hrrzog Albrecht
von Sachsen und Landgraf von Thüringen den jetzigen Dom zu bauen
angefangen.

So sehen wir uns verlassen. Gedenken wir jedoch der Entstehung
von Frriberg, so zeigt sich wemgstens ein Weg zu Murhmaßungen.
Die deträchtlichen Silbrrgrudrn in der dortigen Gegend wurden in der
Mitte d«S 12. ZahrhundertS «nrdrckt, unter Otlo dem Reichen *), an
«inrm Orte, Christiansdorf genannt. Ats nun Otto sein KWer Alt-
zelie, in drn Fluren, wo jetzl Roffen liegt, vollendet, wandte er all«
Kräftr auf jene Zlur. Der Ort wurde immer mehr angebaut, woraus
die Sladt Frriberg fich bildetr.

Go wie in jenen Zeiten die Religion als der erste und sicherste
Grund deS Staates brtrachtet wurde, so wie die Fürsten nur fie alS
eine feste Stütze der Reich« «hrten, was auch besonderS die Biieber des
weltinischen Stamme« an den Tag legten, so konntr es gleichfalls
nicht fehlen, daß Otto bei Tründung der neuen Stadt vornehml ch
den Bau eines Totteshauses berückfichtigke. Und so kann man wohl
für gewiß annehmen, daß dieses die Frauenkirche war mit ihrer golde-
uen Pforte.

Otto hatte bereits sein Altzrlle so schSn ausgestattet, daß er sicher
auch der Fraurnkirche alle mSgliche AuSzeichnung zu Theil werden ließ,
um so mehr, alS der Gegend angehörig, die den Fürsten mit Segen
überstromte. Dankbar wollte er sein Gefühl darlegen, und wie konnke
«r diese» beffer in Ausübung bringen, al» durch -in festes Denkmai
jme glücklichen Tage der Nachwelt verkünden? So mochte fle ihren Ur-
sprung finden, bi« Frauenkirche, mit aller Pracht der Kunst auSge-
rüstet, die wir noch der Pfort« auf daS hrrrlichste aufgeprägt sehen.

Di'e Bauart des srühern Mittelalters hatte daS Eigenthümliche der
Linfachheik. Die Mauern der Kirche flnd glatt, und keine Zierdr sucht
fie zu heben; nur die rrgelmäßig und genau verbundenen Quadern,
die scharf« Bearbeitung der Glieder erfreuen de» Blick. Die Formen
haben ein gefälliges Ansehen, und die Zusammenstellung des Aeußern
geht auS der Eonstruction im Bezug auf das Jnnere hervor. Und so
entspricht das Ganze um so mehr dem Eharakter deS heiligen Gebäu-
deS, dem Hohm und Kraftvollen der christlichen Religion gemäß zu er-
scheinen. Wo «twa an den Gliedern Schmuck angewendrt wurdr, da
fanden sich seltm Laubwerk, Laubzüge, zuweilen Aüge nach geometri-
schen Elementen. Wo man Zterden dedurfke, um den Eindruck zu ver-
stärken, da bestanden sie haupisächlich aus Sculpturm von Menschen
und Thieren. Hier gründete fich ebenfall« Alles auf'Religi'on. Bild-
liche Darstellungen sehen wir, bald Scenen drs alten TestamentS, bald
auS dem Leben und Wicken bes HrilandeS und der mit ihm Brrbun-
denen. Oder symbolische Zierden und Cmbleme treten alS Schmuck her-
vor. Auch dienen nicht selten Legenden, in Bildern das Andenken der
Martyrrr und anderer frommer Männer und Frauen ia Ecinnerung
zu bringm.

Sieht man verschiedene Theile der Kirchen mit solchen Darstellun-
gen bezeichnet, am «eußrrn und im Jnnern, so find «s vorzüglich die
Hauplpforten, die damit prangen. Theils zeigen fich Standdilder an
den schräz einlaufenden AnschlagSmauera der Pforken, theils Hochbil-
der in dem Felde übrr der Oeffaung der Pfort«; und in den Friesen
und glatten oder ausgekehlten Streifen der Bogen, welche die Pforte
deckrn, erscheinen wieoer anderr Hochbilder. Solche vrrzi'erte Pforten
kommrn jedoch aus so frühec Aeit höchst selten vor. Lie einfachen
Pforten, di« nur an den Anschlagsmauern mit Säulen befttzt sind
und deren Bogen zuweilen Laudzierden auSzeichnrn, üdergrhmd, erin-
nern wir an die Pforten, deren Anschlagsmauera zwar mit Statuen
beseht sind, ohne in den Friesen der Bogen Bilder zu tragen, odrr an
svlche, dir auf andere, einsachere Rrt mit Sculpturen versehen sind; so
reich aber mit aUer Pracht der Kunst auSgestattet wurden allein die
Hauptpforten solcher Kirchen, die man durch vorzügliche Auszeichnung
heben wollte, wie uns hirr die gvlder.e Pforte entgegen kommt.

Solchen Sculpturen, au« der heiligen Schrift entlehnt, mischen sich
zuweilen «ndrre ein, deren man auch alS Zierden fich bediente. Jhre
Aufstellung erscheint um desto auffallender, da sie mit jenen sehr con-
trastiren und dem, was zur Andacht, zu Gott gewelhten Bekrachtun-
gen führen soll, gerade entgegea stehen und alS adziehend von ihnen
erkannt werden könnten. Daß ste nicht willkürlich, ohne Sinn ange-
bracht wurden, läßt sich nicht denken. Künstler von Ei'nflcht, das Schick-
liche nicht überschreitrnd, dem Heiligen das Abenteuerlich« beizumischen,
bedienten fich ihrer, und es mußte ein« defondere Ursache ihrer Auf-
stellung Statt finden. Löwen, Sphinxe, Chimären, Greife, Drachen
kommen vor das Auge, ja, erdichtete Ungeheuer, monströse, widerlich«
Figure«. Wenn vielleicht einige von ihnrn dem Guten al« Symbole
dienten, der Löwe zuweilea als da« Bild göttlicher Kraft, die Sphinx
als Verwahrer heiliger Geheimniffe, so bleib«» doch immer di« andern
übrig, die ftrn von aüem sind, was auf gute oder fromm« Eigenschaf-
ten zu deuten wäre.

Einig« schreiden den Kreuzzügen die Einführung solcher Zierden in
da« Abendlaad zu, auS Aezyptrn rntlehat, wo Löwen und Sphinxe

vor den Tempeln prangen. Allein schon vor den Kreuzzügen waren km
Abendlande solche Aierden nicht unbekannt, und dm Byzantinern, bek
denen fir deliebt waren, standen näher als die Aegypter di'« Griechen,
dir mit manchrrlei Löwen, Sphinxm, Greifen ihre Bauwerke auS-
schmückten. Herr von Hammer zieht solche Figuren in seine Bapho-
mrts — Träum« — als symbolisch« Dorstellungen einer gnostischen, der
reinen christlichrn Lehre entgegen stehendm Geheimlehre; Zrrthümer, wo
ihm kein Unbefangener beipstichten wird und dencn schon der allge-
meine Gebrauch widerspricht, der nicht zugelaffen haben würde, fie an
den Kirchen anzubringen, wo sie zu Mißverstand führen konnten.

WaS uns übrig bleibt, wofür fle zu erkennen, ist, in ihnen Geister
zu sehen, dre einander entgegenstehen. Böse, welche dem Göttlichen
Brrderben zu bereiten sich bestreden, und Schutzgeister, welche diesen
entgegen wirken, ihnrn den Eintritt kn das Heiligthum zu wehren, sie
selbst durch Kampf zurückzuhaltm, damlt durch keine Macht deS Bö-
sen, da« unflchkbar umher schleicht, dem Guten, Gottgeweihten Eintrag
geschehe. Je fchreckhafter die Bilder solcher bösen Geister sind, derm
Macht und Streben, das Gute zu hindern, durch solche Borstellungen
nvch verstärkt wird, je deutlicher glaubte man den Sinn der Bewah-
rung für jedeS zu befürchtende Uedel und Ungemach auSzudrücken.

Auf solche Weise erhalken diese Bilder einen bedeutenden Si'nn, der
nicht auf daS Sprcielle gerichtet ist, nicht auf die Gnostiker gedeutet
werden kann, der vielmehr in bas Allgemrine eingriff, Aüen verständ-
lich und zugänglich. Ohne einen solchen Sinn würdm ste nur aben-
teuerlich und geschmacklos fich zeigen, ja, frevelhafl und gottlos. Aber
auf jene Weise vertheidigt sich die Phantaste der Küustler, welche diese
Bilder flnnvoü schusen. Als schützend und Schutzbilder sind sie um so
mehr zu betrachten, da sie gewöhnüch an den äußern Theilen der Kir-
chen angebracht sind, vornehmlich an den Pfortm. Und so wird gleich
durch Bilder angedeutet, wi« durch göttliche Vorsorge alles Uebel zu.
rückgewiesen wird, was dem Guten Nachtheil bringen könnte.

Auch die goldme Pforte ist nichk gan; frei vsn solchen Bildern.
Aber hier erscheinen sie sehr untergkvrdnet, vielleicht nur al« bloße Ver-
zieruag den Theilen gegeben, ohne irgmd eine Erklärung zu fordern
oder zuzulassen, willkürlich zur Abwechselung eingemischt. Dafür fül-
len die heiligen Darstellungen vorzüglich den Raum, und auf fle dm-
tet Alles. Zu hohen Empfiadungen werden wir gestimmt, das Tefühl
erhebt sich vom Jrdischen zu jmem Unsichtbarm, daS dem Gott ge-
weihten Herzen Trost und Beruhigung gewährt. Wie mächtig mußte
in jenen Tagen der frommen Borzeit der Eindruck sein, der ein Gokt
geweihtes Gemüth bei solchen Darstellungen ergriff, das, durch sie hin-
durch geführt, um in das H-ilige eingelassen zu werden, gestärkt von
hoher Begeisterung hingeriffen wurd«!

Die Anlage der Pforte läßt bemerken, wke Form und Ausführung
glekch vollkommen sind. Die Form des Ganzen ist di« im byzanti-
nischen Style gewöhnliche. Auflehnend auf schräg sich einziehende breite
Anschkagsmauern, erheben stch halbkreiSmnde Bogm, welche daS Ganzr
schließen und vsn der länglich viereckigen, mit einem geraden Sturzr
bedecklen, mit zwei starken Pfeilern eingefaßten Oeffnung der Thür in
i'mmer zunehmender Erweiterunq biS zum äußersten Bogen mehrmal«
sich herumziehen. — Drei Stuftn, welche zur Oeffnung führten, sind
jetzt auSgebrochen.

Gefällig ftffeln die schönen Verhältnisse aller Theil«, so wie deS
Ganzen, den Bsick. Die schlanken Säulen, mit welchen die Anschlags-
mauecn besetzt sind, gewähren angenehme Abwechselung mit den da-
zwischen stehenden, mit Bildsäulrn besetzten Nischen zum Unterbrechm
der Fläche, die ohne sie zwischen den Nischen den Raum kalt und leer
gelassen hätte. Die darüber emporstrebenden, mächtkg sich auSdreiten-
dm Halbrundbogen, der Pforte Beveckung, schaffen ein großartiges
Ansehen. Erfteut nun auf solche Weise die Form da« Auge, so zieht
die vollendete Ausführung der Archilektur, die Trefflichkeit der Sculp-
tur um so mehr an und fordert unS auf, die Kunstftrtigkeit der Deut-
schen in so früher Aeit zu bewundern.

(Fsrts. folgt.)

Das so ebcn zum Besten der Bonner Münsterkirche erschienm»

Niederrheinifche Jahrbuch

kür Gekchirhte und Kunkt.

Zweiler Jahrgang.

Herausgegeben von v. K. Lerfch*).

welches mannigfache Beiträge, zur kölnischen Geschichie, so wie znr Ge-
schichte der rheinischen Knnst eathält, ist für die verehrlichea Subscribenten
in Köln auf dcm Secretariate des Centtal-DombauvereinS (RathhauSplatzl
nievergelegt worden. Eine feruere Anzahl von Erempl. ist daselbst auf kurze Zeit
zu dem Subscriptionspreise vou 1 Thlr. zu haben. Spater tritt eine Er-
höhung von 20 Sgr. eiu.

») Bgl- Nr. 83 d. Bl.

Verantwortlicher HerauSgeber: Jos. DuMont.

Druck und CommisstonS-Verlag deS Verlegers der Kölntschen Zeituno,
M. DuMont-Schauberg.

*) Klotzsch, a. a. O., Th. I., S. 122.
 
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