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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0124
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dn nicht davon reden, w>« viel Ei'nfluß jene auf diese geübt. E« sind
zwei Schwestem mit verfchledenen Reizen, wvvon die einen ledhafter
anf die Sinne, di« anderen stLrker und nachdrücklicher auf da« Herz
«irken. Die neuere Zeit hat sich mehr für die Malerei entschieden, ihr
aüe Gunst zugewandr, sich vvn dem Reize der Farbe blenden laffen und
die edle Schwester elwas stark vernachlässigt. Daran thut sie sehr un-
recht, daß sie dem flächkigen Elemente mehr Gewicht schenkt, als dem
dauerhaften und nachhalligern. Wa« HZtten wir wohl von dem Ruhmr
griechischer Kunst, wenn nicht ihre steinernen Bildwerke vor uns stän-
den? Das Mißgeschick hat uns die Werke eineS Zfruxis und Parrhasius
vernichtet, während sie uns die Gruppe der Nwbe, den Laokoon, den
Upollo vom Belvedere gerettet. Gehören manche dieser Werke nichl ein-
mal zu den besten und berühmtrsten deS Alterthums, entschädizen si«
«ns nicht für so vieles Andere, was uns Bardarei, Krieg und Fana-
tismus zerstört, so sind ste doch glänzende Beweise von dem Srande
ariechischer Bildung und griechischen Wolkslebens. Man sollte fast glau-
ben, die Bildnerei sei volksthümlicher, als die Malerei. Die Griechen,
da« volksthümliche Mittelalter scheinten die Sache so angesehen zu ha-
ben. Statuen schmücklen das Foruw, den Lempel, die Rednerbühne,
den Schauplatz, dle Wohnung, währrnd si'ch bie Malerei der neuern
Ieit fast eirizig in die Säle der Fürstm oder reicher Privatleute oder
fo genannter Kunstfceunde geflüchtet. Jn dem Mittelalter war es nicht
anders, als bri den Griechen und Römern; geht in jen« Aeiten zurück
«nd lernt einen Marktplatz schmücken!

Wlr lesen bei den Alken von dem Ruhme und dem gewaltlgen Ein-
drucke des olympischen Jupiter, von der bezaubernden Krakt der Benus
de« Praxitelks; sollte nkcht der kölner Dom, der Tempel dcs wahren
Gottes, di« Fülle alles Schönen, selbst ein Wundcr ber Well, ein
zweires in seinen geräumigen Hallm umschlüßen können?

Wir wissen nicht, ob von dcm alten Tabernakel noch Zeichnungen
vorhanden sind, die dem neuen noch einiger Maßen zum Führer die-
nen könnten. Es leben viclleicht noch Leute, die es noch gekannt ha-
ben. Wenn jene vorhanden sind, so sind sie vülleicht nicht genau, nicht
fo, daß sie den tiefen Geist des edlcn Werkcs bis zum geringsten De-
tail ausdrücken. Es ist daher Ziit, die Spuren, welche noch vorhanden
find, so schnell als möglich zu verfolgen und mittclS dersclbrn, so viel
äl« es gehen kann, den Thatbestand schleunigst zu fixiren, die Tradi-
»ionen und sonstige Ueberreste zu sammeln, — eine Ardeit, die eben so
»vthwendig, als lohnend ist. Awar sollt« das alte Wcrk, daS, lrotz sei-
ner unverschuldrten Anfeindung, auch damals noch viele Freunde hatle,
so svlid zerstört werden, daß davon auch kein Ueberrestch.n mehr be-
wahrt bliebe und an Sympalhieen seiner Wicdererrichlung nicht mehr
gedacht werden könnte: e« wurde in Einer Nacht zerschlagen und die
Trümmer in den Rhein geworfen; aber dieser Sorgfalr ungeachket,
wekche an die Sorgfalt des Herodes bei dem bethlemitischm Kinder-
morde und an den berühmten Steindamm von Bieberich «rinnert,
scheint eS dennoch gewiß, lnß Liebhadcr auf «dle Weisc hier und da
ttwas unterschlagen und daß von dem Tabernakel noch Manches gerettet
worden. Wir wiffen nämlich aus ziemlich zuverlässiger Qaelle, daß von
den Statuen, welche einst das merkwürdige Tabernakel umstanden und
derherrlichten, noch zwei erhalten stnd, und wrnn eine dritke, die wir
felbst in unserer kleinen Simmlung besitzen, mit zi.-mlicher Wahrschein-
lichkeit ebenfallS dahin gercchnel werden kann, daan müffen wir ge-
stehen, daß jenes Werk in künstlerischer Hiasicht voa der höchsten Be-
deutung gewesm und in seiner Art Statuen geliefert, dk dem classi-
schen Älterthum ehrenwerth an die Sei e gesetzt werden können. —
Verstand das Mittelalter, Skaluen zu bilden? So gut wie die Grie-
chen, nur in andtrer Art, in anderm Sinne, mit anderen Grundan-
fichten, da man im Allgcmtinm nicht so viel auf gewiffe Lnßere For-
men hielt, ja, die Kirche in ihren Bestimmungm st'ch einer allzu gro-
ßen vorwcltlichrn Schönheit widersetzte und diese sogar im Concil von
Lrient, nachdrm man die raphaelischen Arbciten vor sich hatte, ver-
bot *). Gimäß jener Ansicht darf man daher im ganzen Mitkelalter we-
der bei den Gemälden nvch bei den Stakuen jrne Vollkommenheit der
menschlichen Gestslr erwarten, wie wir fle im AUgemeinen bei den
Griechen finden. Wir sagen: im Allqemeinen, denn daß sie in Beziehung
auf ihre religiösen Bilder mannigfach eben diesen Grundsatz harken, be-
weifen viele ihrer Werke. Sie hatten für die religiösen Bilder so gut
ihren eigenen Typus, ihren strcngcrn und traditioneUen Siyl, wie das
Mittelalter. Daß das Mittelalter bei Lösung jmer Aufgabe durchweg
und stät« auf dem rechten Wege war, wollm wir damir nicht sagen.
Wir glauben, daß bei dem Vorherrschen des geistigen Elements, so wie
»» gufgefaßt wurde, die körperliche Form vielsritig vernachläsflgt wor-
den, daß jene Fehler allgemeiner waren, als die Vorzügc, wodurch sich
nur wmige auszeichneten, und daß sich namentlich in Bezug auf die
Lehandlung der Statuen viel Manierirtes eingeschlichen und besonderS
!w Verfalle der Kunst di'e Oberhand behirlt. Dahin gehört nun offen-
bar jene schiefe Stellung, die auS einer Jdee, wahrscheinlich aus der
Vorstellung von Demuth und Ergebenheit in GotkeS Willen, hervorge-
gangen. Jst «in« der Statuen, die wir dafür halten, wirklich von dem
Labernakel des hohen EhoreS zu Köln, so müffen wir sagen: daß je-
n«S Werk von diesem Fehler frei war; ist sie nicht davon: daß diescs

*) vmnis äenigue Isseivi» vitetur; it» ut proeaei veuustate ima-
xines non piagantur. Kessio XXV. äe iavoe. et veoerat. etc. in
saeris imaxioidus.

nicht durchgängig dem Mittelalter eigenthümlich war, ja, an den bef-
sem Wcrken nicht vorkommt; und warum sollke nicht selbst mit dem
entschieoenm Borherrschen des geistigen Ausdrucks auch ein gewiffer
Adel der Form verbunden sein? Wahr bleibt eS immer, daß zwischen
der christlichen Kunst des Mittelalters und der heidnischen des classt-
schrn Alterthums wesenlliche Unterschiede sind, daß jede ihre besonderen
Vorzüge hat, die zu vermitteln vielleicht künftigen Aritcn vorbehalten ist.
Die christliche Kunst deS Mittelalters bildet gewisser Maßm den Ge-
qensatz zu jener des Antiken. Letztere gründet stch im Allgemernen anf
Derherrlichung der Sinnlichkeit, auf Bergötterung des Fleisches (die
Lehre deS gegenwärtiqen Philosophen- und Staakslebens), erstere auf
Herstellung der Hcrrschaft dcs GeisteS über dss widerspenstige Fleisch,
das nach Plato's Anflcht der Seelr Kerker ist und sich nach den Be-
griffen deS Christmthums im Zustande der Empörung wider daS bes-
sere Selbst, dm Geist, befindet. Die alten Plastiker erhoben daher daS
Fleisch mit stolzer Kraft gegm den Geist und zvgsn die Gotkheit zu
der Menschheit herab. Sie hatten für das, waS in der christlichen
Kunst wie in der Rcligion ein so bedeutendeS Element bildet, die De-
nmth, kein Wort. Di'c Darstellung einer h. Jungfrau, der Mutter des
Eclösers, in ihrer Würde und ihrer Demuth zugleich war für sie «ine
Unmöglichkcit. Wir wollen nicht strciten, ob es den Werken deS Mit-
telalters besser noch gelungen, jene Aufgabe zu lösen, und selbst ein
Raphael es vermochte. Wir hoffcn, ja, wir crwarten dieS zuversichtlich,
daß sich die neuere Zeit die mögliche Vermittelnng der vollendeten Form
d-s Älkerthums und deS geistigen Elcmentes des MiitelaltcrS wenig-
stens in so fern angelegm sein laffe, als dies an den befferen Werken
dcs lctzkern sich findet. Auch ist jene Vermittelung vitlseitig von neueren
Künstlern versucht worden. Wir halten sie für die Aufgabe der Zeit.
Dean wmn man b.i dcm Bcginne dcr ncuern Zrr't, gegcn Anfang des
16. JahrhundenS, im Kunst- und StaatSlebm Len Fehler bcging, daß
man rücksichtSlos zum classischen Altcrthume hinübergriff, das Vorlie-
gende feine «igens Gtschichr« dran gab und flch so sttbst den Grund
und Bodm raubte, rben so wenig darf die neuere Zeit sich an einem
fclavischen Nachahmen der vorhandenen Formen des Mittelalters fest.
bannen und so auf die Daucr mrhr an dem Fehlerhasten, als dem
Vortccffiichm hangen. Nur der Geist bringt Leben!

Dcr großc Vorzug mittelalterlichec Plastik war nebst dem ent-
schiedenen Vocherrschen eines gewissen qeistigen Elements OriginalitZt
der Ausfaffung. Jhc« W-rke hattm Leben und sprachen zum Bolke.
Daher auch die Theilnahme, die ste gewannm. Wir wollen nicht un-
gcrecht sein gegen die Werke der neuern Aeit, aber sie scheinen uns
kalr, — der scostige, ungeistige Geist drr Nachahmung grüchischer Bild-
wcrke und Formen bleidt uns stemd, — Canova, Dannccker haben
nicht für das Vslk gearbeitet. Ein zweiler Vorzug mittekalkerlicher Pla-
stik war einc hohe Fcrtigkeit und Meisterschaft der Drapirung. Das
Alterthum bebiente sich der Draperie nur alS besondern Reizmiktcls für
Las Nackte, die ueuere Zeit muß aufBeidcS verzichrm. Das Nackte vcr-
siößt wider die Sitten, und die Drapirung i'm Frack ist höchst erbärm-
lich. Die Künstler dcS Mittelalkers halten viel Geschicklichkeit in Be-
handlung der Draperi«. Sic war meist edel und von großer Wirkung.
Jene Fertigkeit trug indsß auch wieder dcn Keim des VcrfalleS in fich
und arttte dei den Gemälden des 15. und 16. Jahrhundcrts in Deutsch-
land ins Manirrirte und Unnatürliche aus. Diese zerknittertm und un-
beweglichen Falten «rinnern wmiger an da« leichtfließende, wie Duft
hingegossene Gewand, sondecn mehr an dm undeweglichen Marmor
und die starre Forrn der Nachahmung der Malerei nach den Wcrken
der Bildyauerkunst, die mit andcrcn Mirteln Anderes schaffen muß und
bei besserm Werken wenigstens schaffre. Hr'erin abrr war dem Künst-
l r deS Mlttclalkccs A!IeS günstiger, alS jcncm dcr Gcgenwart. Man
wußke sich im Miktelalter geschmackvoller zu kleidm. Es costumirte sich
Alles plastischer, dramatischer, jeder Stand von dem andern stäts ab-
geschieden, nicht AlleS nach derselben Schnur geschniltcn, wie die Ta-
xrsbäume in Vcrsailles; Allcs war farbenreicher, Rikter und Buben,
Damcn und Edelknappen wit ihren Falken und Rossen, i'hren Rüstun-
gen, Lanzcn und Schwertern, Bauer und Bürger in sciner eigenthüm-
lichen, charakreristischen und khm unzertrennlich angehörenden Tracht.

Was will die neuere Zeit mit dem farbclosen, AileS nivellirmden
Fcack — mit-mit-

Tragt die Nacht »icht am Gewande,
Jagt sie lieber aus dem Lande.
Finsterniß und Traurigkeit'
Herrscht genug in unsrer Zeit.

Nach dem Sprüchwort unsrer Alten
Sollet ihr auf Farbe halten.
Kleidet euch in Sonnenschein.

Nacht stellt sich von selber ein.

Kölner Dombau-Berein zn Paderborn

Zur dritten General-Bersammlung am 2S. Juli (am zweiten Libo-
riustage), Nachmittags 4 Uhr, auf dem Rathhause hierselbst, werden
die geehrten Vereink-Mitglieder ergedenst eingeladen.

Paderborn, 9. Juli 1844. Der Verwaltungs-Ausschuß:

DLntzr. Lvh«. AvLcvntz.

Verantwortlichrr Herausgeber: Jos. DuMont.

Druck und Commissions-Derlag deS BerlegerS der K-lnischen Zeituag,
M. DuMont-Schauberg.
 
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