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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0132
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bkS ltider an so vi«l«n Ort«n und mit Berlktzung so vieler Rechte und
der PietLk gescheheo ist. — 3" nnem Seitengange findet fich «in hichst
rigrnthümlicher Altar, der ein« Menge von Figuren und Schnitzweck
hat, di« grmäldeartkg comprnirt «nd mit riner dem Dogenpalast von
Benedig Lhneknden »rchitektur omschlossen find. Diesem gegenüber, in
dem Gchiffe rechtS, findet fich ein anderer Altar von noch qrößerer
Eompofition, aber in einem sehr vertrakten, keineswegS architekmrmL-
ßigen Spitzdogenstplr. Dessen ungrachtet erkmnt man auch in ihm den
Meister des erstern «ltars wieder, und zwar vorzüglich an seinen Fehlern,
an seiner verkehrten Behandlung der Architektur alS GemLldr und an
dem Systeme der Figuren. An Talent hat «s zwar nicht gefehlt, wohl
aber an Geschmack und richtiger Einflcht des Meisters in seine Kunst.
Er beging densrlben Fehlrr, der am Hochaltar in Calcar begangen
wurde, zum Exceß. Er hob di« Sculptur auS ihrem Gebiete und setzte
fie in ein fremdrs, wo ihr« Stillung nachtheilig wurde. Er behandelte
fie gemäldrartig, und so stellte unsrr Künstler nicht bloß Statuen dar,
sondern auch die Architektur wie ein prrspectivisches Bild. So konnte
denn auf riner so schiefen, »erkehrten Grundlage auch nur Schiefes,
Berkehrte« herauskommrn. Dies gilt jedoch nur vom Ganzen und be-
sonderS vom Archilektonischen. Was aber die Fi'guren anbetrifft, so find
fie im Gegensatze zu jenen von Calcar sehr kurz, doch die Köpfe mit-
unter ausdrucksvvll und lebhaft.

Ei'nr sehr interessante Arbeit findet stch in der so genannten untern
Kirche, ehemaligen Minoritenkirche, in Cleve, namlich die Ehorstühle.
An keinem plastjfchen Werke d«S Mittelalter« hat stch der Witz, und
besonderS der Mönchswitz, dauerhafter und häufiger verewigt, alS ge-
rade an den Chorstühlen. Di« Sache ist nicht rein zufällig zu fassen.
Sle kommt zu häusig vor uvd hat irgend einen pspcholvgischen Grund.
Sie liegt ganz in dem Geist« der Zeit und der verkommrn n des
15. JahrhundertS, in das auch unsere Arbeiten fallen. Das MönchS-
thum hak fich in ihnen selbst perflflirt, denn die Ehorstühle bieten ein
completeS Gystem aller Mönchslaster und aller menschiichen Laster in
drr Kutte, die durch Thiere dargestellt flnd, ungefähr nach der Art,
«ie sie in dem um diese Zeit entstandenen Tedichce „Reinike de Voß"
auftreten. Das Mittelalker, «he noch die große Kirchenspaltung das
gegenseitige Mißtrauen gewcckt, hat fich in dieser Beziehung Vielcs er-
laubt, Scherz und Ernst mit einander verbunden und jenen fratzenhaf-
ten Gestalten an den Chorstühlen gewiß auch eine sinnrciche D-utung
zu geben gewußt. Es waren verworfene Geschöpfe, die dennoch beim
Dienste dis Herrn wider ihren Willen und ohne «igenes Derdienst
thätig sein mußtrn. Si« dienten niederen Brdürfnissen, sollten selbst, so
lange die gegenwärtige Weltordnung besteht» im Heiligrhum dis Herrn
nicht feh.en, aber nicht an Stellen der Erhöhung, sondern der Er-
uiedrigung.

(Schluß folgt.)

n o t i s.

Ein Freund des Domes arrs Bonn, d-r aber in seiner Bescheiden-
heit seinen Namen verschweigt, hatte die Güke, solgenden Brief mir
zukommm zs lassen, den ich ohne Bemerkung auch in seiner wahr-
scheinlich urkundlichen Rtchtschreibung wiedergede, da er füc fich selbst
redet. Er lautet also:

„Ew. Wohlgcboren wünschen in dem „„Domblatt"" Nr. 110, be-
trcffend daS zerstörte Tabernakel, nähere Nachricht zu erhalten. Ob-
qleich nun die hierüder von mir zu gebende Auskunft fthr dürflig auS-
sallen wird, so kann ich doch nicht umhin, das Wenige, was mir dar-
über bkkannt ist, Jhncn milzurheilen.

„Ueber die frühire Einrichtung des Chores «nd d!e Sttlke, wo das
Labernakel stand, liefert daS Protocoll, wori'n die Z rstörung beschlos-
sen wuide, einigr spärliche Auskunst. Die betreffende Stelle laulet,
wie folgt:

„„^ovis, 23. Zanuarii 1766.

,,„Es ist b«li«bet und beschloffen wvrden, einen »eurn hohm
Ultar in hieflger Domkirche und zwar nur mit einem mittlern
tndervaleni, sonsten aber ganz offen und frei, auch ohne colonnos
s In knpsle, weniger nicht zwei neue neben- oder ftitm-sltsre von
Marmorstein fertigen und diese beiden überzwerg stellen; sodann
den mkttlern Raum zwischen dem presbz teri» und Chor vernich-
tigen und des Ends die beide daselbst itzo vorseienden eiftrnen Git-
tern wegbringen und da hingegen dem Voik, untenher dem Chor,
eine andere absöndernde Platz um auf den Aktar füglich sehen zu
kinnrn, fördersam bestimmen, übrigens auch um diesen p ro-
»peot annoch mehr zu veranlassen, sowohl an einer Sei-
te» des hohen AltarS dir Stühle prv o. veledrsnto ot vv. via-
vvnls als auch zur anderm Seiten das daselbst stehende große
tsderaaoul abbrechen, fort anstatt gleich gesagten Stühlen drei
Lehnseffel vrrfertigen und herstellm zu laff«n ic.""

„Aus dem Protocoll vom 31. Juni 1767 geht hervor: Daß dcn
frühern Hochaltar vier mesfingene Engel umstanden, welche durch die vier
kupferntn Leuchter erfetzt wurden. Di« Engel wanderten nach Lüttich,
«o fie wahrscheinlich umgegoffen wurden. Laut vor mir lieqender Rech-
»ung «urden 3737 Pfd. altrr Mesfing nach Lütlich geschickt, aufZah-

lung der bort verfertigtm vier Leuchter, welche, beiläufig gesagt, 2023
ReichSthaler kostetm.

„Jn dem Protocolle vom 9. August 1763 «urde beschloffen, bimli'ch
zu sein, die hausteinernen BLnke zwischen den Pilaren ringS um da«
kresbz'toriuiii, außerhalb jedoch, wo das Lpitspkioni rksosoriol a
«oorsa fich bifindet, zur Verhinderung des Daraufsteigms des gemri-
nen Volk-s, hinweg zu räumen, mithin den Raum zwischen sorhanen
Pilaren 3'/, Fuß hoch mit schwarzem Marmor zu bekleiden.

„Schlirßlich geht auch aus den Rechnungen über den Nrubau des
jetzigrn AlkarS *) hervor, daß der Steinmetzmeister Krakamp drn Ses-
sel im presd^terio für 5 RtichSthaler gekauft habe.

„Ueber den Verbleib d«s Tabernakels ftlbst finde ich lei'der in den
Papieren nichts, rs ist aber nicht unwahrscheinlich, daß Manches davon
nach Lüttich oder Dinant gewandert ist, wo der neue Bltar vrrfertigt
wurde, und könnten vielleichr, namentlich an litzterm Orle, noch «in-
zelne Bruchstück« zu findm sein **), da der jetzig« Altar von Herrn
Borrux aus Dinant angeferligt wurde, und es aus den Rechnungm
hervorgehk, daß selber mehre Marmvrs aus dem Dome überlaffen er-
hielt.

„Sollten meine obigrn Mittheilungm vielleicht zu weiterrr Ent-
deckung führen, so würde eS mich recht sehr freuen, rin Scherflein dazu
beigetragen zu haben u. s. w."

Es liegt in diesen meikwürdigen Angaben der Ge>st zu Tage, der
im vorigen Jahrhundert fich aller Kunst und Geflnnung bemZchtigt
hatte und auch den Dom verunstaltete in ber Meinuno, ihn zu ver-
schönern. Schl'eßlich spreche ich nvch die off.ne Bitte aus, daß eS
dcm geehrten Schreiber des Briefes gefallm möge, seinen Namen öf-
fentlich zu nenncn. Noch wenige Zahre, und dir letzten Zeugen jener
schon fernen Zeit werden verschwunden sein. Die Zrugniffe der Zeitge-
noffen werdm also für die Nachkommen wichtig, besonders wenn ehren-
hafte Namen als Gewähr dienen. Kreusrr.

Corretponden;-.Nachrrch1.

K ö ln, Ende Zuli. Aus dem zweiten ZahreSberkchte des AiterthumS-
vtreinS für Ulm und Oberschwaben wird aus Stuttgart, EndeJuni,
auch FolgendeS gcmeldet:

„... Sein Hauptaugrnmerk ist von Anfang an auf das Klei'nod Ulms,
den Münster, geganqen, an welchem nach langer Vernachläsflgung end-
lich das Werk der Wiederherstellunq begonnen worden war, aber mit
so wcnig Geschi'ck, daß der Verein fich mit der betreffenden Beförde,
dem Skiftungsrarh, in offenen Kampf einließ und es mit Hülfe ter
Regierung dahin qebracht hat, daß „'n eigener Dombaumeister ange-
st-llt worden ist. Nun soü von dem großen Sriftungsgute iLhrlich «ine
Summe verwendet werdm; fürs erste Jahr (1844) 10 000 Fl. Der
Plan gehk auf Weiterbau des ünvollendetm RieftnwerkS, zunächst auf
Krrichtung der flieqenden Nedenpfeiler, wi'e fie zur Stützung des Ml't-
telschiffts an den Domm zu Köln, Halberstadt, Straßburg, Freiburg
und Prag ausgeführt flud und auch hier im Plane der Gründer lagen.

„Georg Kallcnbach, der durch ftine wundergeschickten Nachbildungen
deutscher Bauwerke der Schöpfer einer fichtbaren Geschi'chte unftrer
stolzm Baukunst zu werben verspricht ***), gibt eine Würdigung drs
ulmer Münsters, nach welcher dlc Kirche nicht frei märe von einzelnm
Fehlern, der Thurm hingegen, wenn er nach dem angenommenm Plane
auSgrbaut wüide, mik Ausnahme der gleichfalls unvollendeten Thünne
zu Köln, alle Thurmbauten in gothischer Art an Schönheit übeikräfe.
Es schließen sich bieran Mittheilunzen über die Geschichte des BaueS.
Am 30. Zuni 1377 wurde in dem schrrckhaft breiten, tiefm Schlunde,
dm man ausgeqrabcn hatte, der Grundstcin gelegt; am Thurme wurdr
fortgebaut bis 1492, an der Kirche bis 1507, um welche Zeit auch der
kölner Dom inS Stocken gerieth. Dre ersten Baumeister kamen auS
Bern, daS eine der vornehmstrn Bauhütten besaß; ihr Gefchlechtsnam«
wa« Enstnger; nach 1471 wölbte Moriz Ensinger das Mittell biff, 1478
die Sritenschifft." (A. i llg. A.)

*) Die Origiiral-Zeichnung des neueu Altars, vo» Fay, ist noch auf
der Dombau-Hütte befiudlich.

**) I» dem städtischen Museum zuKöln befinden sich noch einige, lei-
der nicht sehr bedentende Druchstücke deS Labernakels.

***) Bor nnlanger Zer't erschien die erste, 24Blätter enthaltende, Ab-
theilung ftiner „Chronologie der deutsch mitrelalterlichen Bau-
kunst in geometrrschen Zeichnungen mit kurze» Erläuterungen."
eine treffliche Geschichte der vaterländrschen Architektur in Ab-
bildungen.

Berantwortlichrr Herausgeber: Zos. DuMont.

Druck und Commiffrons-Verlag deS Verlegers de« Kilnischen Zeitung,
M. DuMont-Schaubrrg.
 
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