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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0142
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Literaritches.

Chrvnologie der deutfch-mittelalterlichen Baukunst, in geometri-
schen Zeichnungen mit kurzer Erlauterung. Von Georg
Gottfried Kallenbach. Erste Abtheilung. 24 Blätter.
München, 1844. Verlag deö lithographischen Jnstituts von
Zach.

Wir haben schon früher in diesen Blöttern Herrn Kallenbach's Sk,'z,e
der Geschichte dnitscher Baukunst besprochen, di« zuerst in den Ver-
bandlungen deS VereinS für Kunst und Alterthum in Ulm und Ober-
schwaden (Erster Bericht), dann in dem sechSten Bande deS neum
JahrbucheS der berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache und Al-
terthumSkunde mit Zusätzen erschienen und jetzt unter dem Titel: „Ge-
schicht-adrlß der deutsch-mittelalterlichen Baukunst" (Berlin, bei Her-
mann Skbultze, 1844), besonderS abHedruckt ist. Soll di« Geschichte
der Baukunst gevrdnet werden und nicht ein Spiel von Benennun.
rn bleiben, welch« dieLaun« und Telehrtthuereistäts umtauft, so flnd Er-
rterungen In dem Geiste K'S von dem grLßten Nutzen, indem die Ein-
zelheitm und die Enlwickekung der Einzeltheile in Bestimmung der
Formen scharf festgestellt werdm und so an den festgesteütm Thatsa-
chm e!n Halt gewonnen wird. Die echte Wiffenschaft kann nur dabei
gewinnen, besonderS selt Männer wie Puttrich, LepfluS u. s. w. und
d!e Zeitrichtungen überhaupt flch den allvaterländischm Denkmalen wie-
der zuwendm. Auch die Fcanzosen schlagm jetzt den richtigen Weg eln,
welcher allein zu bestimmrm Ergebniffen führt, und namentlich von
baumont hat da« Verdlenst, durch seln Werk „Lrokitectur« reli-
Alooee" die neuen Forschungm degründet zu haben, die würdig von
dm Mitgliebern So I» Societe k'raopaise pnur la coaservation >ieo
movuweuts vatiooaux im „NuIIetio »loouweotal" fortgeführt werden
und zwar auf eine Weise, daß man wünscht, unser liebeS Deutschland
hätte «ine Lhnliche Gesellschaft, um der unwissenden ZerstLrungS-, Ver-
b«fferungS- oder UeberkleisterungS-Wuth hemmend und belehrend «nt-
gegmzutreten. Jedoch kehren wir zu Kallenbach zurück.

Der Verfaff-r hat sein belehrendes Werk so «ingerichtet, daß die
Zeichnungen sür fich redrn und ei» besonderer erklärender Trxt über-
flüssiz ist, indem untrr jeder Aeichnung so viele Erklärunam beigegeben
stehm, alS nöthig sind, sogar dem gedildeten Laien di« Eigenthümlich-
keiten, Fortschrilte und Eatwickelungen der Baukunst nach chronologi-
scher Ordnung klar zu machen. Sben hiedurch füllt daS Werk eine
groß« Lücke in der bieherigen Kunstgeschichte auS, und indem auS be-
stimmten Zei'tkäuften die bestimmten Formm gleich zur Anschauung
gebracht werden, fällt eine Menge unerquicklichm KunstgeredeS fort und
werden dafür feste Begriffe gegcben. Zweitens hat Herr K. di« Klug-
heit gehabt, gleich m!t dem eiiften Zahrhundert seine Chronolozi« zu
beginnm und sich in di« frühere Zeit nicht zu vertiefen. Weßhalb nen-
nm wir ein solches Verfahren klug? Antwort: weil über die ersten
zehn Zahrhunderte fich Vieles sprechen, aber wenig FruchtendeS wis-
sen läßt. DaS Warum liegt so ziemlich am Tag», ist aber von der
Geschichte der Baukunst so ziemlich übeischen worden. Wir wollen hie-
bei «inen Augenbli'ck verweilm. Auch die Baukunst muß, wie alle
Künste, in ter Entwickelung des GesammtlebmS aufgefaßt werden, und
«S fruchtet wenig, wenn man statt Erklärungm Benmnungen '), z. B.
byzantinisch, lvngobardisch u. s. w. oder sonstige griechisch klingende
Namm gibt, in welche die deutsche Forschung noch immer verliebt ist.
Wie man die christliche Geschichte nach einem großen Maßstabe ein-
theilrn könnte in das römische Kaisenhum in Ztalien und tn das
deutsch-romischeKaisenhum, da« 1806 begraben warb, so kinnte man
auch die Baukunst in die römische vber romanische und deutsch-römische
eintheilen. Trotz der vielen Namm und Verschiedenhriten im Einzelnen,
aber nicht im Ganzm, gibt eS nur diesr zwri Bauweisen, wie auch
Eaumont dir Sache richrig auffaßt.

Als Konstantln da- Ehristmthum befreit« und die christliche Kirchen-
baukunst durch ihn sowohl moglich wurde alS gefördert ^) wurde, gab
«S in Abmdland nur Eine Baukunst, nämlich die römische; denn
die griechischr war längst todt und mußte todt sein; denn die Baukunst
rrfordert viel Geld, und Griechmland war schon zwei Jahrhunderre
vor EhristuS verarmt, vernichtet. Nach Philipp und Al-xander, ge-
schweige nach Mummius und Sulla konnt« Sriechenland an Baukunst
eben so wenig denken, alS an die Herstellung seinrr zerstörten Städte,

') Rumohr in seiner Schnst: „Ueber den gemeinschaftlichen Ur«
sprung der Dauschulen des MrttelalterS" (Berlin 1831) hatauch
über diese Unsitte gut geredet, die nur zu falschen Begriffen ver-
leitet, als ob die byzantinffche, gothische, lombardische u. s. w.
Baukunst von Dyzantinern, Gothen, Longobarden erfunden
wvrden.

^) Vismpivi äe sacris »eäistciis etc. komae, 1693. p. g. Val den
Brief an Eusehjus.

und mag die gewöhnlichr Kunstgeschichte auch ihre wunderlichm brkann-
tmGrillen aufstellm, so wird fich drnnoch schwerlich eine griechische
Baukunst zur Römerzeit nachweisen lassen. Wi« di« Sachen eigmtlich
standm, lehrt schon Antt'ochos Epiphane« von Sy-ien, der dm alten
Teniprl des olympischen ZruS zu Alhen weiter baute. Wrr abrr war
der Baumeifier? SinGriech«? Nei'n, «in Römer, Namers Coffutius,
wie Vitruviu« °) ausdrücklich berichtet. Cäsar und andere griechenfreund-
liche Kaiser') ließen später in Griechenland ebenfalls Lffentliche Ge-
bäude und Denkmäler errichten, allrin die Baumeister warm gewiß
Rimer, durch Rom, diesm Schlund alles WeltceichthumS, damals an
Prachtbautm gewöhnt, während der arme Grieche vielleicht nur zum
Hüttenbau die nöthig« Uebung erhielt. Der berühmte Herodes Attikos
baute bekanntlich auch später rin neurs Odeion in jeinem liebm Athen,
daS nichtS mehr besaß, als seinm Ruhm und srine alten Trümmer; allein
di« Baumeistrr waren wirderum keine Griechen, londrrn di« Romrr ')
Cajus und MarcuS SlalliuS. Solche Thatsachen, deren man noch
mehrer« findm kann, redm devtlich grnug, und wenn auch unter Trajan
der Athmer Apollodoros °) das trajanisch« Forum erbaute, so baute er,
dem Geiste nach ein Römer, in römischer Weise für römische Bedürf-
niffe und Awecke; denn schon lange vor Sulla gab es keine griechi-
schen ') Awccke mehr und kcine griechische Kunst. Wrnn also von
griechischer Baukunst unter den Kaisern «ben so wmig die Rede sein
kann, als von griechischer Volkskunst, so versteht es sich von selbst, daß
nur dir rsmischr Baukunst übrig bleibt. Wie war aber diese beschaf-
fen, die Anfang« durch Roms weltlicheS, später durch sein geistliches
Ansehen in der Römerwelt nachgeahmt ward? Man mag sie loben,
wie wan will, so ist «s gewiß, daß fle schon im dritten Zahrhundert
unter Kaiser Dioklitian sich sehr verschlechrert hatte. Schon der Palast
zu Spalatro zeigt dm Kunstvrrfall °), und die Bäder des Diokletian
in Rom sind noch toller ') gebaut. Zm vierten Jahrhundert unter
Konstaatin, dem Einführer deS Christenkhums, war d!« Kunst noch
mehr verfallen, und diffe Bauweis« ist es, welche daS Christenthum
überliefert «rhielt und bis zu dem zehnten Jahrhundert im Ganzen so
ziemlich nach dem Vorbilde der (Basiliken) Gerichtshäuser beibehielt.
Auch in Byzanz kann von keiner «i'genthümlichen byzantinischen Bau-
kunst die Rede sein, dmn Konstantin brachte nach dem von ihm be-
nanntm Konstantineprl rimischen Adel, römisches Geld, römische Sit-
tm, römische Künste und auch die römische Baukunst. Jndemneuen
Rom (so heißt nämlich Konstantinopel amtlicb) baute «r Kirchea und
Sonstiges gerade so, w!e man e« im alten italischen Rom gewöhnt war,
und Justinian, drr Erbauer der weltberühmten Sophimkirche, erfanb
gewiß keine neue Bauweise, sondern richtete sich nach der älrern kon-
stantinischm Sophimkirche, dle wiederum den kanstantinischen Bauken
in Jtalien glich, so wie denn die vielen Kirchenbeschreibungen ftit
Prudentius und GcegoriuS von Tours ein« so ziemlich gleiche Bau-
einrichtung zngen und ffch nur durch Größe oder auch durch das Ma-
terial'°) unrerscheiden "). Wi'r die Baukunst aber ihre Schöpfungen
nicht mehr alS Ganzc« und als Träger einer Jdee, welcher sich di« etn-
zelnm Theike unterordnen müssen, ansah, davon liefert schon die kon-
stantinische Aeit den schlagendsten BewriS. Man errichtet« nämlich dem
Konstantin einen Triumphbogen, indem man dm Triumphbogen deS
Trajan plündert«, und diese Plünderei ward späker Sitte: man zer-
störtr, um zu bauen. Justinian ließ zum Baue seiner Sophienkirche
die Säulen aus allen Wellgegenden zusammmschleppen; Kaisrr Basi-

b) Vitruv. VII. kraekat. cellae insAnitnäiaem, et eolvmaarnm
circ» äipteron oollocatioaem, epislxljornm et caeterorum or-
nameatornm av s^mmetriornm llistridntionem, mrrga» solerti»
scieatiaqne snmm», ci vis komanus Lossntins nodiliter est
arckitectatns. Bgl. Winckelmann, Geschicht« der Kunst. Dres-
deu, 1764. S. 374.

^) S. Winckelmann a. a. O. S. 109.

b) Winckelmann, Anmerkungen «ber die Geschichte der Kunst des
Alterthums. Dreßden, 1767. S. 105.

v) Winckelmann a. a. O. S. 121.

?) Die Herren der Gelehrsamkeit scheinen sich aber einzubilden, als
ob das griechische Bolk trotz seines bürgerlichen Todes sich den-
noch allein in dem Besitze des Kunst- und Schönheitsgefühles er-
halten hätte, welches beides den armcn Römern abgesprochea
wird. ES ist hier natürlich »icht der Ort, solche Grillen z« wi-
derlegen. die, obgleich allgemein angenommen, scho» in fich un-
haltbar sind; denn keiu Sinu kann da sein für daS, was man
nicht übt.

S) S- <ie Lanmovt, ttistoire 6« I'4rvditevtnre keligieuse. 184l.
x. 14.

v) cke kanmovt, x. 15.

'O) knäi opero, pretioso opere, lapiäidns gnaäratis, InpiSenm, sco-
ticnm opns u. s. w. S. Beispiele in meinen Dombriefen.

") Rumohr (Bauschulen des Mitt.) ist mit mir gleicher Meinung
und zeigt, wie die spätere Baukunst bis zum 12. Jahrhundert
nur überliefertes römisches Handwerk ist und (S. 47 ff.) Abend-
land das Eigenthümliche der dyzantinischen Kunst weder nach-
ahmte noch nachahmen konnte.
 
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