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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0156
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Ueber LrliquienLhrtiue und Reliquiarien.

So» Prifae.

Sahrst du wohl j», mei'n lieber Leser, jeae gläazenden, vsn Gold emd
Ldelsteinea, in dem lieblichsten Echmeljweeke von Blau und Roth,
Weiß und Schwarz strahlenden Schrein», wie fie rinsten- in den Kir-
chm der Kl»ster, Nbteim, khrwürdigen Pfarren und bischöstichen Ka-
lhtdralen so gewöhnlich, die al» Sewahrsamr der Gedeinr ihrer Slif-
1«r oder soostiger verdienter Mäaner in besoadrrer Achlung standen, in
deu Ieiten d«r Nolh hrrvorgcholt oder bei desonderen Geleqenheiten in
»alerischen Festzügen hrrumgetragen wurden, an sich selbst merkwür-
dige Erinnerungen, di« anschaulichsten Belege von dem Stanbpuncte
aller Kunst, alter Wiffenschaft, alter Silten und Gewohnheiten, ihr,
«igene Teschichle, die Merkmal« ihrer Aeit, der Frelgrbigkei't oder Ver.
schleuderung, der Nchtung oder Plüaderung an fich tragen? — Welch«
merkwürdige Betrachtungen gewährl nicht ein solcher heil. Schrein, in
der gewohnlichen, «twaS unpoetischen Sprach, Reliquienkasten genannt!
Zn seinem Aeußern flnd alle Erscheinungen der Aeit, freundlichr und
seindliche Bilser, ja, nicht selken Dinge, von denen man sich wundern
muß, wie fie hieher gekommen, und über die Ironie d«S Aufalls, der
mit ihnen gespielt hat. Da schmücken dmn Weihgeschenke, Götzenbilder
drS HeidenkhumS daS Heiligthum des Herm, da kommen denn als
Zierathm die Bildnisse von Personen, dt« man nichtS weniger alr hier
«rwartm sollt«. Einige gehören in vorchristliche Zeitm, andere sind zu-
gleich mit Ihrer frischen Jugendperivd« da gewesrn, wieder andere in
jüngerr Aeiten zu setzen.

Wir wollen «S versuchen, hi'er «inigr von jenen Reliquienschreinen
und Reliquimkastm, welche uns auf unseren kurzm Kreuzzügen durch
Deutschland, Belgien und Frankreich begegnet sind — denn in Holland
und seinen leerm Kirchen wirst du vrrgebens danach fragen, in Eng-
land nur Miniaturbildchen derselbm, größtentheilS au« Deutschland
und mitunter auch aus Kiln zusammmgeschleppt, in den unzugängli-
chen Sammlungen der LandlordS sinden — und dir wir genauer ken-
nm, durch Beschreibung vor Augen zu fübren. Habe nun Rücksicht
mit unS, «enn unsere Beschreibuag den Effect nicht hervorzubringm
vermag, dm die Betrachtung selbst erregt, vder wenn wir hier und da
nichl ganz verstöndlich werdrn oder wohl etwaS üdrrsehen haben soll-
ten, was zum Wesen der Each« gehört. Wir brgreifen die ganze
Schwierigkeit wohl und btdauern herzlich, daß eS unS weder die Zeit
»och dir Mittcl gestatten, jenen Dingm di« Betrachtung zu schenken,
welch« sie verdimen. Unsrr« Ministeriea d«S Znnern, drr Finanzen, der
geistlichen Angelegenheiten gestatten jenen Studien weniger Zeit und
wem'ger Mrttek, als sie «S verdienen und vielleicht Manche denken m»-
gen. Auch reisrn wir nicht mit «Inrr ministeri'ellen, offmen Ordre an
Alle und Jeglichr, nicht mit öffentlichen FondS oder irgmd einem be-
stimmten »uftrage, ssndern rein aus «igenem Antriebe für die Ehr«
deS VatrrlandeS und der kirchlichen Znstitute, mit eigenen Hausfonds,
dir nur Sparsamkeit und Entsagung zusammenbringm kann, auf un-
srr gutes Geficht, mit unbedrutendem Aeitaufwande, nach hinlänglicher
Ermüdung an naturhistorischen Studien und den kleinen Leiden deS
mmschlichm LebenS — im eigentlichm Sinne in Angelegenheiten un-
sereS eigenen HauseS, das unS bei jedrm Windsioße über den Kopf zu
faüen droht und nicht gestatket, von drr unausgepackcen Bibliothck den
mindestm Bebrauch zu machen, — wrßhalb w!r denn auch dm güti-
gen Leser für so manche Zrrthümer herzlich um Verzeihung bitten müs.
sm, da wir keinesivegs gesonnen sind, auf dem Jrrthum« zu beharrm,
sondem uns stäkS und mit Freuden «iues Bessern belehren lassen. —

Die Reliquirnkasten nehmen in der Kunstgeschichte eine bedeutmdr
Stelle «in. Eie gehören «inerseitS zu den ältesten Werken, welche uns
auS dem Mittelalter «rhalten sind, andererseiis aber auch zu denjeni-
gen, welche noch keineswegs di« Beachtung und Würdigung gefunden,
di« sie verdienen, und zwar aus Gründen, die tbeils ofc genug wieder-
holt sind, »heils hier anzuführen wir nicht an der Stelle halten. Jenr sind
nicht nur di« rrsien und ältesten Werke vaterländischer Kunst, sondern
auch der Jndusirie und virlseitig der Art, daß die neuere Zeit noch
MancheS daran lernm kann. Ohue inbeß die Sache erschöpfen zu kön-
nm, halten wir es, «he wir zu dm besonderm Wcrken übrrgehen, für
nothig, hier im Allgemeinen etwaS über Reliquienkastm und Kästchen
— denn daß der Name nun einmal da ist, dafür kann ich nicht —
vorauszuschicken. DaS, was «ir in jener Beziehung zu sagen haben,
betrifft 1) die Bestimmung, 2) die Größe, 3) daS Material d-r Rr-
lrquimkasien und KSstchen.

Die Reliquienkastm dienten zur Aufsewahmng der Gebeine heiliger,
um die Kirche vrrdienter Männer. Diese wurden nämlich, wie auch
die übrigen Menschm, Staub und »sche, nach iheem Tode dem zurück-
gegeben, von dem fie genommen. «llein der Ruf ihrer Lhaten und
Verdienste, da« Bedürfniß der Kirche. die, ftlbst Dankbarkeit lehrend,
diesr Pflicht gegm ihre Diener und G-treuen nie vergißt, sondern vor
allen Diogen übt, und nach ei'nem viel sicherern und grandioserera
Maßstabe al« die Welt, ließen fi« nicht an gewöhnlichm Orten liegen.
Man gestattete ihnen eine besondere Auszeichnung. Si« «urden da-
her nach Verlauf «ines gewiffen Aeitraums feierlich, vor vielen Arugm,
in Gegenwart der achlbarstm Männer und Kirchenvorstrher, wieder au«
h«r Erde mtnommen und m prachtvollen Schreinen beigesetzt, mtweder
a» dem Ort« ihres TodeS zur Ausstellung bei gewiffm Feirrlichkertm

«n Freud' und Lrid aufbewahrt, oder nach anderen Orten, wozu fi« in
inniger Beziehung gestanden oder stehen sollten, versmdet. Sewöhnlich
«rbat man fich auch bei solchen Selegmheiten kleinere Ueberreste als
Andenkea und Segmstände besonderee Verehrung. Zme Tage abcr, an
welchen die Erhrbung sowohl als die Ueberbringung oder Ewpfang-
nahme der Reliquim an «inrm Orle geschah, blirben beständige Fest-
tage für die betreffmdm Kirchen. Sie waren bekannt unter drm Na-
men elsvslto, trsnslsiio, dmm dann an jrnen Orten, wo fich größerr
Reliquien befanden, noch zwii biigesellt wurdm, nämlich deS Eterbe-
tages, din die Kirche als den Geburtstag, >Uos nataUs, brtrachtek, und
dkr oanooisntio oder Heiligsprechung.

Dir Größe der Reliquienkasten richtete flch nach der Größe und dem
Umfange der Gegmstande selbst, wrlche fie «nthielten. Nun wurden aber
die Reli'quim eingetheilt in größcr, und kleinere. Au den größeren rech-
netr man dm ganzrn Körper oder wenigstmS das ganze Havpt. Dic-
jmigen von dea Reliquienkasten, welche ganze Körper in flch bewahr-
ten, hattm auch meist die Größe des mmschlichen Körpers, eine Nus-
dehnung von et»a 5 Fuß und mehr in der Länge, so — wie vir noch
writer hören werden — der Rekiquienkastm des h. Suitbert in Kai-
serswerth, d-s h. Heribert in Deutz, de« h. Anno in Siegburg, deS h.
Albinus. deS h. Maurinu« in Pantaleon zu Köln u. s. w. Die klel-
nerm Reliquien wurden in kleinerm Behältern, sehr häufiz in klei»
neren Monstranzen, gezeigt und von Diakonen bei Procesfionm hcrum-
traqen.

Die Reliquimkastm hatten, je nachdem sir groß oder klein, allerle,
Formen und allerlei Gestalt und wurden aus allerlei Material gebil-
d«t, bald aus Holz mit «ingelegter Perlmutter, bald aus Elfenbein,
bald auS Mcssing, aus Silder, mit Sdelgestein geschmücktem Gold.
Die gewöhnlichst« Form der grißern war die eine« KirchengebSudeS,
bald mit einsachem Schiffe, wle jmer deS h. Heribert in Deutz, bald
im Bastlikmßyle mit drei Schiffm, wie j-nrr der hh. drei Könige im
Dome, bald waren sie mit rundbogigen Verzierungen, wi« der Kasten
des h. Suirbrrt in KaiserSwerth, bald im Spitzboqm mit Strebewerk,
wie der Kasten der h. Ursula zu Brügge in Wesiflandern, jener der
Makkakärr in St. Andreas zu Köl.i. Auch warm st« zuweilen rund,
wie eine gewöhnliche Dose gestaltet, mit Decschluß und ocen mit einem
Riegel versehm. So scheinm bescnders di'e Missionare dir Reiiquien,
welche sie vom Oberhaupte der Kirche zur Gründung neuer Stiftungen
«mpfanqen, überbracht zu haben. So trugm Bonifaz von Mainz und
Fulda, Ludger v°n Werden und Münster auS ihre Reliquien zu den
Sachsm und Friesm. Dmn ohne Reliquien ward keine Kirche gegrün-
det, ohne Rcliquim kein Evangelium gepredigt, man hätte sonst auf
die Gemeinschaft der Heiligm, welche in apostolischen Zei.'en so viel galt,
daß si« ins TlaubmSbekenntniß kam, Berzicht geleistet! — Manche jr-
ner Kasten waren von Eickenholz und voa außm mit Elfenbein oder
Metallplatten geziert. Um sie herum standm bei dm größeren die Säu-
lm der Kirche, die zwölf Apostel, das Bi'ldniß des Hriligen, dessen
Ueberbleibsel sie bewahrten, in Front, an ihr oder auf ber Contrefcont
der Heiland, die seligste Zungfrau, an den Seiten von einer doppck-
ten Reihr von Nposteln, Evangelisten und Prophetcn umgebm.

(Forts. folgk.)

Lorretpo ndens-Nachricht.

Köln, 11. Scpt. Die aachener Liedertafel hat ihrr Theil-
nahme fär die Sache unsereS DombaueS durch die Einsendung dcr
reinen SrtragShälftr zweier Concerte in dem bevruttndm Betrage von
210 Thlrn. aufS Neue bewshrt. So «rfreulich dieses Aeichm eineS
aufrichtigen Sinnes für das Gedrihm des gottgeweihten WerkeS ist,
so reiche Feucht muß das dadurch gegebme Beispiel tragen. Wenn alle
dentschen Gesangvereine in Lhnlicher Weise beizusteuern sich angeregt
fükilttn, so würde der Bau, füc dessen Fortschritt in seiner Riesengröße
außerordentliche Mittel nöthig sind, einer reichen Unterstützung mehr
sich erfreuen. Und warum sollttn diese Vereine nicht alle, um eie be-
geisternden Worte im Begleitschreibm der aachener Liedcrtafel festzu-
halten, „so writ die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmrl Lieder
singt, durch ihre Gesänge die Herzm erwärmm und mtflammm zur
Unterstützung des erhab.mn und heiligm WerkeS des kölner Dombaues"?
„Sind dvch Musik und Baukunst durch die gemeinsame Gmndlage der
Harmonie bedingt und enz mit einander verbundkn. Möchtm daher
alle Dereine von dem Strebm gekeitet werdm, ihre Sängerchöre bald
in dem vollendeten Tempel zu versammeln, um gemeknsam dir
Halleluja, Jubel- und Dankrshymnm anzustimmen und erklingm zu
laffm!" — Es bedarf in der That nur «ines Hinblicks auf die Mög-
lichkeit, für die Dombau-Sach« zu wirkm. Die Mittel sind vorhanden,
der Sache zu dienen, fie müffen aufgefundm und geltend gemacht wer-
dm. Liebe und Begeisterung vermag VieleS, und wo könnte fie zu sin-
den seln, «enn nicht hier, wo st« sich mit der Hoffnung verbindrt, den
schönstm Tempel der Christmheit vollendet zu sehen!

Berantwortlicher Herausgeber: Zos. DuMont.

Druck und Commisfions-Verlag des BerlegerS drr Kilnischm Aritung,
M. DuMont-Schauberg.
 
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