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Kunst der Nation — 3.1935

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Carls, Carl Dietrich: Ernst Barlach als Dramatiker: zu seinem 65. Geburtstag am 2. Januar 1935
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Poglayen-Neuwall, Stefan: Ernst August von Mandelsloh
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Paul, F.: Joachim Ringelnatz
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Schlee, Alfred: Die deutschen Tanzfestspiele 1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.66551#0003

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Kunst der Nation

3





Joachim Ringelnatz


Die deutschen Tanzsestspiele 1SZ4

E. A. v. Mandelsloh, Nmunden, „Hinterhaus der Villa "

sind

M ar u s k at ä n z e r

Am 1480,

Holz bemalt

München, altes Rathaus

Personen im lebendigen Widerstreit. Er will dem
Bewußtsein immer wieder die großen, den Men-
schengeist erschütternden Fragen wachrnfen, ohne
aber den Besitz irgendeiner Antwort vorzu-
tänschen, die dem Menschen nicht gewährt ist.
Seit der Aufführung des „Blauen Boll" am
Berliner Staatstheater durch Jürgen Fehling, die
großen Widerhall fand, ist, voll einer rühmlichen
Ausnahme am Altonaer Stadttheater abgesehen,
die Auseinandersetzung mit dem Dramatiker Bar-
lach verstummt. Daß die Dramen Barlachs im
Sinne der praktischen Bühne eine endgültige Er-
füllung seien und daß man mit solchen Werken
einen Spielplan anfbauen könne, wird niemand

Daß Mandelsloh in seinen Arbeiten An-
regungen verwertet, wo sie sich ihm bieten, von
den Japanern, R. v. Alt, Ensor (in den kleinen
Streilfiguren der italienischen Aquarelle), Kubin
(in der Kombination von Aquarell und Feder-
technik), schmälert keineswegs den Wert der durch-
aus Persönlichen Arbeiten.

wirken, daß Kolportage und Genre ihm sofort zur
Vision aus dem Bereich reiner Anschaulichkeit
werden und nur das Moment charakteristisch
bleibt, daß solche Darstellungen geistig durchleuch-
teter Visionen aus dem treuherzigen Mitteilungs-
drang der deutschen Seele stammen, Bild gewor-
den kraft der unsterblichen Phantasie, wie zu
Zeiten von Urs Graf und Slevogt. kV Unnl

In der Stille eines Krankenhauses und fast
schon vergessen von der

Erstaunliches und
malig, daß man versucht'sein könnte, den eigent-
lichen Ringelnatz lind seine seelischen Geheimnisse
hier zu suchen. Berührungspunkte mit seinen

Ernst August
von Bandelsloh

In seinen Ausführungen über den neuen
Tanz, die Will Grohmann im Hinblick auf die
deutschen Tanzfestspiele an dieser Stelle machte,
deutete er die Schwierigkeiten an, die den deut-
schen Tanz seit einigen Jahren bedrohen. Es
waren nicht nur wirtschaftliche Nöte, die der Ent-
wicklung des deutschen Tanzes Hemmnisse berei-

behanpten wollen. Aber was der Dramatiker Bar-
lach geschaffen hat, ist in seinem Kern so echt,
groß und bedeutend, in seiner Gestaltung so voll
berstender Fülle und im Sprachlichen so reich,
daß es nicht verloren sein kann und darf. Die
Zeit zum vollen Verständnis Barlachs, auch des
Dramatikers, wird noch reifen müssen. Noch
schuldet die deutsche Bühne ihm und sich selbst
die Vertiefung in sein Werk.
Carl Dietrich Carls.

Welt — nicht von seinen
Freunden — ist Hans
Boetticher gestorben, den
wir unter seinem selbst-
gewählten Namen Ningel-
natz gekannt und geliebt
haben. Was er als
Dichter des Kutteldaddl-
dn, der Kinderspielbücher
und mancher anderen tief-
scherzender und melan-
cholisch ernsthafter Bücher,
was er als Kabarettist
bedeutete, haben andere
ans echter Freundschafr
geschrieben; denn Ringel-
natz besaß wirkliche
Freunde; in allen Dingen
ein wunderbarer, sel-
tener und tief deutscher
Meusch.
Er war auch Maler,
vielmehr er war Maler;
uud die Bildchen in Ol-
technik und Aquarelle, die
iu den letzten Jahren von
ihm auftauchten, meist
durch Nierendorf in Ber-
lin vermittelt, geben so
in allen Stücken so ein-

teten. Unfruchtbare Streitereien um Richtungen
hatten eine Krise heranfbeschworen, die den deut-
, scheu Tanz in seinem innersten Kern angriff.
Rudolf von Laban, der Begründer der neuen
> Tanzkunst, und mit dieser in Deutschland hei-
- misch geworden, hat es nun selbst unternommen,
- Klarheit über die Situation zu schaffen. Er
plant den Aufbau einer neuen deutschen Tanz-
bühne. Die Festspiele sollten den Auftakt dazu
geben und die Basis aufzeigen, von der aus ge-
startet wird. Unter solchen, von den Veranstaltern
selbst gegebenen Gesichtspunkten, kommt den deut-
schen Tanzfestspielen eine größere Bedeutung zu,
als nur die einer gelegentlichen Tanzschau. Er-
gebnisse, insbesondere aus der Entwicklung der
letzten Jahre sollten als Grundstock eines neuen
Aufbaues gezeigt werden. Mit Absicht wurde dies-
mal von den Diskussionen Abstand genommen,
die einen wesentlichen Bestandteil früherer
Tänzerkongresse ausmachten. Die verschiedenen
Gegensätze innerhalb der Tänzerschaft sollten das
festliche Gesamtbild des deutschen Tanzes von
heute nicht trüben.
Dieses Bild nun — und das war das Ent-
täuschende au diesen Festspielen — unterschied sick
in nichts von dem, das uns schon die tänzerischen
Darbietungen der früheren deutschen Tanzkongresse
und die Wettbewerbe anderer Länder vermittelt
hatten. Es muß sogar eine noch weitergehende
Einschränkung gemacht werden. Jede dieser frü-
heren Veranstaltungen brachte wenigstens eine
große Entdeckung, ließ uns einen Blick in Neuland
tun. Eine solche Überraschung, um derentwillen
wir den früheren Tanzkongressen Existenzberechti-
gung zubilligten, wurde uns bei den diesjährigen
Tanzfestspielen nicht geschenkt.
Es bedarf nicht dieses großen Aufmarsches, um
festzustellen, daß die Palucca (die Impekoven
fehlte) die beliebteste deutsche Solotünzerin ist.
Auch Harald Kreutzberg hatte uns schon in vielen
Tanzabenden bewiesen, daß seine Kunst in den
letzten Jahren zu unüberbietender Meisterschaft
gewachsen ist. Es ist selbstverständlich, daß dieser
grandioseste Tänzer auch bei den Festspielen als
solcher gefeiert wurde.
Wichtiger, als diese, allerdings gern gegebene
Bestätigung, war der Einblick, den uns die Tanz-
festspiele in die Arbeit der Tanzgruppen ge-
währten. Immer wieder fesselt uns das Problem
der tänzerischen Gemeinschaft. Der ganze Reich-
tum choreographischer Möglichkeiten — so genial
und virtuos auch ein Einzeltänzer seine Visionen
zu gestalten vermag — wird uns erst im Gruppen-
werk offenbar. Zwischen den ersten Gruppen-
kompositionen Mary Wigmans und den tanz-
theatralischen Äußerungen eines Kurt Joos oder
einer Trudy Schoop liegt eine Entwicklung, die
zugleich auch die ganze Spannweite und Viel-
seitigkeit neuen künstlerischen Tanzes aufweist.
Leider wurde diese Entwicklungslinie, auf der
unsere Hoffnungen für die Zukunft des deutschen
Tanzes liegen, in der Programmgestaltung nicht
berücksichtigt. Es schien vielmehr, als wolle man
die überholte Gegenüberstellung von Konzert- und
Theatertanz beibehalten, wenn man einen Abend
Theatertanzgruppen und an Theatern wirkenden
Solisten einräumte und anderseits an einem
andern Abend als repräsentative Anfangs- und
Endpunkte des Konzerttanzes die Tanzgruppen
von Mary Wigman und Dorothee Günther auf-
treten ließ.
Mary Wigman stellte in einem Zyklus vou
„Frauentänzen" ihre neue Tanzgruppe vor. In
den überlegenen und verinnerlichten Gestaltung
einer „Totenklage" weckt sie Erinnerungen an das
Erlebnis, zu dem sie uns mit ihrer ersten Gruppe
aufgerüttelt hatte. Wieviel uneingestandene
Theatralik dieser Revolutionärin gegen das
Theater anhastet, wird durch die Nachbarschaft
der Tanzgruppe Dorothee Günther deutlich ge-
macht. Diese sportlichen Tänzerinnen atmen eine
gesunde Sachlichkeit, Atmosphäre von heute. Sie
haben, seit sie bei dem Münchener Tänzerkongreß
mit einer „barbarischen Suite" die Aufmerksam-
keit auf sich gezogen hatten, eine Entwicklung
durchgemacht, die nicht zufällig durch das Musi-
kalische bedingt ist. Die Vorkämpfer der Gemein-
schaftsmusik finden hier eine tänzerische Parallele.
Damit ist bereits auch die Einschränkung be-
zeichnet, die der Choreographin Maja Lex gegen-
über gemacht werden mnß, eine Einschränkung,

poetischen Skurrilitäten
sind ja nirgends zu ver-
kennen; aber in der stum-
men Bildsprache tauchen
doch noch andere und um-
fassendere Welten auf,
lauter dichterisch ange-
schaute Dinge, Einfälle, die
aus der Dichterphantasie
kommen, aber in durch-
aus malerischer Anschau-
ung und als Bild erlebt
sind. Die dunkle und
fragwürdige Seite des
Lebens wird in diesen
Bildern bevorzugt, der
verzweifelnde Elefant im
Sandsturm steht seinem
Herzen so nah wie die
Waisenkinder, deren Paar-
weiser Zug hinter ihren
Manern verschwindet.
Aber das Idyllische, das
leise Abbröckelnde oder
tragisch Stumpfsinnige, das nächtlich Spukhafte
(z. B. eines Eilzuges) wie die sanftmütige Er-
gebenheit stummer Kreaturen im Aquarium, alles
Gewöhnliche und Ungewöhnlichste, das fühlenden
Menschen einen Moment aufwühlend ans Herz
greifen kann, nimmt Ringelnatz zum Thema er-
staunlicher Bilder. Das Merkwürdige dieser Bild-
chen aber ist, daß sie nie als gemalte Literatur

«rst im AlU'i- uiin mehi- als dreißig Jahren
ist der ehemalige Generalstäbler Ernst August
Freiherr von Mandelsloh, Sproß eines uralten
hannoveranischen Geschlechtes, von Geburt lind
Zuständigkeit Österreicher, zur Malerei ge-
kommen. Nach dem Krieg, den er an allen Fron-
ten mitgekämpft, war er nach Deutschland ge-
gangen und fand in Frankfurt a. M. Anschluß an
künstlerisch und literarisch gerichtete Kreise, an die
Brüder von Unruh, R. G. Binding, B. Reiffen-
berg, Dr. Simon, Max Beckmann u. a. In dieser
Umgebung gelangt auch sein Entschluß, sich ganz
der Malerei zu widmen, den er bereits in der
Militärschule gehegt, zur Ausführung.
Nach dem mißglückten Putsch des Jahres 1923
muß Maudelsloh, der vou Anfang an ein über-
zeugter Vorkämpfer des Nationalsozialismus ge-
wesen ist, Frankfurt verlassen. Erst in Bayern,
dann am Rhein wird ihm Asyl gewährt.
Nach langjähriger Abwesenheit kehrt er 1930
nach Österreich zurück und läßt sich in Gmunden
nieder. Im gleichen Jahre tritt er in der Se-
zession znm erstenmal vor die Wiener Öffentlich-
keit. Was die Arbeiten dieses Autodidakten, der
sich durch eisernen Fleiß weiterentwickelt hat,
sympathisch macht, ist die absolute Ehrlichkeit und
Unmittelbarkeit des Empfindens, die aus den un-
wahrscheinlich exakt und klar gestalteten Blättern
spricht. In der Formengebnng, deren Präzision
durch eine sparsame Farbigkeit noch unterstützt
wird, im Bildausbau und in der Raumgestaltung,
in der scharfen Scheidung der einzelnen sich staf-
felnden Gründe voneinander, kommt überall die-
selbe durchsichtige Klarheit zum Ausdruck.
Der Künstler, der seit zwei Jahren der Wiener
Sezession als ordentliches Mitglied angehört, hat
sich auch in dem Kunstleben seiner engeren Heimat
Oberösterreich durchzusetzen verstanden. Bald nach
seiner Heimkehr zum Vorsitzenden des Ausschusses
der „Jnuviertler Künstlergilde" gewählt, die die
besten Künstler, Architekten, Musiker und Dichter
hüben und drüben des Jun vereinigt. Dazu ge-
hören R. Andersen, V. Hammer, A. Kubin, die
Dichter Billinger und H. Carossa, F. K. Ginzkey,
K. B. v. Mechow, Matz Mell und O. v. Taube.
Mandelsloh hat Bedeutendes für den geistigen Zu-
sammenschluß von Deutschland and Österreich ge-
leistet.
Vor drei Jahren ist er vorn Pastell zum Aqua-
rell übergegaugeu, dessen Technik die farbigen
Möglichkeiten seiner Kunst um eine neue Note be-
reicherte. War bisher das Salzkammergut der
Boden gewesen, dem Mandelsloh seine Motive
entnahm, so hat eine 1933 nach Italien unter-
nommene Reise, die ihn nach Florenz, Rom,
Neapel führte, nicht nur sein Stoffgebiet erweitert,
sondern auch sein künstlerisches Sehen vertieft.
Die kleinen, mit Tusche durchsetzten Aquarelle ans
Italien, die im Frühjahr 1934 in der Wiener Se-
zession zu sehen waren, sielen allgemein durch ihre
Selbstverständlichkeit und ihre Luft- und Licht-
erfülltheit auf. Namen wie Guardi, Rudolf v. Alt
kamen dem Beschauer angesichts dieser Arbeiten in
den Sinn. Zumal all die Aquarelle aus der
frühen und mittleren Zeit R. v. Alts fühlte man
sich erinnert, an deren Art Mandelsloh unmittel-
bar anknüpft. Aber dem Detail, das in den
Pastellen eine wesentliche Rolle spielt, triumphiert
hier die Gesamtwirknng.
 
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