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Kunst der Nation — 3.1935

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Plenk, Joseph: Über den Standort der modernen Kunst in der deutschen Revolution
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Paul, F.: Berliner Sezession: "Zusammenschluß 1934"
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Haftmann, Werner: Hermann Teuber
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Haftmann, Werner: Peter Fischer
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"In disen hohen eren troumte Kriemhilde, wie si züge einen valten starc schoen unt wilde"
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Dorak, Franz: Menzel-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.66551#0014

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2

Kunst der Nation



schlimm ist: eine Anzahl unserer Stärksten haben
gar nichts gegeben; der Reigen ist unvollständig.
Gibt es wirklich nichts, was die Künstler zu ge-
schlossener Einigkeit in Sachen der hohen Kunst be-
wegen konnte?
Mit Trauer im Herzeu muß man gestehen, daß
der Eindruck dieser wichtigsten Schau in Berlin
niederdrückend ist, daß man nach dieser Erfahrung
urteilen müßte, unsere Entwicklung sei völlig
stehengeblieben seit 1925. Es scheint beinahe, als
ob Berlin seine führende Rolle in der modernen
Kunst ausgespielt habe. Wie ist es möglich, daß
mit einem so glorreichen Umbruch kein Künstler
Schritt halten sollte? U. U u u I.

Ausstellung Berliner Sezession
Daß Teuber in diesem Zwischenbereich seine un-
beirrte Stellung gefunden hat, macht die Modernität
s einer Bilder aus. XV. Ickaktinan n.

Peter Fischer
Vom 13. Januar bis 5. Februar stellte die Gale-
rie v. d.Heyde neue Tuschzeichnungen Peter Fischers
aus. Es ist eine Folge sehr zarter Blätter um wenige,
menschlich immer sehr stille Themen kreisend, schrei-
tende und stehende Menschen in einer immer sehr
großen Landschaft, einsame Frauen in sehr großer
Verlassenheit, zwei Kühe als schwarze Klumpen vor
weitem Feld liegend. Die Form hält sich in dieser
selben Sphäre einer einfachen Verhaltenheit, sie
lvird durch die Tonigkeit des Materials noch in
eine Kunst, die aus denselben Bereichen kommt, wie
die s-ä h^ir'Lriüvs>ErwaiwÄlmaus, >,as eiuei vejon-
deren Empfindlichkeit für menschliche Zwischen-
situationen, die Barlach in seinen Dramen so schwer
umschreibt, so mahnt dann auch manches in diesen
zarten Blättern an Barlach, nur ist alles schwebender
gehalten und von der Zartheit des Materials ver-
schleiert. Peter Fischer ist an: 22. Februar 1891
geboren und heute Lehrer an den Vereinigten
Staatsschulen in Berlin. XV. Ick.
Zn Wen Hohen eren kronnike
MiWlUe, ivie si Züge einen
mlken sinkt Wen ank ivilSe"
Die Kunst des deutschen Mittelalters steht in
erster Linie im Dienste der Religion. Zwar spielt
auch in die religiöse Kunst das Profane kräftig
genug hinein, aber eigentlich profane Denkmäler
sind doch recht selten. Um so mehr verdienen die
wenigen, die auf uns gekommen sind, unsere Beach-
tung. Eines ganz besonderer Art ist der zierliche
Messergriff aus Bein, der hier zum ersten Male
veröffentlicht wird.
Er stellt eine edle Dance dar, die in ein lang
herabwallendes, an den Seiten bis zum Gürtel
aufgeschlitztes und verschnürtes Gewand gekleidet
ist, das vorn am Halse ein Schmuckbnnd abschließt.
Das in Locken gelegte Haar wird von einem kronen-
artigen Reif gekrönt, am Hinterkopf ist es mit Borten
fest umwickelt, unter denen nur unten ein Locken
kranz hervortritt. Alle Verzierungen sind durch
kleine Löcher angedeutet.
Um der Griffgerechtigkeit willen sind die Arme
eng an den Leib gelegt. Auffällig ist der überlange,
starke Hals. Feiner ausgearbeitet ist nur das läng-
liche Gesicht mit der hohen Stirn, der langen,
geraden Nase und dem stark betonten Mund.
Was cum aber die ihres Zweckes wegen sehr-
schlichte, in der Masse streng zusammengehaltene
Gestalt sehr merkwürdig macht, ist, daß die Dame
auf der zur Faust geschlossenen Linken einen Falken
trägt, dem sie mit der erhobenen Rechten den Kopf
streichelt!
Solche Messergriffe sind sehr selten. Das
Mainzer Museum besitzt eineu, der eine gekrönte
Frau in langem Gewand und Mantel darstellt,
deren in Zöpfe geflochtenes Haar bis zu den Fersen
herabreicht. Er wurde bei einem Hausbau in der
Mainzer Altstadt gefunden und wird seines überaus
altertümlichen Charakters wegen dem 12. Jahr-
hundert zugeschrieben. Wie das hier wieder-
gegebene Stück ist er knapp zehn Zentimeter lang.
Diese Messergriffe müssen somit für sehr kleine,
zierliche Messerchen bestimmt gewesen sein, die man
sich nur in den Händen vornehmer Frauen denken
kann.
Ob am Rheine eine Werkstatt bestand, die sich
nut der Anfertigung solcher Messergriffe besonders
befaßte? Die Sammlung Schnütgen in Köln be-
sitzt euren Messergriff dieser Art und gleicher Größe

Hermann Tender, Kinder im Atelier

Die Preußische Akademie der Künste veran
staltet in ihren Räumen am Pariser Platz gemeinsam
mit der National Galerie eine große Gedächtnis-
ausstellung zum 120. Geburtstage und zum
30. Todestage Adols Menzels. Die Ausstellung
gibt ein prächtiges Gesamtbild über das phänome-
nale Schaffen dieses Meisters des Stiftes und der
Palette und zeigt, was er durch eminenten Fleiß
und Energie aus seinem Talent gemacht hat. Fast
alle deutschen Zeitungen brachten in diesen Tagen
Aufsätze mit all den vielen Anerkennungen und
Legenden, die den Künstler in die Geschichte ein-
gereiht haben.
In Nr. 6 der „Deutschen Zukunst" bringt
P. Fechter die interessante Formulierung: „Das
Zweite, was man in dieser Ausstellung erlebt,
ist die Stellung Menzels zwischen den Stäm-
men. Mair hat ihn den eigentlich preußischen Maler
genannt: Das stimmt nicht. Der preußische Maler
der Königszeit heißt Krüger, der der Kaiserzeit
Anton von Werner. Menzel — das zeigt diese
Ausstellung fast überraschend — hat als Maler,
wie als Zeichner, ganz starke Beziehungen nach
Wien hinüber."
Dieses Thema scheint uns interessant genug, um
dasselbe in einer der nächsten Nummern unserer
Zeitschrift ausführlich zu behandel».

Hermann Teuber
In der Galerie von der Heyde in Berlin hatte
der Maler Hermann Teuber seine Ausstelluug, die
in nicht sehr vielen Bildern, die Erkenntnis eines
Malers von der Welt gibt. Diese Welt ist sehr still
und von einfacher Größe, wenige Bildthemen: Still
leben, Kinder und Menschen im Maleratelier und
Landschaften, die ganz arm und einfach ein geringes
Motiv wiedergeben, aber erfüllt sind von dem vollen
Geyaltenheit in der Form. Die Wichtigkeit dieser
Bilder aber liegt noch wo anders, sie liegt in einem
Zwischenbereich, in dem das einfache Thema,
Stilleben oder Landschaft, zu einer größeren
Menschlichkeit erwächst.
Über der Arbeit Teubers steht eine große und
einfache Art, die Welt zu sehen und sich ihrer als
Erlebnis, als Form und als Farbe im Bewußtsein
zu bemächtigen. So wird seine Art zu sehen zu
einem Akt der Menschlichkeit. Wie man es sieht,
darin liegt die Wichtigkeit: die Welt gesehen durch
ein menschliches Verhalten, nicht durch ein Tempera
ment, wie Manet es wollte. Davor verblaßt oft das
artistische Moment.
Aber wie ist dieser Zwischenbereich? — Er liegt
zwischen Natur und Erkenntnis, er liegt in jenem,
mysteriösen Bereich, der zwischen Naturform und
gestaltender Phantasie ist, der sich genau da be-
suchet, wo sich das menschliche Bewußtsein mit
dem Ding in Einklang befindet. Die Natur ist
gegeben, so wie sie ist, als ungestaltetes Ting; wenn
sie gestaltet werden soll, so heißt das, sie in die
Sphäre der menschlichen Bedeutsamkeit hinüber
ziehen. Dazu genügt das Auge allein nicht, auch das
Gefühl allein nicht. Für Teuber werden die Dinge,
die er malt, zu unmittelbaren Bestandteilen seiner
Vorstellung. Ein bunter Zirkuswagen, ein Krug
oder sein Äteliertisch werden Momente einer Bild

Waldemar Raemisch, Adler
Vorstellung, die er von diesen Gegenständen ab-
leitet. Im Sehen bildet sich ihm das fertige Bild,
indem nun das Gesehene nur Punkt dieser Vor-
stellung wird. Das Naturobjekt lvird zum Bild-
gegenstand. Und weil das alles im vorstellenden
Bewußtsein geschieht, erhalten die Bilder jene ein-
dringliche menschliche Bedeutung, die sie nun als
Ausdruckswerte eines anderen. Menschen besitzen.
Der Gegenstand wird nicht zum Motiv, sondern
zum Mittelpunkt einer Ausdrucksbeziehung, die
zwischen Natur und Form liegt. Deshalb ist das
Stilleben hier mehr als nature inorte, weil es in
seinen Beständen nicht so sehr wichtig ist, sondern
weil es erlebt wird als Ausdruckspunkt einer inneren
Vorstellung.
Das Inhaltliche der Bilder verlagert sich zum
Erlebnis des kleinen und abgelegenen Dinges und
seiner tiefen Schönheit. Ein verlassener Rummei
Plast dia Buden Im " ruhckdes, verschüchtert
A m-ben ' ,.,-r a w
lassenheit noch ein gewaltiges Maß von zu er
lebender Schönheit, so wie eine Nelke schöner wird,
wenn sie im Schutt blüht. Im Notizbuch trägt
Teuber Rilkes schönen Satz: „Es geht eine große
und ewige Schönheit durch die ganze Welt, und
diese ist gerecht über den kleinen und großen Dingen
verstreut."
Das große iuhaltliche Thema kauu so vou
Teuber gar nicht gesucht werdeu, weil es für ihn
nicht ans der Welt der Auseinandersetzung liegt.
Das Pathos bleibt diesen Bildern ganz fremd. Es
ist eine eigene Welt der Anschauung, nicht der
pathetischen Idee. Sie führt so zu Cezaune, Chardin
und Vermeer, indem sie diese als auf der gleichen
Richtung der Welt anschauung empfindet. Tas
heroisch pathetischeJdealRubens oder die pathetische
Größe Rembrandts wurden eben (nur um Beispiele
zu nennen) von Vermeer gar nicht gewollt. Aber
nun: Die Welten, die Vermeer von Rembrandt
trennen, sind keine Trennungen der Qualität, auch
keine der menschlichen Größe, sie sind Trennungen
der Weltanschauungen, der Einstellungen zum
Leben, die den Wertmaßstab noch gar nicht berühren.
Es handelt sich hier um Verhaltungsweisen. Teuber
entschied sich für die Welt, die Vermeer bezeichnet,
für die Ausdrucks-, nicht für die Jnhaltsbeziehung.
Das Problem liegt in der Mitte. Für die heutige
Malerei liegt es zwischen Form und Wirklichkeit.

aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, der einen
Ritter zu Pferd im Topfhelm zeigt. Er stammt aus
dem Kölner Kunsthandel, und sein eigentlicher
Fundort ist leider nicht bekannt.
Der Fundort des hier besprochenen Stückes aber
ist bekannt! Und es ist ein sehr interessanter Fund-
ort: Um 1905 kam es in der Nibelungenstadt
Worms ans Tageslicht, nachdem es vielleicht Jahr-
hunderte in der Erde geruht hatte. Und so dürfte
es nicht zu kühn sein, wenn wir die merkwürdige
Darstellung als Illustration jenes Verses aus dem
Nibelungenlied auffassen, den wir über diese Zeilen
setzten. Um so mehr als das kleine Kunstwerk wohl
nicht allzu lauge nach dessen Abfassung entstanden
ist. Um 1230 etwa dürfte es die kunstgeübte Hand
eines mittelrheinischen Elfenbeinschnitzers geformt
haben. Vielleicht für eine Dame aus der edlen
Wormser Familie der Nibelungen, die gerade im
12. und 13. Jahrhundert blühte. l< I i.

Menzel-Anekdoten
Von Frank Dorak
Es kommt öfter vor, daß die Porträtmaler
ihre Kunden nicht zufriedenstellen können.
Das gleiche mußte auch Menzel erleben. Dieser
ärgerte sich nun darüber und wandte sich an das
Modell mit den Worten: „Ich habe Sie ja ähnlicher
gemalt, als Sie überhaupt sind!"
Als ein anderer sich einst von Menzel malen
ließ, hatte er auch allerlei an seinem Porträt auszu-
setzen. Menzel antwortete: „Sie können nun nicht
verlangen, daß ein Bild Mama und Papa sagt!"
Menzel hatte einer Dame, die bei allen Hof-
festlichkeiten zu finden war, ein Bild ihres Hundes
angefertigt.
„Entzückend haben Sie mein Palasthündchen ge-
malt. Wenn es Junge bekommt, bekommen Sie
als Extrahonvrar eins ab. — Mein Mann wünscht
übrigens, daß ich mich bei Ihnen porträtieren
lasse!"
„Mit Vergnügen, aber natürlich ohne Extra-
honorar !"

Messergriff aus Bein 13. Jahrhundert


Der hochherzige Maler Adolf von Menzel war
im hohen Alter ein ziemlicher Langschläfer und
geiziger Junggeselle. Wenn er einmal früh auf-
stehen mußte, schrieb er am Abend vorher an sich
selbst einen Brief ohne Freimarke. Um 8 Uhr-
morgens stürmte dann pflichtgemäß der Briefträger
an der Klingel, um das Strafpostgeld zu erheben.
Menzel hatte natürlich den Brief schon vergessen,
er verweigerte die Annahme, aber der Zweck war
erreicht, denn einmal aufgestauden, legte er sich
nicht wieder zu Bett.
Ausnahmsweise hatte Menzel sich herbeigelassen,
einen Sohn einer befreundeten Familie zu unter-
richten. Eines Tages erscheint der Schüler eine
ganze Stunde zu spät zum Unterricht:
„Verzeihung, Exzellenz, als ich auf den: Wege
hierher war, stießen zwei Wagen zusammen. Der
eine Fahrer geriet unter die Räder. Und da..
„Dann zeigen Sie mal die Skizze her!"
„Eine Skizze? Aber ich habe doch geholfen,
den Mann hervorzuholen und ins Krankenhaus zu
schaffen!"
„Was...? Junger Mann, ich rate Ihnen,
werden Sie Heilgehilfe, zum Maler haben Sie
scheinbar wenig Talent!"
 
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