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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Hampe, Theodor: Hans Gudewerdt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0099

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i8i

Hans Oudewerdt.

182

Mit den aus den Büchern der Eckernförder
Innung neu gewonnenen Nachrichten hat der Ver-
fasser die Ergebnisse der archivalischen Nachforschun-
gen Biernatzki's, und zwar nicht nur nach der ver-
hältnismässig kurzen Zusammenstellung derselben im
Meisterverzeichnis des dritten Bandes der Bau- und
Kunstdenkmäler, sondern vornehmlich nach Biernatzki's
eigenhändigen Urkunden-Abschriften, die jetzt die
Bibliothek des Landesdirektorats in Kiel verwahrt,
ergänzt und zusammengearbeitet, wobei hie und da
bisherige Irrtümer korrigiert werden und auf manche
Verhältnisse ein neues Licht fällt. So hat Qudewerdt
für den herzoglichen Hof zu Gottorp laut der erhaltenen
Rechnungen nicht zwei (Biernatzki im Meisterver-
zeichnis bei Haupt, a. a. O. III, 45), sondern im ganzen
vier Brautwagen gefertigt (1649, irJ50 und 1654), die
leider nicht mehr vorhanden sind, die wir uns aber
etwa wie die aus dem Vorlagenwerke des Arnold
van Westerhout bekannten Prunkwagen zu denken
haben werden. Einleuchtend und interessant sind
auch die Ausführungen Brandt's über die ursprüng-
liche Gestaltung der Mittelpartie des Eckernförder
Altars und die offenbar erst auf besonderen Wunsch
des Rates vorgenommene Hinzufügung der Maria
Magdalena und der beiden fliegenden Engel, über
die uns ein eigenhändiger Brief Gudewerdt's an den
Rat Kunde giebt. Dieser Brief, der einzige, der uns
von dem Meister erhalten ist, findet sich in Brandt's
Buche auf Tafel XIX in Lichtdruck-Faksimile wieder-
gegeben.

Die aus archivalischen Quellen geschöpften Nach-
richten bilden in geschickter Gruppierung im wesent-
lichen den Inhalt des ersten Abschnittes, der „Hans
Gudewerdt's Leben" betitelt ist und mit einem kurzen
Überblick über die Zeitverhältnisse, die für Schles-
wig-Holstein trotz des Dreissigjährigen Krieges in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts günstige genannt
werden können, beginnt.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich im
einzelnen mit „Hans Gudewerdt's Werken". In der
Einleitung ist mit wenigen Strichen der Entwicklungs-
gang der schleswig-holsteinischen Plastik von Hans
Brüggemann bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts,
wie er sich nach unserer heutigen Kenntnis dar-
stellt, skizziert, ein besonderes Interesse natürlicher-
weise der Herausbildung der zweiten Phase des Ba-
rocks, des sogenannten Ohrmuschelstils, als deren
Hauptvertreter im Lande uns der Eckernförder Meister
entgegentritt, vom Verfasser zugewendet. Dabei ist
manche treffende Bemerkung eingestreut. Auch die
Beschreibung und Beurteilung der einzelnen Werke
kann im allgemeinen als sehr gelungen bezeichnet
werden. Doch hätte bei Besprechung der die Wesens-
gleichheit von Tod und Schlaf symbolisierenden
prächtigen Figur des schlummernden Knaben in der

| Bekrönung des Pogwisch'schen Erbbegräbnisses in
! der Nikolaikirche zu Eckernförde wohl der fast gleichen,
zeitlich aber vorangehenden Darstellungen an dem
Wisch'schen und dem Ahlefeldt'schen Epitaph in der-
selben Kirche — vgl. Haupt a. a. O. I, 167 f. — Er-
wähnung gethan werden können. Bei der reizvollen
Medaillongruppe über der Mittelpartie des Eckern-
förder Altars, mit der Brandt (S. 27) nicht recht etwas
anzufangen weiss, wird man doch wohl in erster
Linie an eine freilich offenbar sehr persönlich ge-
wandte Caritas-Darstellung denken müssen.

Der dritte und letzte Abschnitt des Buches hat
»Hans Gudewerdt's künstlerische Persönlichkeit" zum
Gegenstande und sucht vor allem durch eine erneute
Analysierung seines Schaffens eine Antwort auf die
Frage, wo er gelernt habe und welche Meister be-
stimmend auf seine Entwicklung eingewirkt haben
mögen, zu gewinnen. Bei dem bisherigen gänzlichen
Mangel an urkundlichen Nachrichten hierüber liegt
ein allseitig befriedigender Nachweis zunächst kaum
im Bereich der Möglichkeit, und wir dürfen dem Ver-
fasser schon Dank wissen, wenn er auf Grund der
Stilkritik eine Lehr- und Wanderzeit unseres Meisters
in Belgien wenigstens wahrscheinlich macht. Für die
Predelladarstellung des Kappelner Altars ist es ihm
sogar gelungen in Rubens' Anbetung der Hirten (im
Museum zu Rouen), die 1620 von Lukas Vorsterman
gestochen wurde, das direkte Vorbild aufzufinden.
Auch sonst findet sich in den fleissigen Ausführungen der
verschiedenen Abschnitte dieses letzten Teils, die „Gude-
werdt's weiterer Entwicklungsgang", „Über Konstruktion
und Technik bei Gudewerdt", „Gudewerdt's Ornament"
und „Gudewerdt's Figuren« überschrieben sind, noch
manche wohl durchgeführte Untersuchung und mancher
sehr beachtenswerte Hinweis; ich verweise z. B. auf
die ebenso interessanten wie richtigen Bemerkungen
über das Proto-Rokoko, wenn ich so sagen darf, in
der Ornamentik der Schranken des Dänischenhagener
Altars. Der Geschlossenheit des Ganzen indessen —
das kann nicht wohl verschwiegen werden — ist die An-
ordnung eines solchen dritten Teiles recht nachteilig
gewesen. Im Aufbau, in der Disposition, in der
Gruppierung des Stoffes zeigt Brandt's wertvolle Ar-
beit noch erhebliche Mängel. Daher die zahlreichen
Wiederholungen; viele Stellen kehren zweimal, einige
sogar dreimal fast gleichlautend wieder. Auch merkt
man wohl, dass dem Verfasser, als er in Teil II an
der Beschreibung des Kappelner Altars arbeitete, jenes
Rubens'sche Bild und derVorstermann'sche Stich noch
unbekannt waren. Er würde sonst schwerlich in der
Weise, wie er es hier thut, die scharfe Naturbeobach-
tung, die sich in der Anbetungsscene verrate, rühmend
hervorgehoben haben. Sie ist ja eigentlich ganz auf
Rubens' Rechnung zu setzen.

Doch diese letzteren Aussetzungen betreffen, wie
 
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