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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Schleinitz, Otto von: Die Rembrandt-Ausstellung in der Royal-Academy in London
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l g5 Die Rembrandt-Ausstellung in

des Meisters. Es Iässt die Fehler erkennen, welche
seine räumlich grossen und umfangreichen Ar-
beiten aus jener Epoche charakterisieren. Das Bild
ist etwa 1636 entstanden, und der Kopf Belsazar's bil-
det eine Wiederholung des wenig angenehmen Typus,
den wir aus der Münchener Galerie als „Ein Orien-
tale im Profil" kennen. Von „sichtbarer", und nicht
unsichtbarer Hand ist das „Mene Tekel" an die Wand
geschrieben. Trotz aller seiner Mängel stellt das Bild
mit den anderen lebensgrossen Figuren dennoch ein
Werk dar, das nur Rembrandt geschaffen haben kann.
Obgleich endlich der König als eine geradezu ab-
stossende Figur bezeichnet werden muss, so sind doch
einzelne der Festgenossen ebenso sympathisch wie
ausdrucksvoll dargestellt.

Bedeutend interessanter ist die Kreuzabnahme.
Dies Bild scheint im allgemeinen so wenig bekannt
gewesen zu sein, dass es nicht einmal in Michel's
sonst so vorzüglichem Werk genannt wird. Im
Jahre 1650 gemalt, gehört es in eine Zeit, in welcher
der Meister seine Kunst nach jeder Richtung hin be-
herrschte. Auch hier sind die Figuren lebensgross.
Im Vordergrund ruht der Leichnam des Herrn auf
einem weissen Tuche, unterstützt von Joseph von Ari-
mathia, einer ehrwürdigen Figur mit wallendem Barte,
wie sie in den Bildern jener Epoche Rembrandt's
häufiger vorkommt. Zur Rechten sehen wir die Jung-
frau Maria in einem schön drapierten roten Gewände.
Am Fusse des Kreuzes steht die interessanteste Gestalt
der gesamten Komposition, Maria Magdalena, und
zwar so jung, dass man sie fast als Kind ansehen
muss. In ihrem kindlichen Gesicht findet sich kaum
ein Zug, der auf irgend eine konventionelle Auffassung
hindeutet, kein herzzerreissender Schmerz, sondern
nur ein rührender Blick der Trauer ist zu entdecken.

So gut wie unbekannt ist ebenfalls Mr. Charles
Morrison's »Porträt einer jungen Frau" (Nr. 93).
Dies Bild aus Basildon, das vielfach unter dem Titel
»des Meisters Tochter" figuriert, stellt wohl unzweifel-
haft Hendrickje Stoffels dar. Es kann unbedingt als
eins der schönsten Werke des Meisters bezeichnet
werden und vermag jedenfalls mit dem gleichen Sujet
im Louvre den Vergleich auszuhalten. Vielleicht lässt
sich über das im Katalog angegebene Jahr 1665
streiten. Da aber ersterer den Vermerk trägt „Unter
Revision", so dürfte anzunehmen sein, dass gegen
Ende der Ausstellung der amtliche Katalog einige
Berichtigungen erfahren soll. Wenn auch gerade die
Londoner Ausstellung, als Supplement der Amster-
damer, in Bezug auf überraschende Richtigstellungen
in einigen Punkten, nicht allzuviel bieten wird, so
wird sie doch unter allen Umständen manche, den
Rembrandtforschern willkommene Resultate zeitigen.

Unter den anderen weniger bekannten Gemälden
— ein Ausdruck, der natürlich nur relativ gilt —

der Royal-Academy in London. 196

soll noch hervorgehoben werden: „Der Kaufmann«
von Lord Feversham, „Die Dame mit dem Papagei"
oder auch „Katharina Hoogh" genannt, aus dem Be-
sitz von Lord Penrhyn. Ersteres trägt das Datum
165g, letzteres 1657. Alsdann ist zu erwähnen: Lord
Ilchester's berühmtes Selbstporträt des Meisters aus
dem Jahre 1658, das in manchen Beziehungen als
unübertroffen gilt. Das im Katalog mit Nr. 55 be-
zeichnete Bild „Porträt einer jungen Dame", 1635
datiert, und Lord Leconfield gehörig, dürfte wohl
bisher Schloss Petworth niemals verlassen haben. Es
ist das Gemälde, welches Bode mit Recht für das
Pendant hält zu dem in der Sammlung des Grafen
Pourtales in Paris befindlichen Bilde. Wie bedauerlich,
dass jenes mutmassliche Pendant „Ein junger Mann"
hier nicht zum unmittelbaren Vergleich gestellt werden
konnte. In diesem Falle würde Bode's Ausspruch
allgemeine Bestätigung in England gefunden .haben.
Sicherlich stellt das Porträt der Dame eine der
hübschesten, interessantesten und anziehendsten Per-
sönlichkeiten dar, die Rembrandt jemals gemalt hat.
Alle Details sind zudem meisterhaft durchgeführt.
Lord Cowper's „Porträt eines Mannes" (Nr. 72) giebt
uns das höchst animierte Bildnis eines jungen Mannes,
der zu anderen, aber auf dem Bilde nicht sichtbaren
Personen zu sprechen scheint. Dies Werk aus dem
Jahre 1644 wird für den grössten Schatz in der Pas-
hanger Galerie gehalten und gehört zweifellos über-
haupt zu den bedeutendsten Schöpfungen des Meisters.

Wenn auch vielleicht von den 102 Gemälden und
von den 106 Skizzen, Zeichnungen sowie Entwürfen,
welche die Londoner Royal-Academy zusammenge-
bracht hat, einzelne von Schülern herrühren, so sind
doch darunter etwa neunzig unangreifbare Werke von
Rembrandt's Hand, und von diesen ist wiederum die
Hälfte unbedingt erstklassig.

Seit langer Zeit nicht gesehen, und auch nicht
nach Amsterdam geschickt, waren endlich: Lord
Brownlow's interessantes frühes Werk des Meisters
„Isaac und Esau" (Nr. 9), Lord Scarsdale's „Alter Mann"
(Nr. 12), ungefähr 1645 gemalt, Mr. Beaumont's „The
Tribute Money", der Zinsgroschen (Nr. 21) und vor allem
„Porträt des Meisters" (Nr. 18) in dem Besitz von Lady
Rothschild. Das letztere stammt annähernd aus der-
selben Zeit wie das mehr bekannte Meisterwerk aus
der Sammlung des Grafen Ilchester. Unter den Land-
schaften ist ganz besonders Nr. 40 im Katalog, Lord
Lansdowne's berühmte „Mühle" hervorzuheben, eins
der schönsten Beispiele von des Meisters Kunst und
seiner Methode, Sonnenlicht und tiefen Schatten zu
behandeln.

Wie bereits im Eingange erwähnt, liegt hier nicht
die Absicht vor, die bekannten und zur Besichtigung
eingesandten Werke auch nur zu registrieren. In
dieser Hinsicht mussauf den Katalog verwiesen werden,
 
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