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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Die Kunst im Reichstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0146

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275

Die Kunst im Reichstage.

276

mälde, das mit Terpentinfarben auf Leinwand ausge-
führt und zum Ankleben an der Decke eingerichtet ist,
verändern zu wollen, falls Wallot, dem er nur allein ver-
antwortlich ist, nicht dem Reichstage, eine derartige Bitte
an ihn richtete. Damit wäre die Angelegenheit in ein
neues Stadium getreten. Aber auch in ihrem gegen-
wärtigen Stande hat sie vollauf die in Künstlerkreisen
herrschende Erregung gerechtfertigt, nicht wegen des
Thatbestandes, über den wir zur Zeit noch nicht urteilen
können, sondern wegen der Ausdrücke, die Dr. Lieber
unter dem Schutze seines Privilegs als Reichstags-
abgeordneter gegen einen Mann gerichtet hat, der sich
an gleicher Stelle nicht verteidigen kann. Er hat von
„Schmierereien" und von „Spottgeburten von Dreck und
Feuer" gesprochen, und gegen diese Ausdrücke wendet
sich vornehmlich der Protest der Künstlerschaft. Zu-
nächst hat eine Anzahl Münchener Künstler, unter
denen sich die Vorsitzenden aller grösseren künst-
lerischen Vereinigungen und die Vertreter der Aka-
demie befinden, ein offenes Schreiben an Wallot ge-
richtet, worin sie gegen die im Reichstag erhobenen
Angriffe energischen Einspruch thun und dem Erbauer
des Reichstagsgebäudes ihre herzlichste Sympathie und
aufrichtigste Wertschätzung versichern. Dieser Kund-
gebung hat sich einige Tage darauf die Berliner
Secession angeschlossen, und die Vereinigung Ber-
liner Architekten wird noch in dieser Woche folgen.

Mit Kundgebungen ist die Sache aber nach
unserer Meinung keineswegs abgethan. Es wäre ein
einfacher Akt der Gerechtigkeit, dass dem Künstler
ein Appell an die Öffentlichkeit gestattet würde, und
das kann nur geschehen, wenn sein Gemälde, so wie
es jetzt ist, öffentlich ausgestellt würde, am besten in
einem Saale des Landesausstellungsgebäudes im Rahmen
der grossen Kunstausstellung. Erst dann wird man
beurteilen können, inwieweit das Verdikt der Reichs-
tagskommission gerechtfertigt ist oder nicht.

Dem anderen der betroffenen Künstler, Adolf
Hildebrand, war von Wallot der Auftrag erteilt wor-
den, die Modelle zu zwei Urnen für Abstimmungen
im Reichstage auszuführen, die ebenfalls das Missfallen
des Herrn Lieber hervorgerufen haben. Nach seiner
Beschreibung sind es zwei eiförmige Gefässe, die von
je drei männlichen nackten Gestalten getragen werden.
Obwohl er in erster Linie die Höhe des Preises be-
mängelte — jede der Urnen soll 12000 M. kosten —,
scheint er jedoch grösseres Ärgernis an den nackten
Gestalten genommen zu haben. Hier liegt die Sache
aber wesentlich anders als bei dem Stuck'schen Ge-
mälde. Der Auftrag ist auch von der neuen Kom-
mission bestätigt worden. Um so auffallender ist
darum eine Bemerkung des Staatssekretärs, aus der i
hervorzugehen scheint, dass eine Ausführung der
beiden Urnen, die nach seiner Erklärung das deutsche
Kunstgewerbe auf der Pariser Weltausstellung re- |
 
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