Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

DOI Artikel:
Borrmann, R.: Ausstellung der Ergebnisse der orientalischen Forschungsreisen des Herrn Dr. F. Sarre im kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0162

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
307

3o8

der letzten Seldschukendynastie in Konia (13. Jahr-
hundert) gefunden. Zu derselben Zeit findet sich
diese Technik ferner in den nordafrikanischen und
spanisch-maurischen Bauten. Seine höchste Ausbil-
dung erfuhr jedoch das Schnittmosaik in der per-
sischen Architektur des 15. und 16. Jahrhunderts, in
den gleichzeitigen Osmanenbauten, sowie in der
grossartigen Bauthätigkeit Timurs und seiner Nach-
folger in der Hauptstadt des Ostens, Samarkand.
Auf zwei der hervorragendsten Monumente dieser
Periode, die von Djehan-Chan um 1440 erbaute
schöne blaue Moschee in Taebris und die um die
Begräbnisstätte des Schech Safi in Ardebil, östlich
von Taebris, gruppierten Bauten, haben Dr. Sarre und
sein Reisebegleiter, der Reg.-Baumeister Bruno Schulz,
ihre Thätigkeit konzentriert, und es verdient rühmend
hervorgehoben zu werden, dass sie neben zahl-
reichen Photographien von gutgewählten Stand-
punkten in grossem Umfange Durchzeichnungen über
den Originalen angefertigt haben. So konnte der
Architekt wohlgelungene Aufnahmen von Mosaiken in
wirklicher Grösse — u. a. eine 4' 2 m hohe Fenster-
umrahmung aus Ardebil — vorführen, welche die
Muster in Zeichnung, Farbe, kurz in allen Details bis
auf die Fugen der Zusammensetzung getreu wieder-
geben. Mit dieser Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit
sind bisher noch niemals persische Bauwerke darge-
stellt worden. Zahlreiche an Ort und Stelle ge-
sammelte Proben von Bauornamenten geben über
Stil und Technik jeden weiteren Aufschluss. — Als
Gegenstücke zu diesen Arbeiten figurieren die von
E. Jacobsthal bereits vor 10 Jahren veröffentlichten
Aufnahmen nach dem Grabbau des Mahmud-Pascha
(f 1474) in Konstantinopel. Von der dort angewen-
deten Technik der Thonintarsia, d. h. Wandmustern,
gebildet aus Einlagen von glasiertem Thon in
Sandstein, sind Nachbildungen in Originalgrösse,
ausgeführt von dem Hofsteinmetzmeister Wimmel
& Co. und dem Thonwarenfabrikanten March aus-
gestellt. —

Eine sehr wertvolle Ergänzung erhalten die
Schulz'schen Architektur-Aufnahmen durch zahlreiche
Photographien, die, nachträglich um ein bedeutendes
vergrössert, jedes Detail klar und deutlich erkennen
lassen. Es wäre sehr zu wünschen, dass eine der-
artige Sammlung von Originalaufnahmen dauernd
für eine öffentliche Stelle erworben und zugänglich
gemacht würde. Wie wir vernehmen, beabsichtigt
Dr. Sarre eine ausführliche kunstwissenschaftliche
Veröffentlichung mit den Bauten von Ardebil im
Mittelpunkte. Wir halten den Gedanken der Kon-
zentration auf ein oder einzelne Baudenkmäler für den
richtigen. Die geplante Veröffentlichung wird um so
willkommener sein, je mehr sie sich von der Schilde-
rung belangloser Reiseerlebnisse oder Tagebuchnotizen,

an denen die Orientlitteratur wahrlich keinen Mangel
leidet, fern zu halten wissen wird.

Ausser den Aufnahmen, auf die allerdings das
wissenschaftliche Interesse in erster Linie hingelenkt
wird, enthält die Ausstellung jedoch noch eine be-
achtenswerte Sammlung von Originalarbeiten aus dem
Besitze des Dr. Sarre. Die wertvollsten und im Pri-
vatbesitze seltenen Stücke darunter sind drei email-
lierte und vergoldete Glasgefässe, eine Moscheeampel,
eine Henkelvase und ein Pokal, dieser schon durch
seine Form bemerkenswert und von grosser Feinheit
in der Ausführung. — Die Gläser mit Gold- und
Emaildekor, die in Silber und Gold tauschierten
Bronzen, die Fayencen mit Goldlüster und endlich die
kostbaren Goldbrokate unter den Stoffen wird man
stets zusammen nennen, wenn von der Blüte der
orientalischen Kunst und den ihr am meisten eigen-
tümlichen Erzeugnissen die Rede ist. Thatsächlich
herrscht ein innerer Zusammenhang zwischen diesen
ihrer Natur nach so verschiedenen Kunstzweigen, der
sich ausserdem in ihrer Gleichzeitigkeit — ihre Blüte
fällt in das 13. und in den Anfang des 14. Jahrhun-
derts — ausspricht. — Von tauschierten Bronzen in
der guten alten Technik, bei welcher das Silber nur
in den scharf eingerissenen und etwas unterschnittenen
Konturen der Zeichnung und bei dünnen Stegen
oder Linien an kleinen punktähnlichen Löchern Halt
findet, ist eine angeblich für den Sultan AI Muiz-
Aibek von Ägypten (Mitte des 13. Jahrhunderts) ge-
fertigte Schale zu erwähnen. Reich vertreten, zum
Teil in auserlesenen Exemplaren, sind die Fliesen mit
Goldlüster, ausserdem finden sich Proben von Bau-
ornamenten mit Reliefmustern, Fliesen mit Email-
dekor, Fliesen mit aus der Glasur ausgekratzten
Flachmustern (Moschee Djehan Chan in Taebris, Haupt-
moschee in Veramin). —

Von Fayencen sind einige türkische Arbeiten, da-
neben die bekannten persischen Fayencen in Nach-
ahmung chinesischer Blauporzellane zu erwähnen.
Unter den Bauten in Ardebil befindet sich ein nach
seinem Inhalt Tschini-Hane (Porzellanhaus) benannter
achteckiger Kuppelraum, der Schatzraum der Anlage,
der noch heute eine sehr stattliche Sammlung chine-
sischer Porzellane, fast ausschliesslich Blauware, be-
sitzt. Dieser Raum mit seinen vielen zur Aufnahme
jener Porzellane bestimmten, nicht selten sogar ihrer
Form angepassten Nischen und Fächern an den
Wänden, darf als das vielleicht älteste Porzellan-
Kabinet bezeichnet werden. Jene und ähnliche
Sammlungen, vorzugsweise aus der Safiden - Zeit
(16.—17. Jahrhundert), verbunden mit einem lebhaften
Import, müssen die Vorbilder für die chinesisieren-
den Arbeiten mit Blaumalerei gebildet haben, die man
als die orientalischen Gegenstücke zu den gleich-
zeitigen D elfter Fayencen betrachten kann.
 
Annotationen