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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Steinmann, Ernst: Santa Maria in Cosmedin in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0170

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Santa Maria in Cosmedin in Rom.

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folgen könne, welche sich in der ewigen Stadt nach
ewigen Gesetzen vollzogen haben. Und in der That,
wir können diese Wandlungen verfolgen, seit es dem
verdienten Architekten Giovanni Battista Giovenale
gelungen ist, alle die Epochen der einzelnen Bau-
perioden festzustellen und zeitlich mit Bestimmtheit
abzugrenzen.

Wir können heute die Baugeschichte der Kirche
in fünf getrennte Abschnitte einteilen. Zunächst er-
hob sich beim Forum boarium ein heidnischer
Tempel, wahrscheinlich der Ceres geweiht, der durch
eine Feuersbrunst zerstört von Tiberius im Jahre 17
n. Chr. neu errichtet wurde. Man sieht seine Spuren
— opus quadratum aus rotem Tuffstein — noch
in der merkwürdigen Krypta und im Hof nach
der Südseite. Im 4. Jahrhundert wurde gerade vor
dem Tempel ein grossartiger Getreidespeicher, eine
statio annonae gebaut mit sieben mächtigen Säulen
an der Front und je drei an den Seiten, die sich bis
auf zwei noch alle erhalten haben oder sich wenigstens
in ihren Resten noch festlegen lassen. Sie waren
ursprünglich durch Arkadenbögen verbunden, wo man
in den Laibungen die reichsten Stuckdekorationen
entdeckt hat, und bezeichnen noch heute halbver-
mauert die allerdings nach Süden bedeutend verkürzte
Fassade der späteren Basilika. Die Benutzung dieser
mächtigen Halle als Annona wurde festgestellt, nach-
dem man im Jahre 1716 auf dem Platz vor der Kirche
die Basis einer Statue gefunden hatte, deren Inschrift
den Namen eines Präfekten der Annona nannte, der
dem Sohne Konstantins des Grossen in den Jahren
337—34° h'er eine Statue errichtet hatte.

Im 6. Jahrhundert wurde in der aula annonaria
eine Diakonalkirche eingerichtet, welche immer noch
den heidnischen Tempel unberührt Hess. Sie hatte
nur ein einziges Schiff, stiess im rechten Winkel auf
die säulengetragene Fassade der Annona, von der sie
zwei Säulen einschloss, und hatte rechts und links
zwei Seitenhöfe, von denen der linke wiederum bis
an die nördliche Front der Annona lief. Ganz ebenso
war, wie P. Grisar bemerkt, die ursprüngliche Anlage
von SS. Cosmas und Damianus, einer anderen Diako-
nalkirche aus dem 6. Jahrhundert.

Dank der verständnisvoll sachkundigen Restau-
ration des Architekten Giovenale kann man heute an
der Nordwand der Basilika noch deutlich unterscheiden,
wo die Diakonalkirche aufhört und wo der grosse
Neubau Hadrian's I. (772—795) beginnt. Damals
wurden die Wände der Diakonalkirche, welche ver-
längert das Mittelschiff der neuen Basilika bilden
sollte, durch Säulen ersetzt, der längst verfallene
heidnische Tempel wurde zerstört, die neue Kirche,
welche etwa die doppelte Länge hat wie die Diakonia,
wurde in drei halbrunden Apsiden geschlossen. In
der südlichen Apsis, die wie die anderen an der

Rückwand durch ein Doppelfenster gegliedert ist,
fand man noch unter dem späteren Altar auf einem
Säulenstumpf ruhend den Altar Hadrian's I. Besonders
merkwürdig sind an dieser Gründung die Frauen-
tribünen rechts und links oben im Presbyterium,
deren Fenster man mit den Malereien in den Laibungen
noch heute im linken Seitenschiff erkennen kann.
Merkwürdig ist auch die Cancellata, deren Spuren
man gleich rechts und links am zweiten kannelierten
Säulenpaar entdeckt. Vielleicht wurden die Büssenden
hinter d Cancelli" zurückgehalten, während die

Gemeinde bis zurSchola Cantorum und in den Seiten-
schiffen bis zur Iconostasis vordringen konnte. Dass
der eingefriedigte Raum im Mittelschiffe, dass die so-
genannte Pergola wirklich existiert haben, ist durch
zahlreiche Fragmente bewiesen. Ambonen, Schola
Cantorum und Iconostasis, wie sie jetzt wieder her-
gestellt werden, stammen allerdings aus viel späterer
Zeit, doch wurden die Trümmer der alten Cancellata
mit Opus Alexandrinum verziert zum Teil wieder für
die neue benutzt.

Im 11. Jahrhundert wurde der Boden der Basilika
um fast 2 m erhöht, die Säulenstellungen wurden ver-
ändert, die Tribünen wurden unterdrückt, die Kirche
erhielt den merkwürdigen, baldachinbedeckten Ein-
gang und den luftigen Campanile, einen der schönsten
Glockentürme Roms. Über den Zustand völligen
Verfalls aber auf dem Gebiete der Skulptur erhalten
wir durch die ungeschickte Dekoration des antiken
Thürsturzes ein seltsames Zeugnis. Ja, der Künstler,
welcher hier diese armseligen Evangelistensymbole
gemeisselt hat, war so stolz auf sein Werk, dass er
seinen Namen in den Marmor grub: Joannes deVenetia
me fecit. Endlich schreibt man dieser Bauperiode
auch einen Teil der von Professor Giovenale bloss-
gelegten Wandmalereien zu, vor allem den strengen
Christuskopf mit den Cherubinscharen auf dem
Triumphbogen und zwei Prophetenköpfe hoch oben im
Presbyterium der rechten Hochwand. Aus dem 12. Jahr-
hundert dagegen stammen die leiderschwer geschädigten
Freskenreihen des Langhauses, die erst vor wenigen
Jahren entdeckt wurden und deren eingehende Er-
läuterung sich ihr Entdecker in einer besonderen
Publikation vorbehalten hat.

Das 12. Jahrhundert wird der neuen Basilika
Roms den Charakter verleihen; nur der Osterleuchter
stammt wenigstens in seiner Basis erst aus dem
13. Jahrhundert, und das ziemlich schmucklose Ci-
borium des Hochaltars, ein Geschenk des Kardinals
Gaetani, eine Arbeit des Deodato di Cosma, geht auf
die Zeit Bonifaz' VIII. (1294—1303) zurück. Aber
alle die Weihgeschenke, die der fromme Alfanus, der
Camerlengo Calixts II. (1119—1124), der Jungfrau
Maria dargebracht, sieht man eins nach dem anderen
wieder seinen rechtmässigen Platz in der Kirche
 
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