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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Michaelson, H.: Hans Cranach
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0196

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375

Hans Cranach.

376

Pseudogrünewald sein, den der Verfasser von 1516 ab
uns auf Grund einer Zusammenstellung von Gemälden
konstruiert. Er kann ferner weder diese, noch die
ihm zugeschriebenen Holzschnitte geschaffen haben,
wenigstens zum grossen Teil nicht.

Eine Bestätigung meiner persönlichen Ansicht,
dass Cranach d. Ä. überhaupt nicht so früh geheiratet
hat, wie bisher angenommen ist — es wird 1502—1503
angesetzt —, scheint mir nachstehendes zu geben: Auf
Fol. 108 des Codex Guelferbytanus Augusteus, Fol. 58 b
in der Wolfenbüttler Bibliothek steht nämlich unter
einem Gedichte des Professors Dietrich Bloch (näheres
Schuchardt, Lucas Cranach Bd. III, S. 83) ein Epigramm
auf eine Geliebte Cranach's, offenbar ein Modell
schlimmster Sorte. Das erstgenannte Gedicht preist
dessen Porträt der Ghesa Bloch. Eine Jahreszahl ist
nirgends angegeben. Nun meldet Ebert (Überlieferungen
zur Geschichte u. s. w. Dresden 1826) und nach ihm
die anderen, dass Bloch (richtiger Block) um 1515 Pro-
fessor der Medizin in Wittenberg war. Laut dem
Album academiae Vitebergensis (Förstemann, Lipsiae
1841) trat er aber schon 7507 in den Lehrkörper ein.
Da nun das „um 1515" für Porträt und Gedicht völlig
unbezüglich ist, kann man ebensogut annehmen, dass
beide nach 1507 entstanden, als Gelehrter und Maler
erst näher bekannt waren. Jedenfalls ist es nach dem
Charakter Cranach's, der Stellung und Familie seiner
Frau, mit der er in glücklichster Ehe lebte, ausge-
schlossen, dass ein Epigramm, das offen die Geliebte
des Malers preist, nach seiner Verheiratung geschrieben
wurde. Diese wäre folglich erheblich später, als bisher
geglaubt, anzusetzen. — Dem Alter, des Hans gemäss
dürfte die These unhaltbar sein, dass er „fast zwei
Jahrzehnte" lang die Werkstatt seines Vaters leitete.
Wäre dies auch nach Lage der Verhältnisse wahr-
scheinlich? Als Beweise für den rastlosen Fleiss des
älteren Cranach will ich nur den bekannten Brief
Scheurl's von 150g anführen: „. .- . . Du bist, ich kann
nicht sagen keinen Tag, sondern fast keine Stunde
müssig; immer ist der Pinsel in deiner Hand", das
Schreiben seines Schwiegersohnes an Johann Friedrich
von 1550: „Ich . .. habe selbst von ihm (Lucas) ge-
sehen, dass er in itziger Zeit nicht weniger als zuvor
keine stunde ledig oder müssig sitzen kann", ferner
die Thatsache, dass der Achtzigjährige sofort nach
seiher Niederlassung in Weimar zwei Gesellen an-
stellt. — Und dieser Mann sollte in der Mitte seiner
vierziger Lebensjahre die Leitung seiner Werkstatt aus
den Händen gegeben haben?

Dass „Meister Lucas seit Anbruch der Reforma-
tion infolge mancherlei Verpflichtungen zum eigenen
Schaffen nicht mehr so viel Zeit fand wie früher",
dürfte nur in beschränktem Masse aufrecht zu erhalten
sein. Das Apothekenprivileg von 1520 sagt ausdrück-
lich, dass . . , . „Meister Lucas mit andern hendeln

umbgeht unnd die apotecken mit knechten bestellt";
für die Buchdruckerei war Christian Aurifaber sein
Teilnehmer; der Ehrenposten als Ratskämmerer nahm
doch nur gewisse Stunden des Tages in Anspruch;
kurz der überwiegende Teil seiner Zeit blieb wohl
seiner künstlerischen Thätigkeit. Cranach ist also der
eigene Leiter seines Ateliers geblieben.

Der Verfasser sagt an anderer Stelle: „Hans nicht
Johann Lucas." Giebt es denn ausser Hans noch
einen andern Johann Lucas ? Seine Belege dafür sind
mit Interesse zu erwarten.

Das Stigel'sche Trauercarmen ist überschrieben:
»In immaturum obitum Joannis Lucae F. Cranachii"

— »Auf den frühen Tod Johann Lucas, Sohn Cranachs«
(s. Schuchardt I, S. 98). Der Dichter vertröstet darin
den Vater im Hinblick auf „den anderen Lucas",
(Lucas d. J.), nicht etwa in Beziehung zum Namen
des Vaters, sondern auf den Bruder des Verstorbenen
weisend. Von einem dritten Sohne spricht er nicht.

— Ein solcher ist auch nicht erwähnt in dem vier
Jahre später verfassten Trauergedichte des Richius
(Schuchardt Bd. I, S. 129) auf die verstorbene Gattin
Cranach's, wo wieder nur des verblichenen Johannes
und des jüngeren Lucas gedacht wird. — In der
Urkunde desGunderam von 1556 ist der seit 19 Jahren
verstorbene Johann genannt, dann Lucas II — von
einem anderen Sohne keine Spur!

Kommen wir zu den Torgauer Schlossbaurech-
nungen, in denen unter 7538 ein Hanss Cranach ge-
nannt ist. Es ist einfach unverständlich, wie z. B.
Schuchardt deshalb einen dritten Sohn Cranach's an-
nimmt. Die Stelle lautet: 31 y2 gülden Hansen kranach,
Meister Lucas söhn, hat 21 wochen gearbeit, die wochen
1 '/s f •" Die vorangehende Notiz, ebenso die folgende
bestätigen, dass noch andere Maler und Gesellen
25 Wochen dort gearbeitet haben, nämlich „von
Ostern des 36. Jahres biss uf Burckardi" (im Oktober).
Diese Notiz bezieht sich also auf das Jahr 1536, wo
Hans ja noch in Wittenberg war. — Johann Lucas,
und so nennt ihn auch Heller, dessen Rufname zum
Unterschied von seinem Bruder Johann, resp. Hans
war, ist der in Bologna verstorbene Held der Theorien
des Verfassers. —

Auf die wirkliche künstlerische Person des Hans
Cranach einzugehen, widerspricht durchaus den Ab-
sichten dieser Zeilen, die nur auf Widerlegung der
Thesen des anfangs genannten Aufsatzes zielen. Auf
einige eigenartige Folgerungen und Behauptungen
desselben sei aber noch kurz hingewiesen.

Gerade von den Erstlingswerken des Hans von
1516—1521 heisst es, „dass all diese Bilder nichts
mit Cranach zu thun haben". Mit wem denn aber
sonst? Hans wurde doch nur von seinem Vater aus-
gebildet. — An anderer Stelle ist gesagt, Hans sei
„genial" — und doch werden ihm die Bilder des
 
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