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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0212

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Sammlungen und Ausstellungen.

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sein mag, aber in diesem Falle tief zu beklagen ist. — Das
Bild war jedenfalls zu wertvoll, um es als Versuchsobjekt
der Kommission, die aus lauter jungen modern denkenden,
sonst sehr tüchtigen Künstlern besteht, zu überlassen. —
Bezüglich der Übertragung der Markusbibliothek aus dem
Dogenpalast in andere Lokalitäten sind die Verhandlungen
im Flusse. — Der thätige Leiter der Restaurationsarbeiten
ist nun in dem jungen tüchtigen Architekten Rupolo ge-
funden, welchen die Regierung dem im Amte belassenen
Berchet beigegeben hat. Der Bauführer Vendrasco, dem
man alles verdankt, was am Dogenpalast in den letzten
20 Jahren mit Glück restauriert wurde, ein alter Praktikus,
ist von seinem Herzenskind, dem Dogenpalast, entfernt
und mit anderen Arbeiten betraut worden. Unglaublich
aber wahr! Diese Verfügung hat allgemeine Entrüstung
hervorgerufen. a. wolf.

Reichenberg. — Im Nordböhmischen Gewerbemuseum
war vom 29. März bis 9. April i8gq eine sehr interessante
Sonderausstellung zu sehen, welche dem Science and Art
Departement in London zu danken ist. Dass die englische
Regierung für das gewerbliche Schulwesen ausserordentlich
bedeutende Beiträge zur Verfügung stellt, ist allgemein bekannt,
aber bisher hatte man nur selten in England und auf dem
Kontinent überhaupt noch nicht Gelegenheit, die Resultate
dieser Bestrebungen eingehend studieren zu können. Erst
die eben erwähnte Sonderausstellung der preisgekrönten
englischen Fachschülerarbeiten gewährte einen willkommenen
Einblick in die Verhältnisse, der in manchen Beziehungen
auch für uns lehrreich sein kann. Ausser einigen Werken
in Gips, Majolika, Eisen, ausser einigen Stickereien und
Spitzen waren einige hundert, meist farbige, gleichmässig
eingerahmte Blätter zu einer Kollektion vereinigt, die selbst
bei einem flüchtigen Besuch einen ganz anderen Eindruck
machte, als die vielfachen Ausstellungen unserer kunstgewerb-
lichen Lehranstalten. Nicht als ob Zeichnungen nach dem
Gipsmodell, Aktaufnahmen ganzer Gestalten oder einzelner
Glieder, einfach komponierte Stillleben, sorgfältige Gewand-
studien, Wiedergeben kunstgewerblicher Altsachen oder In-
terieurskizzen gefehlt hätten! Aber all diese Gruppen, die
bei unseren diesbezüglichen Ausstellungen den Höhepunkt
des Interesses in Anspruch nehmen, waren hier nur nebenbei
vertreten. Darin lag ebensowenig die Bedeutung der Kol-
lektion, wie in den verschiedenen architektonischen Blättern,
die man geradezu als die schwächste Seite der englischen
Fachschülerleistungen bezeichnen muss. Das, was nicht nur
unseren Schulmännern, sondern auch den Zeichnern der
grössten industriellen Etablissements am meisten imponierte,
bildeten die Kompositionsstudien, bei denen im Gegensatze
zu deutschen oder österreichischen Verhältnissen, eine be-
deutend grössere Reife, ein höherer Gesichtspunkt zu kon-
statieren war. Bei uns wird das „Komponieren" vielfach
noch zu wörtlich genommen; es ist thatsächlich fast durch-
wegs noch ein „Zusammenstellen" brauchbarer Motive, die
man da oder dort in irgend einem Werke abgeguckt und
nun mit mehr oder weniger Geschicklichkeit praktisch zu
verwerten bestrebt ist. Eine primäre Dekoration, das selb-
ständige Prägen neuer Kunstformen nach den der Natur
entnommenen Anregungen steckt bei uns noch vielfach in den
Kinderschuhen. Unter den sonst ziemlich hochentwickelten
nordböhmischen Fachschulen für Weberei kann da beispiels-
weise fast nur die Warnsdorfer Webeschule genannt werden,
die schon seit einer Reihe von Jahren Pflanzenstilisierungen
mit einigem Erfolge ausführt. Im grossen Massstabe finden
wir diese wesentliche Praxis unter den englischen Fachschulen-
arbeiten vertreten, und die Blätter, die z. B. von Avery,

Ball, Franc Crane, Foelix, Oreysmith, Sänger u. s. w. aus-
gestellt waren, stellen sich dem Besten an die Seite, was in
dieser Beziehung in den letzten Jahren geleistet worden ist.
Verschiedene Pflanzen, meist solche, die dekorativ noch gar
nicht oder nur wenig abgenutzt sind, erscheinen uns —
ähnlich wie in Grasset's „La plante" — zunächst in der
Naturaufnahme, und daneben stilisiert und zwar bereits mit
Rücksicht auf die verschiedenen Materialien und Techniken,
nicht nur als Flachornament für den Stoffdruck, sondern
auch als Tapetenbordüre, als Buchumschlag, als keramischer
Schmuck, als Spitze u. dgl. — In diesen Rahmen war das
Wertvollste der ganzen Ausstellung, zugleich ein Fingerzeig
für unsere kunstgewerblichen Lehranstalten, nach welcher
Richtung sie mit den vorgeschrittensten Schülern zu streben
haben. Dass an brauchbaren Flächenmusterungen kein
Mangel war, versteht sich bei Arbeiten aus England, dessen
Tapeten, Zeugdrucke oder Vorsatzpapiere gewöhnlich unter
die besten Leistungen der Moderne gezählt werden können,
beinahe von selbst. Den Zoll der Anerkennung entrichten
wir in der Veröffentlichung folgender Namen: Barber, Brown,
Crimstone, Dow, Else, Evans, Gibson, Gray, Jackson, Parker,
Rankin, Tattersall, Thomson und Waldram. — Volles Lob
verdienen noch speciell der diskrete Brombeeren-Entwurf
von F. Ch. Kiefer, der schablonierte Pfau von H. E. Simpson,
der Hühnerhof von H. W. Koch und der Plakatentwurf von
F. Taylor. Auf den ersten Blick erschien uns diese Aus-
stellung vielfach entmutigend, da eine Konkurrenz unserer
Fachschulen mit denen Englands jedem geradezu unerreich-
bar dünkte. Nicht einmal mit den vielen beteiligten Damen,
deren Namen wir auf den preisgekrönten Blättern begeg-
neten, ist es möglich zu rivalisieren, geschweige denn sie
zu übertreffen. — Dem gegenüber muss jedoch betont werden,
dass es sich bei der besagten Ausstellung nicht um englische
Durchschnittsarbeiten, sondern ausnahmslos um die preis-
gekrönten, also besten Leistungen von ganz England handelte.
— Jede Zeichnung enthält aber nicht nur die Bemerkung,
mit welchem Preise die Jury sie oder aber die Gesamt-
leistungen des betreffenden Zöglings („for set") bedachte,
sondern noch eine andere wichtige Angabe, die zum Ver-
gleiche herangezogen werden muss, nämlich die Registrierung
des Alters eines jeden Schülers und auch der Schülerinnen.
Und aus diesen Vermerken entnehmen wir, dass es sich fast
durchwegs um Leute handelt, die um fünf bis sechs Jahre
älter sind, als die Frequentanten unserer Fachschulen, somit
leicht Besseres zu leisten im stände sind. Man darf deshalb
unsere Fachschulen, in welche die Jungen im frühesten Alter,
oft beinahe ohne alleZeichenkenntnisse eintreten und in denen
sie mitunter nur zwei Jahre verweilen, nicht den englischen
Fachschulen gegenüberstellen, dieetwa unseren höheren Kunst-
gewerbeschulen entsprechen. Aber auch diese können von
ihren englischen Kollegen manches lernen, und zweifellos
hat die genannte Ausstellung in dieser Beziehung viele wert-
vollen Anregungen gegeben. Vor Reichenberg war dieselbe
Kollektion auch in Budapest, Wien, Bozen und Prag aus-
gestellt und hat die Aufmerksamkeit der berufenen Faktoren
erweckt. Das „Nordböhmische Gewerbemuseum" ging noch
einen Schritt weiter und berief für denselben Zeitpunkt den
dritten nordböhmischen Fachschulentag ein, um noch weitere
Kreise mit wichtigen Neuerungen bekannt zu machen. Dies-
mal kamen nach Reichenberg die Direktoren, beziehungs-
weise Zeichenlehrer folgender k. k. Fachschulen: Gablonz,
Grulich, Haida, Hohenelbe, Höritz, Königgrätz, Königinhof,
Nixdorf, Reichenberg, Rochlitz, Rumberg, Schluckenau,
Starkenbach, Starkstadt, Teplitz und Warnsdorf. Was eine
solche Ausstellung für die Führer der kunstgewerblichen
 
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