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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Rosenberg, Adolf: Die Ausstellung der Berliner Secession
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Die Ausstellung der Berliner Secession.

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gerecht beurteilen, und eine noch stärkere Enttäuschung
haben uns diesmal die Worpsweder Fritz Mackensen,
Hans am Ende und F. Overbeck bereitet. Besonders
ein Künstler wie Mackensen sollte es vermeiden,
seinen wohlbegründeten Ruf durch eine mittelmässige
Aktstudie wie die hier ausgestellte zu kompromittieren.

Man würde den Berliner Secessionisten einen
schlechten Dienst erweisen, wenn man verschweigen
wollte, dass sie und ihre auswärtigen Genossen einen
grösseren Erfolg hätten erringen können, wenn sie
ein höheres Mass von Kritik bei der Auswahl der
gebotenen Bilder angewendet hätten. Wir haben im
Laufe des verflossenen Winters in den Ausstellungen
des Künstlervereins und der Kunsthändler erheblich
bessere Bilder gesehen, als sie uns hier von L. v.
Hofmann, W.Leistikow, Oskar Frenzel und F. Skarbina
gezeigt werden. Seitdem ersterer das hier ausge-
stellte Bild „Adam und Eva« gemalt hat, hat er eine
Entwicklung durchgemacht, die ihn zu höheren
Zielen und zu einer reicheren und gesünderen kolo-
ristischen Auffassung geführt hat. Diese Mängel sind
nur dadurch zu erklären, dass einerseits bessere
und mehr charakteristische Werke zur Zeit nicht er-
reichbar waren, und dass andererseits von Bildern
grösseren Umfangs möglichst abgesehen werden
musste. Immerhin ist es noch gelungen, etwa 200
Ölgemälde, 60 Pastelle, Aquarelle und Zeichnungen,
30 graphische Arbeiten und 60 Werke der Plastik
unterzubringen, ohne dass die Übersicht und der
ruhige Genusserschwert werden. Für Leistikow's neueste
streng stilisierende Art ist die Ansicht von Visby
freilich charakteristisch, und Skarbina's Strandbild aus
der Normandie ist wenigstens auch für eine Seite
seines Schaffens bezeichnend. Vielseitiger zeigt sich
Max Liebermann mit zwei älteren Bildern, von denen
wir das eine „Waisenmädchen in Amsterdam«, im
Garten vor dem Hause, wegen seiner ernsten, kolo-
ristischen Haltung und seiner plastischen Wirkung den
meisten seiner neuesten Werke vorziehen, und einem
anscheinend in neuester Zeit gemalten: einer Schar
von Kindern, die durch ein Wäldchen dem Schulhause
zustreben. Sein Lieblingsmotiv, das Spiel der durch
die Wipfel der Bäume brechenden Sonnenstrahlen auf
dem Waldboden, auf den Figuren und Häusern hat
ihn hier zu einer neuen koloristischen Abwandlung
gereizt. Die stärkste Wirkung unter seinen Genossen
hat aber wohl Ludwig Dettmann mit zwei ungemein
farbigen Bildern erzielt, von denen das eine eine
Abendmahlsfeier in einer holsteinischen oder friesischen
Kirche mit einer grossen Zahl von ungemein energisch
charakterisierten Männer- und Frauengestalten dar-
stellt, während das andere, eine kraft- und saftvolle
Licht- und Farbenstudie, uns einen Blick in die Krypta
einer Tiroler Dorfkirche mit einem reichgeschmückten
und beleuchteten Altar gewährt. Auch Martin Branden-

burg hat die verschiedenen Seiten seiner noch wenig
geklärten, aber eigenartigen und selbständigen Kunst in
einem mystischen Bilde„Das Phantom", dem Sturze eines
Jünglings, der einem verlockenden Mädchenbilde nach-
geeilt ist, in die Meeresflut, einem weiblichen Akt und
einem Kirchgang im Spreewald gezeigt, einer übermüti-
gen Burleske, die uns die einen Hügel hinaufgehenden
Kirchgängerinnen aus der Froschperspektive sehen lässt.

Unter den Mitgliedern der Münchener Secession
und der Luitpoldgruppe, die reich und zum Teil
hervorragend vertreten sind, sind besonders Max
Slevogt mit seinem kühnen Totentanz im modernen
Fasching und dem wunderlichen Triptychon mit der
Geschichte des verlorenen Sohnes, die man kaum
anders als eine verwegene, bis auf die äusserste Spitze
getriebene Satyre auffassen und auch dann nur in be-
dingter Weise gelten lassen kann, Fritz von Uhde
mit dem in Berlin schon bekannten Gruppenbildnis
seiner Töchter in der Laube, Franz Stuck mit zwei
älteren, auch schon mehrfach ausgestellten Bildern,
dem ungemein farbigen ganz in der Weise Böcklin's
gemalten Bacchantenzug und dem mit einem Ziegen-
bock kämpfenden Faun, Leo Samberger mit einigen
Bildnissen, H. von Habermann mit einem meisterlichen,
ganz in der grossartig einfachen und ernsten Art des
Velazquez gemalten Bilde eines Spaniers, Louis Corinth
mit einem kecken, in der Farbe wenig anziehenden
Bacchanal und einer weiblichen, „Ein Dämon« betitelten
Halbfigur mit widerlich-frechem Gesichtsausdruck,
Franz Grassel, Hubert von Heyden, Carl Hartmann
mit ährenlesenden Mädchen bei Abenddämmerung,
Hierl-Deronco, Carl Marr, H. Zügel und Raffael
Schuster-Woldan mit einer seiner phantastisch-sym-
bolistischen Kompositionen hervorzuheben, in denen
er die Farbenpracht und die üppige Lebensfülle der
Venezianer überaus wirkungsvoll mit der elegisch-
melancholischen Stimmung eines Feuerbach zu ver-
schmelzen weiss.

Eine secessionistische Ausstellung wäre unvoll-
ständig, wenn sie nicht auch Werke von jenen Männern
aufzuweisen hätte, die immer als im Vordertreffen der
modernen Bewegung stehend genannt werden: Böcklin,
Thoma und Trübner. Thoma hat sich mit zwei feinen,
poesievollen Schwarzwaldlandschaften beteiligt, und
Trübner mit vier Bildern, von denen sein Selbst-
porträt in mittelalterlicher Plattenrüstung eine ganz
ungewöhnliche Kraft der malerischen Behandlung zeigt
und in der Färbung, Zeichnung und Modellierung
ausnahmsweise einmal einen ungetrübten Genuss
gewährt. Von Böcklin sind sechs Bilder zu sehen,
die die ganze Zeit seines künstlerischen Schaffens
umspannen, von jenen ersten römischen Jahren, wo
der Schüler Schirmer's Campagnalandschaften im alt-
romantischen Stile malte, bis auf die Gegenwart. Aber
leider zeigt keines dieser Bilder den Meister auf der
 
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