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Peter Flötner und die deutsche Plakette.
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das Tucher-Haus in der Hirscheigasse, das holzge-
schnitzte Portal im Standesamt des Rathauses zu
Nürnberg, und der bekannte Marktbrunnen zu Mainz.
4. Bildhauerei und Bildschnitzerei, sein Hauptgebiet:
Der in Silber getriebene Altar des Königs Sigismund I.
von Polen in Krakau, ein Medaillon aus Speckstein
in Frankfurter Privatbesitz, das Figürchen des Adam
im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien, ein laute-
spielender Putto in Berlin, ein Puttentanz in Nürnberg
und der herrliche Kokosnuss-Pokal im Besitze der
Familie von Holzschuher u. a. m. 5. Medaillen, unter
ihnen die der Pfalzgrafen von besonderer Schönheit,
im ganzen etwa 30 sichere und über 20 zweifelhafte,
deren Zahl sich bei dem weiteren, so dringend wünschens-
werten Fortschreiten der deutschen Medaillen-Forschung
gewiss noch vermehren wird. 6. Plaketten, von denen
Domanig 42 zusammengestellt hatte, während Lange
die Zahl jetzt auf 117 erhöht, wobei er nicht weniger
als 42 Kunstsammlungen in 29 Orten von London
bis Florenz und von Paris bis Wien untersucht hat.
In der Besprechung dieser zuletzt genannten
Plaketten greift Lange über die Grenzen, die einer
Künstler-Monographie gezogen sind, hinaus, weil es
sich hier nach allen Richtungen um bisher unbe-
kanntes Land handelt. Gerade hierbei aber nimmt
sein Buch den Charakter an, den ich im Eingang als
bahnbrechend bezeichnen zu müssen glaubte.
Während die italienische Plakette, über welche
wir seit einigen Jahren durch Molinier, Bode, Fa-
briczy u. a. Klarheit gewonnen haben, vornehmlich
aus Bronze hergestellt wurde, ja vielfach nur zur
Erinnerung an ein die Werkstatt ihres Verfertigers
verlassendes Kunstwerk dienen sollte, hatte die deutsche
Plakette von vornherein einen fast ausschliesslich in-
dustriellen Charakter. Gewisse Künstler, die um des
Erwerbs willen arbeiteten und zu denen als einer der
ersten, wenn nicht gar als der erste, Peter Flötner ge-
hörte, stellten Modelle in dem leicht zu bearbeitenden
und doch haltbaren »Speckstein" her, von welchen,
wahrscheinlich durch Vermittlung einer Zinn-Form,
eine grössere Zahl von Abgüssen in Blei hergestellt
werden konnte, welche dann an die Goldschmiede
und andere Kunsthandwerker als Vorbilder verkauft
wurden. Wie die Metallgravierung Vorläuferin des
Kupferstichs, so ist die italienische Bronze-Plakette
(im üblichen Sinne) Vorläuferin der deutschen Blei-
Plakette; und was beim Kupferstich die Platte ist, das
ist bei der Plakette das Steinmodell; die Erzeugnisse J
aber der beiden Vervielfältigungsverfahren gingen in
alle Welt hinaus und verbreiteten die Erfindungen
ihres Urhebers bis in die entferntesten Kunstwerk-
stätten. Die deutsche Blei-Plakette hat also für die
Geschichte der Kunst im 16. Jahrhundert dieselbe Be-
deutung, wie der Kupferstich (und ähnlich der Holz-
schnitt). Es ist kein Zweifel, dass die Kunsthand-
werker der Renaissance überraschend oft nach solchen
Blei-Plaketten gearbeitet haben; es waren die »Bleie
und Patronen" oder „Moduln", welche uns so oft in
damaligen Urkunden als Inventar einer Künstlerwerk-
statt genannt und über deren Wesen wir nunmehr
erst unterrichtet werden. Nach diesen Patronen stellten
sich die Kunsthandwerker im gegebenen Falle eine
Sandform her, die sie dann in Messing, Bronze, Silber,
Zinn u. s. w. ausgössen; der so gewonnene Guss
aber, der, beiläufig bemerkt, selbstverständlich stumpfer
und weniger fein als die Blei-Plakette ausfiel, wurde
auf den zu schmückenden Gegenstand aufgelötet oder
aufgeschraubt.
Durch die Klarlegung dieses Sachverhaltes offen-
bart sich uns ein ganz anderes und deutlicheres Bild
von der Verbreitung künstlerischer und kunstgewerb-
licher Formen zur Renaissancezeit, als es uns bisher
geläufig war.1) Um auf Flötner zurückzukommen, so
haben seine Plaketten nach Lange's bisherigen Nach-
weisungen Verwendung gefunden bei nicht weniger
als mehreren Dutzend Goldschmiede - Arbeiten, bei
9 Gebrauchsgegenständen, wo vergoldete Bronze-
oder Messing-Plaketten als Schmuck eingelassen worden
sind, bei 8 wertvollen Zinnstücken, bei 13 keramischen
Erzeugnissen, 11 Holzschnitzereien und 9 Stein-
skulpturen — die sich sämtlich an den verschiedensten
Orten in und ausser Deutschland finden. Wenn man
erwägt, dass diese Liste zum erstenmal zusammen-
gestellt ist, also naturgemäss späterhin noch vergrössert
werden wird, so erkennt man, wie ausserordentlich
beliebt die Flötner'schen Plaketten ihrer Zeit in den
Kreisen der Kunsthandwerker gewesen sein müssen.
Ihr grösster Einfluss fällt in die zweite Hälfte des
16. Jahrhunderts, währt aber teilweise noch das 17. Jahr-
hundert hindurch. Es kann dies uns nicht verwundern,
wenn man sie näher in das Auge fasst. Flötner er-
weist sich in seinen Plaketten ohne Zweifel als der
bedeutendste Landschaftsbildhauer der deutschen Kunst
des 16. Jahrhunderts, er hat geradezu die feineren
Reize der Landschaft für die Plastik entdeckt und
vielleicht in der plastischen Verwendung der Land-
schaft seine grosse Begabung und Leistungsfähigkeit
am höchsten offenbart. Dabei besass Flötner eine
nicht unerhebliche Gewandtheit in der Zusammen-
stellung grösserer Gruppen, während allerdings seine
Figuren im einzelnen nicht durchaus zu befriedigen ver-
mögen. Auch leistete er Treffliches in der Gewand-
behandlung, in der Nachahmung der Tiere und in
allegorischen Erfindungen. Rechnet man hierzu seine
von jeher anerkannte Formensicherheit in rein geo-
1) Es ist sehr beachtenswert, dass wir hierbei zugleich
einen der Wege kennen lernen, auf welchem sich damals
ein kunstgewerblicher Unternehmer-Betrieb zu einer an
moderne Zustände erinnernden Ausdehnung entwickeln
konnte.
Peter Flötner und die deutsche Plakette.
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das Tucher-Haus in der Hirscheigasse, das holzge-
schnitzte Portal im Standesamt des Rathauses zu
Nürnberg, und der bekannte Marktbrunnen zu Mainz.
4. Bildhauerei und Bildschnitzerei, sein Hauptgebiet:
Der in Silber getriebene Altar des Königs Sigismund I.
von Polen in Krakau, ein Medaillon aus Speckstein
in Frankfurter Privatbesitz, das Figürchen des Adam
im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien, ein laute-
spielender Putto in Berlin, ein Puttentanz in Nürnberg
und der herrliche Kokosnuss-Pokal im Besitze der
Familie von Holzschuher u. a. m. 5. Medaillen, unter
ihnen die der Pfalzgrafen von besonderer Schönheit,
im ganzen etwa 30 sichere und über 20 zweifelhafte,
deren Zahl sich bei dem weiteren, so dringend wünschens-
werten Fortschreiten der deutschen Medaillen-Forschung
gewiss noch vermehren wird. 6. Plaketten, von denen
Domanig 42 zusammengestellt hatte, während Lange
die Zahl jetzt auf 117 erhöht, wobei er nicht weniger
als 42 Kunstsammlungen in 29 Orten von London
bis Florenz und von Paris bis Wien untersucht hat.
In der Besprechung dieser zuletzt genannten
Plaketten greift Lange über die Grenzen, die einer
Künstler-Monographie gezogen sind, hinaus, weil es
sich hier nach allen Richtungen um bisher unbe-
kanntes Land handelt. Gerade hierbei aber nimmt
sein Buch den Charakter an, den ich im Eingang als
bahnbrechend bezeichnen zu müssen glaubte.
Während die italienische Plakette, über welche
wir seit einigen Jahren durch Molinier, Bode, Fa-
briczy u. a. Klarheit gewonnen haben, vornehmlich
aus Bronze hergestellt wurde, ja vielfach nur zur
Erinnerung an ein die Werkstatt ihres Verfertigers
verlassendes Kunstwerk dienen sollte, hatte die deutsche
Plakette von vornherein einen fast ausschliesslich in-
dustriellen Charakter. Gewisse Künstler, die um des
Erwerbs willen arbeiteten und zu denen als einer der
ersten, wenn nicht gar als der erste, Peter Flötner ge-
hörte, stellten Modelle in dem leicht zu bearbeitenden
und doch haltbaren »Speckstein" her, von welchen,
wahrscheinlich durch Vermittlung einer Zinn-Form,
eine grössere Zahl von Abgüssen in Blei hergestellt
werden konnte, welche dann an die Goldschmiede
und andere Kunsthandwerker als Vorbilder verkauft
wurden. Wie die Metallgravierung Vorläuferin des
Kupferstichs, so ist die italienische Bronze-Plakette
(im üblichen Sinne) Vorläuferin der deutschen Blei-
Plakette; und was beim Kupferstich die Platte ist, das
ist bei der Plakette das Steinmodell; die Erzeugnisse J
aber der beiden Vervielfältigungsverfahren gingen in
alle Welt hinaus und verbreiteten die Erfindungen
ihres Urhebers bis in die entferntesten Kunstwerk-
stätten. Die deutsche Blei-Plakette hat also für die
Geschichte der Kunst im 16. Jahrhundert dieselbe Be-
deutung, wie der Kupferstich (und ähnlich der Holz-
schnitt). Es ist kein Zweifel, dass die Kunsthand-
werker der Renaissance überraschend oft nach solchen
Blei-Plaketten gearbeitet haben; es waren die »Bleie
und Patronen" oder „Moduln", welche uns so oft in
damaligen Urkunden als Inventar einer Künstlerwerk-
statt genannt und über deren Wesen wir nunmehr
erst unterrichtet werden. Nach diesen Patronen stellten
sich die Kunsthandwerker im gegebenen Falle eine
Sandform her, die sie dann in Messing, Bronze, Silber,
Zinn u. s. w. ausgössen; der so gewonnene Guss
aber, der, beiläufig bemerkt, selbstverständlich stumpfer
und weniger fein als die Blei-Plakette ausfiel, wurde
auf den zu schmückenden Gegenstand aufgelötet oder
aufgeschraubt.
Durch die Klarlegung dieses Sachverhaltes offen-
bart sich uns ein ganz anderes und deutlicheres Bild
von der Verbreitung künstlerischer und kunstgewerb-
licher Formen zur Renaissancezeit, als es uns bisher
geläufig war.1) Um auf Flötner zurückzukommen, so
haben seine Plaketten nach Lange's bisherigen Nach-
weisungen Verwendung gefunden bei nicht weniger
als mehreren Dutzend Goldschmiede - Arbeiten, bei
9 Gebrauchsgegenständen, wo vergoldete Bronze-
oder Messing-Plaketten als Schmuck eingelassen worden
sind, bei 8 wertvollen Zinnstücken, bei 13 keramischen
Erzeugnissen, 11 Holzschnitzereien und 9 Stein-
skulpturen — die sich sämtlich an den verschiedensten
Orten in und ausser Deutschland finden. Wenn man
erwägt, dass diese Liste zum erstenmal zusammen-
gestellt ist, also naturgemäss späterhin noch vergrössert
werden wird, so erkennt man, wie ausserordentlich
beliebt die Flötner'schen Plaketten ihrer Zeit in den
Kreisen der Kunsthandwerker gewesen sein müssen.
Ihr grösster Einfluss fällt in die zweite Hälfte des
16. Jahrhunderts, währt aber teilweise noch das 17. Jahr-
hundert hindurch. Es kann dies uns nicht verwundern,
wenn man sie näher in das Auge fasst. Flötner er-
weist sich in seinen Plaketten ohne Zweifel als der
bedeutendste Landschaftsbildhauer der deutschen Kunst
des 16. Jahrhunderts, er hat geradezu die feineren
Reize der Landschaft für die Plastik entdeckt und
vielleicht in der plastischen Verwendung der Land-
schaft seine grosse Begabung und Leistungsfähigkeit
am höchsten offenbart. Dabei besass Flötner eine
nicht unerhebliche Gewandtheit in der Zusammen-
stellung grösserer Gruppen, während allerdings seine
Figuren im einzelnen nicht durchaus zu befriedigen ver-
mögen. Auch leistete er Treffliches in der Gewand-
behandlung, in der Nachahmung der Tiere und in
allegorischen Erfindungen. Rechnet man hierzu seine
von jeher anerkannte Formensicherheit in rein geo-
1) Es ist sehr beachtenswert, dass wir hierbei zugleich
einen der Wege kennen lernen, auf welchem sich damals
ein kunstgewerblicher Unternehmer-Betrieb zu einer an
moderne Zustände erinnernden Ausdehnung entwickeln
konnte.