Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

DOI article:
Rosenberg, Adolf: Die große Berliner Kunstausstellung, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0250

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
483

Die grosse Berliner Kunstausstellung. II.

484

deckt. Es ist wohl allgemein anerkannt, dass von
seinen Wandgemälden in der Düsseldorfer Kunsthalle
nicht die grossen Darstellungen, die Hauptepochen der
Kunstgeschichte, sondern die kleinen Lünetten, die die
Geschichte der Kunst im Wechsel der Zeiten anmutig
und geistreich schildern, den besten Teil seines Könnens
enthalten.

Auf ein, wie es scheint, im wesentlichen abge-
schlossenes Schaffen blicken wir auch in der Sonder-
ausstellung von Friedrich von Schennis, der nach
jahrelangem Aufenthalt in Düsseldorf jetzt in Berlin
lebt und seine landschaftlichen Dichtungen meist nur
noch durch die Radiernadel zur Anschauung bringt.
Von den 25 Ölgemälden und Studien, die seine Aus-
stellung enthält, gehören wenigstens die datierten den
siebziger und achtziger Jahren an, und die übrigen
unterscheiden sich in Auffassung und malerischer Be-
handlung so wenig von jenen, dass sie schwerlich
neueren Datums sein können. Schennis schlägt in
seinen Landschaften, deren Motive teils aus den Parks
französischer Königsschlösser (Versailles und Fontaine-
bleau), teils aus der Umgebung Roms geschöpft sind,
nur eine Tonart an: die melancholisch-elegische, die
er aus der gegebenen Natur entwickelt und durch die
Stimmung, meist die des Spätsommers oder des
Herbstes zur Abendzeit, noch verstärkt. In den Park-
bildern zeigt er uns die versunkene Welt des Rokoko,
die grossen Bassins und Fontänen mit ihrer marmornen
Götterwelt, in den italienischen Bildern eine düstere,
verlassene und vernachlässigte Natur, deren einstige
Herrlichkeit er uns teils durch frei erfundene, teils
durch bekannte, in sie hineinkomponierte Baudenkmäler
(Triumphbögen und Tempel) ahnen lässt. Alles ist
auf diesen Bildern ins Grosse und Erhabene gesteigert,
aber nicht durch die Komposition und die ihr unter-
geordnete, mehr oder weniger willkürliche Behand-
lung des Naturdetails, sondern durch die Farbe, die
koloristische Stimmung, und dadurch unterscheidet
sich Schennis von den Vertretern der sogenannten
stilistischen oder historischen Landschaft, denen das
wesentlich moderne Element der Stimmung fremd ge-
blieben ist.

Einen umfassenden Rückblick auf ihr gesamtes
Schaffen, soweit es sich in den Rahmen eines Saales
spannen lässt, gewähren Josef Scheurenberg und Hans
Meyer. Von seinen monumentalen Wandmalereien
geschichtlichen Inhalts hat erster er freilich nur zwei
Entwürfe zu Wandgemälden im Berliner Rathause ge-
boten. Aber der Schwerpunkt seines Schaffens liegt
auch nicht in ihnen, sondern in seinen Bildnissen und
Genrebildern, und von diesen enthält die Ausstellung
eine stattliche Reihe, in der wir den Schüler Karl
und Wilhelm Sohn's in den verschiedenen Stadien seiner
Entwicklung von seiner letzten Düsseldorfer Zeit, vom
Ende der siebziger Jahre bis auf die Gegenwart ver-

folgen können. Er ist einer von den wenigen älteren
Künstlern, die ihre Vorurteilslosigkeit gegen alle Kunst-
richtungen am besten dadurch zu bethätigen glauben,
dass sie mit der Zeit mitgehen. In seinen neuesten
Bildnissen zeigt sich Scheurenberg sogar als Anhänger
jener modernen Richtung, der nichts so sehr verhasst
ist als Unfreiheit und Peinlichkeit der malerischen
Behandlung, und in einigen Studien von Bauernhöfen
sehen wir, wie er mit den Mitteln des Impressionismus
flüchtige, komplizierte Lichtwirkungen zu erhaschen
sucht. Aber trotz dieser modernen Freiheit bleiben
seine neuen Bildnisse an Wirkung weit hinter den
älteren zurück. Flau und kreidig im Ton, flach und
körperlos in der Modellierung ersetzen sie auch durch
stärkere Lebendigkeit des Ausdrucks, durch grössere
Tiefe der Charakteristik die äusserlichen Mängel nicht.
Der redliche Wille, mit der modernen Richtung mit-
zugehen, ist nicht von einem entsprechenden Können
getragen worden. Mit um so grösserer Freude wird
man daher vor Scheurenberg's prächtigen Bildnissen
aus den achtziger Jahren und seinen Genrebildern
und Einzelfiguren (erste Kommunion, treues Geleit,
Werbung und Maria mit den Engeln), besonders
der herrlichen Mädchengestalt „Virginitas" verweilen.

Hans Meyer ist bekanntlich nicht bloss Kupfer-
stecher, sondern auch frei schaffender Künstler, der
namentlich in einer Reihe von Totentanzbildern aus
dem modernen Leben eine ebenso reiche Erfindungs-
wie Gestaltungskraft offenbart hat. In einer Reihe
von landschaftlichen Aquarellen aus Italien und Deutsch-
land, von denen die ersten wohl bis in den Anfang
der siebziger Jahre zurückreichen, während die An-
sichten aus romantischen Winkeln süddeutscher Städte
erst neuerdings entstanden sind, bewährt er sich auch
als inbrünstigen Verehrer der Natur, der das Gesehene
in schlichter, anspruchsloser Form, aber mit tiefer
Empfindung, aufrichtig und treu wiedergiebt. Zu
dieser Gattung treuer Naturschilderer, die ihre höchste
Befriedigung darin finden, eine schöne Natur in ihrem
besten Augenblick, in grösster Farbenpracht und hellem
Sonnenglanz wiederzuspiegeln, gehört auch der Berliner
Carl Breitbach. Er schöpft seine Motive jetzt meist
aus Südtirol, aber nicht aus der Hochgebirgswelt des
Landes, sondern aus seinen Dörfern und von seinen
Landstrassen, wo er die Bewohner in ihrem stillen
Wirken fern vom Touristentreiben beobachtet. In diesen
einsamen Gegenden hat er auch die Modelle zu seinen
prächtigen Studienköpfen gefunden, die in ihrer
energischen Charakteristik an Knaus und Defregger
erinnern. Auch Ernst Hausmann zeigt in seiner
Sammelausstellung von Studien (meist aus Sicilien),
dass er zur Zeit, als er diese Landschaften, Strassen-
bilder, Innenräume und Figuren malte, noch der „alten»
Schule mit ihrem schönen warmen, gern ins Goldige
spielenden Ton und ihrer kräftigen Zeichnung und
 
Annotationen