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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Neuwirth, Josef: Giotto und die Kunst Italiens im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0258

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499 Giotto und die Kunst

Nachweis byzantinischer Einflüsse beachtenswert. Wie
scharf versteht Zimmermann die Auffassung und die
Darstellungsmittel der altchristlichen Mosaikkunst
Roms und Ravennas auseinanderzuhalten, ihre Be-
ziehungen zur Kunst des Katakombenzeitalters und
ihre Unterschiede von derselben klarzulegen! Das
symbolische und historische Element trat auf Raven-
nas Boden schon in der Grabkapelle der Galla
Placidia hinter dem dogmatischen zurück. Die nun
folgenden Ausführungen Zimmermann's behalten in
erster Linie die in den letzten Jahren so vielfach
erörterte byzantinische Frage im Auge und gehen von
der ganz zutreffenden Ansicht aus, dass nicht nur
verschiedene Epochen und verschiedene Landschaften
Italiens sich der byzantinischen Kunst gegenüber
ganz verschieden verhielten, sondern auch die Beein-
flussung im Stile und im Gegenständlichen sich
wesentlich unterscheide und in den einzelnen
Kunstzweigen auf verschiedenartige Weise sich äus-
serte. Für Zimmermann kommen besonders die
Schöpfungen der Monumentalmalerei, Mosaik und
Wandgemälde, in Betracht. Er stellt das Eindringen
des Byzantinischen in Tracht und Ceremoniell fest,
betont, dass bei Christus und der Madonna die ältere,
antike Idealtracht beibehalten wird, und verweist auf
das kümmerliche Fortleben des Altchristlichen bis
zum Eindringen neuer Anschauungen und zu ge-
steigerter Thätigkeit unter Papst Leo III. Zutreffend
ist die Heranziehung byzantinischer Künstler durch
Abt Desiderius von Montecassino gewürdigt; ihrer
Schule rechnet Zimmermann die erst vor kurzem in leb-
hafte Erörterung gezogenen Wandgemälde der Kirche S.
Angclo in Formis bei Capua zu, die trotz starken
Einflusses byzantinischer Kunst in den einzelnen
Bildern und in der Form hinsichtlich der Auswahl
und Bildanordnung abendländisch bleiben. Die Ein-
beziehung des Morgenlandes, einzelner hervorragender
Bauten und ihrer Ausschmückung kommt natürlich
hauptsächlich der Behandlung byzantinischer Kunst
zu gute, wobei aus der Betrachtung des typischen
Bilderschmuckes der Athoskirchen und des Geistes
des byzantinischen Kirchenschmuckes nochmals er-
wiesen wird, wie wenig die Anordnung der Aus-
malung von S. Angelo in Formis mit der byzanti-
nischen Kunst zu thun hat. • Dagegen schlössen die
Kirchen Venedigs und Siciliens sich in der architek-
tonischen Form und der Auswahl und Anordnung
ihrer Mosaikausschmückung dem Byzantinischen an,
das namentlich in Sicilien als heiliger galt denn das
Abendländische. Diesen Zwischengliedern folgen die
schönsten byzantinischen Mosaiken des Abendlandes
im Dome zu Cefalü, deren Form die byzantinische
Kunst auf ihrer vollen Höhe eines hart an das
Schema streifenden Stiles zeigt, während der künst-
lerische Wechsel und die lebensfrische Fülle einer in

Italiens im Mittelalter. 500

all ihren Teilen mit Mosaiken ausgestatteten byzan-
tinischen Kirche aus der guten Zeit den Gedanken-
reichtum des specifisch Kirchlichen in überwältigender
Wirkung zur Geltung zu bringen verstehen. Nicht
viele haben vor Zimmermann die byzantinische Frage
in ihrer Wechselbeziehung zur abendländischen, ins-
besondere zur italienischen Kunst gleich scharfsinnig
und sachkundig ins Auge gefasst. Doppelt interessant
wird die von voller Unparteilichkeit getragene Dar-
legung, dass die römische Kunst in der Hauptsache
von diesen Strömungen unberührt blieb, in den
Figurentypen das rein Lateinische festhielt, und nur
im Kostüm, Ceremoniell und in der dekorativen
Gesamtwirkung byzantinische Einflüsse gestattete, bis
im 13. Jahrhundert die byzantinische Kunst über die
römische den Sieg davontrug. Die Berufung byzan-
tinischer oder byzantinisch geschulter Künstler durch
Papst Honorius III. für das Apsismosaik von S. Paolo
fuöri le mura leitete byzantinische Anschauungen
direkt nach Rom, ohne dass die Einheitlichkeit der
Tradition betreffs des Inhalts dadurch unterbrochen
wurde. Im Ikonographischen wusste die römische
Kunst ihre Selbständigkeit zu behaupten.

Mit diesen ungemein fesselnden und ergebnis-
reichen Ausführungen geleitet Zimmermann uns in
die Zeit, in welcher die Oberkirche von S. Francesco
zu Assisi mit Wandgemälden ausgestattet wurde.
Nach Erläuterung des Bilderschmuckes im Chor
und im Querhause folgen sehr ansprechende Bemer-
kungen zur Ikonographie der heil. Maria, des Petrus
und der Engel, unter welchen uns der Drachenbezwinger
Michael in germanischer Auffassung begegnet. Nicht
minder sorgsam und beachtenswert sind die Unter-
suchungen über die Kruzifixe mit dem triumphieren-
den Christus und mit der abschreckenden Todesdar-
stellung, über den Wechsel in der Madonnenauffassung
und über die Bildnisse des Franz von Assisi. Von
der Madonna des Florentiners Coppo di Marcovaldo,
der bei aller Nachahmung der Byzantiner vortrefflichen
Geschmack und schöne Farbenharmonie zeigt, wird
der Übergang zu den Madonnen des Cimabue ge-
funden, welche durch das neue gedankliche Motiv
der Handlung der Thronträger dramatische Leben-
digkeit gewinnen. Auch für Cimabue steht die Ab-
hängigkeit von byzantinischen Vorbildern ausser
Zweifel; aber er wählt nur gute Muster, hat ein Auge
für menschliche Schönheit und Empfindung. Seine
bedeutendsten Schöpfungen bleiben die Wandgemälde
im Querhaus und Chore der Oberkirche zu Assisi
und die Madonna Rucellai in S. Maria Novella
zu Florenz, da Zimmermann den Anteil des Meisters
an der Ausführung des Apsismosaiks im Dome zu
Pisa mit Recht einschränkt. Cimabue erfüllte die ihm
vorbildliche byzantinische Malerei mit neuem Leben
und fasste angesichts der früheren Kunstwerke Roms
 
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