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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Ehrenberg, Hermann: Castel del Monte, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0010

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Castel del Monte.

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Academie des inscriptions et belles-lettres Herr Bertaux
einen vorläufigen Bericht über die bisherigen Arbeiten,
der inzwischen in den Comptes rendus (Quatrieme
serie, tome XXV, p. 432 ff.) veröffentlicht ist. In der
folgenden Darlegung sollen unsere Leser mit seinen
Ergebnissen bekannt gemacht werden1), und wenn
ich sie auch nicht ganz ohne Widerspruch lassen
kann, so sind sie dennoch geeignet, die Aufmerksam-
keit weiterer deutscher Kreise in erhöhtem Masse auf
die bisher so vernachlässigten Denkmäler alter staufi-
scher Kunstherrlichkeit zu lenken.

Castel del Monte liegt 540 m über dem Meere,
auf einer Kuppe des apulischen Hügellandes, in der
Luftlinie 25 km südwestlich von Trani. Es ist von
Kaiser Friedrich II. im Jahre 1240 begonnen, bald
vollendet und sodann als Jagdschloss, nach dem Zu-
sammenbruch der staufischen Herrschaft aber als Ge-
fängnis der Enkel des Kaisers benutzt. Ein wunder-
bares Geschick hat es gefügt, dass es sich so unversehrt
erhalten hat, wie kaum ein anderes altes Baudenkmal.
Vielleicht war es überhaupt die bedeutendste archi-
tektonische Schöpfung unter den zahlreichen Schlössern
Kaiser Friedrich's, für uns wirkt es jedenfalls mit der
Macht einer Offenbarung. Schon von weitem, wenn
man sich ihm auf dem landesüblichen sciarrabä nähert
(aus dem französischen char ä baue; es ist der zwei-
rädrige Neapolitaner corricolo), wird man von dem
gewaltigen Bau mächtig gefesselt; betritt man aber
den Burghügel selbst, so wird man des Staunens nicht
ledig. An diesem Schlosse ist nichts kleinlich; alles
legt Zeugnis ab, dass es ein Riesengeschlecht war,
das sich ein derartiges Werk als Stätte einsamer Er-
holung schuf, und dass dies Geschlecht zugleich von
feinster künstlerischer Bildung beseelt gewesen sein
muss. Auf zierlichen Schmuck ist fast durchweg ver-
zichtet, nur die Gesamtwirkung grosser Massen im
Äusseren und vornehme Raumwirkung im Inneren ist
erstrebt und erreicht; das Schloss steht einzig und
ohne jeden Vergleich da.

Es bildet ein gleichseitiges Achteck, welches einen
achteckigen Hof gleichmässig umschliesst-); an jeder
äusseren Ecke lagert ein achteckiger Turm vor, welcher
mit zwei Seiten in das Haupthaus hineingebaut ist
und mit seiner Höhe von 24 m dasselbe nur wenig
überragt. Durch ein hohes Portal, welches aus kanne-
lierten Halbpilastern, Dreiecksgiebel und vorspringen-
den Löwen sich zusammensetzt, betritt man das Innere.
Hier finden wir im Erdgeschoss und im Obergeschoss
je acht Räume, welche genau den äusseren Umwan-
dungen entsprechen und somit regelmässige Trapeze
darstellen; um sie zu überwölben, hat man in einen
jeden von ihnen vier schwere Säulen gestellt, welche
ein Geviert von 7X7 111 Grundfläche bilden, ein Kreuz-
gewölbe von dicken Rippen tragen und rechts und

1) Der Bericht ist in sehr eingehender Weise vonC.v.
Fabriczy im Repertorium für Kunstwissenschaft XXI S. 242 ff.
wiedergegeben. Fabriczy schliesst sich Bertaux unbedingt
an, was ich bei aller Anerkennung des französischen Ge-
lehrten nicht durchaus vermag.

2) Grundriss und Abbildungen bei Schultz und bei
Huillard-Breholles.

links je ein Dreieck übrig lassen, das seinerseits mit
einem spitzbogigen Tonnengewölbe versehen ist und
ausserdem durch Rippen gestützt wird, die vom Säulen-
kapitell aufsteigen, in der Wand aber tot auslaufen.
Die grösste Höhe der Innenräume beträgt unten fast
9 m, oben reichlich 10 m; der luftigere Charakter des
oberen Stockwerks wird auch darin betont, dass hier
an Stelle jeder Säule drei schlanke dünne Säulen
treten. Die Kapitelle der Säulen sind mit aufstreben-
den Knospen geschmückt; aber auch Akanthusblatt
findet sich im Schloss. Die Verbindung der einzelnen
Räume wird durch Thüren mit Spitzbogen oder ge-
radem Thürsturz bewirkt; das obere und untere Stock-
werk, sowie die Plattform des Daches sind durch
Wendeltreppen miteinander verbunden, welche sich
in mehreren Türmen befinden. In den Türmen haben
sich auch Abtritte erhalten, zum Teil mit sechsteiligem
Rippengewölbe, an dessen Konsolen gelegentlich ein
Männchen in einer der Bedeutung des Ortes entsprechen-
den Körperhaltung angebracht ist. Die Belichtung erfolgte
zu hohenstaufischer Zeit nur in sehr spärlicher Weise;
unter den Anjou's hat man breitere, rein gotische Fenster
hier und da eingesetzt. Das Baumaterial ist durchweg
ein grauer Kalkstein, wie er sich in der Gegend findet;
die Thürverkleidungen, Wandverkleidungen (Quer-
schichten mit Rautenmustern abwechselnd), Kamine
u. dgl. sind in bröcklichem rotem Marmor (brecciato)
ausgeführt. Die Steinmetzarbeiten haben, wie das
ganze Gebäude, einen ernsten schweren Charakter und
sind sehr sorgfältig durchgeführt.

Bertaux hat nun in seinem Bericht dargelegt, dass
die Form der Säulen, das Profil der Rippen, der
Grundriss der Basen und Säulenplatten, der Schmuck
I der Kapitelle, kurzum alle Einzelheiten der Konstruktion
: und Verzierung unzweifelhaft französischen Ursprungs
! seien (oder richtiger auf französische Vorbilder zurück-
gehen). Den genaueren Nachweis liefert er einst-
weilen nur für den Grundriss; das geniale Einwölbungs-
system eines Trapezes, wie es in Castel del Monte
uns begegne, finde sich so nur noch in einigen fran-
zösischen Kirchen wieder, und zwar in der Champagne;
die Hälfte des Grundrisses entspreche vollkommen
dem des Chorumganges von Saint-Remi zu Reims
und von Notre Dame zu Chalons sur Marne. Die
Vorbilder zu dem gewaltigen klassizistischen Schloss-
portal aber, welches übrigens eine merkwürdige Ana-
logie in dem Seitenportal der gleichzeitigen, bisher
unveröffentlicht gebliebenen Kathedrale Santa Maria
Maggiore zu Lanciano in den Abruzzen besitze, seien
in der burgundischen Architektur des 12. und 13. Jahr-
hunderts zu suchen, welche vielfach Motive der römi-
schen Denkmäler zu Autun und Langres verwertet
habe.

Die Erklärung eines so tiefgreifenden Einflusses
von Frankreich findet Bertaux in der kosmopolitischen
Anschauungsweise Kaiser Friedrich's II., der nicht etwa
deutsche in Frankreich ausgebildete Künstler, sondern
geborene Franzosen bei seinen künstlerischen Unter-
nehmungen verwandt habe. Um dies zu beweisen,
veröffentlicht er eine von ihm entdeckte, bisher un-
bekannt gebliebene Inschrift an dem Schlosse zu Trani
 
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