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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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"Niederrheinischer Brief", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0035

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53

Niederrheinischer Brief.

54

Wie ein fränkisches Thal mutet das Wupperthal
an. Schwarz ist die Wupper, denn die gewaltige
Industrie von Rittershausen, Barmen und Elberfeld
hat sich den ehemaligen Forellenbach unterworfen
und ihn tief gefärbt. Steil die Berglehnen, mit grünen
Tannen bestanden, und unten drin das Städtchen
Burg mit seinen echt bergischen Häuschen, aus
deren Dachfirst sich der Arm mit der riesigen Bretzel«
emporstreckt, das eigentliche Wahrzeichen der Stadt.
Oben drüber auf der Klippe die Ober-Burg, der
unser Besuch gilt.

Gleich beim Eintritt in die Schlosskapelle, welche
von Professor Spatz in Düsseldorf ausgemalt wird,
werden wir in Stimmung versetzt. Spatz hat schon den
grössten Teil des ihm übergebenen Raumes ausgemalt.
Und ich glaube, dass der eigenartige Reiz, den er
den Engelköpfen und -Gestalten giebt, seinen Ein-
druck wohl auf niemanden verfehlen wird, der sich
unbefangen und ohne Vorurteile ihnen nähert. Und
ich glaube, dass der Tag der Enthüllung viele be-
friedigte und gewonnene Gesichter sehen wird. Dann
gehen wir zum Rittersaal, aus dessen Fenstern der
Hl ick trunken über Berg und Thal schweift. Hier
hat noch eben vor Ankunft des Kaisers Professor
Klaus Meyer das grösste seiner sieben Bilder voll-
endet. Es zeigt lebensgrosse Figuren und schildert
den Aufbruch der Freiwilligen im Bergischen 1813
Früher ein Kleinmeister, tritt Klaus Meyer uns nun
als Wandmaler entgegen, und der Zug zum Intimen,
Feinen hat ihn auch hier nicht verlassen. Sympa-
thisch^ ist wohl das am nächsten liegende Eigenschafts-
wort. Sympathisch durch und durch sind Komposition,
Farbe und Form. Im Morgendämmer schreiten die
kernigen Gestalten unter Trommelwirbel daher, vor-
bei an einem bergischen Hause mit seinen grünen
Fensterläden, vor dem die Bewohner stehen, darunter
ein behaglicher Geistlicher mit weissem Halstuch und
langer Pfeife. Alle die Zuschauer geben ein Bild des
sinnigen und feinfühlenden Wesens jener dabei doch
so grossen Zeit.

Es überkommt uns das Gefühl aufrichtiger
Freude, dass in nicht zu fernen Tagen dieser schöne
Raum dem Volke geöffnet werden wird, dem Volk
der Messerschmiede, dem Volk der Tuch- und Seiden-
weber, der Feilenhauer, der Hämmer und Schleif-
kotten' in den abgeschiedenen bergischen Schluch-
ten. Dann werden sie aus ihren schieferbekleideten
schmucken Häuschen auf den windumtosten weitaus-
schauenden Höhen herabsteigen, und ihr Herz wird
den Alltagsruss abschütteln und sich öffnen der Ge-
schichte der Heimat.

Schloss Burg wird noch Jahrzehnte lang dafür
sorgen, dass immer wieder Neues das Volk anzieht.
Schon rüstet man sich, den riesenhaften »Berg-
fried, in der Mitte des Schlosses von neuem aufzu-
mauern auf den alten bis vier Meter dicken Grund-
mauern, und schon denkt man daran, die der Haupt-
front des Schlosses vorliegenden kleinschachteligen
Häuser niederzulegen, damit noch ungehinderter das
Auge schwelgen kann.

»Sie muss hoch die Burg, sie muss hoch«, mit
diesem Wahlspruch des hochverehrten Wermelskir-
chener Grossindustriellen, dessen Aufopferung und
Energie der Wiederaufbau so viel zu danken hat,
verlassen wir die mächtigen Mauern und klettern hin-
unter zum Städtchen.

Dann aber gehts hinauf Solingen und dann
Düsseldorf zu.

Im Süden der Stadt erhebt sich eine neue evan-
gelische Kirche. Vor der Bauhütte hantiert ein Ar-
beiter. Er führt uns eine Treppe rechts hinauf zu
der Empore und Schaffensstätte Professor Eduard von
Gebhardt's. Dort sitzt er unter dein Gerüst und
blättert in einer Mappe mit Entwürfen. Im Äussern
unterscheidet er sich von weitem nur wenig von
den daherumhantierenden Dekorationsmalern, Anstrei-
chern und Pliesterern in seinem kaseinfarben be-
schmutzten Leinewandkittel, aber dann fällt das inten-
sivere Glanzlicht in den Augen auf, die unter einer
hohen Stirn hervorsehen.

Christus oben im Bilde, in eine den unten
Harrenden unerreichbare Ferne gerückt, und darunter
die Menge der Jünger und Leidtragenden, die ver-
geblich ihre angstentstellten Gesichter und ihre Hände
zum Himmel strecken und Gnade erflehen für einen
krank dahingestreckten Menschenleib, vergeblich, weil
ihr Glaube nicht kräftig, nicht intensiv genug«.

Viel Bewegung, wahre Bewegung, viel indivi-
duelle Züge, wie es sich ja bei Gebhardt von selbst
versteht, daneben jedoch eine frischere Farbe, das
Braun nicht mehr vorherrschend und ein Zug ins
Grosse, Dekorative, durch die Umgebung bedingt.

Auch dies sind stark lebensgrosse Figuren. Es
ist eine Freude, die Schaffenslust, Kraft und Frische
zu beobachten, die vielleicht in diesem Augenblick so
recht auf der Höhe, das moderne Märchen von der
Alleinberechtigung der Jugend zu verspotten scheinen.

Sowie diese Wandmalereien von Spatz, Klaus Meyer
und E. von Gebhardt vollendet sein werden, wird
eingehend über die Motive und ihre Ausführung be-
richtet werden. Für jetzt möchte ich nur noch wenige
Worte der Anerkennung der jetzigen Düsseldorfer
Schule der Wandmalerei widmen.

Viel Wesens ist, trotz gegenteiliger Behauptungen,
bis jetzt von ihr nicht gemacht worden. Das ist
zwar etwas unmodern, doch hats ihr keineswegs ge-
schadet.

Das Aschenputtel fängt nun langsam an, die
Kinderschuhe auszutreten, fängt an die anfängliche
Oberflächlichkeit zu verlieren, fängt an individuelle
Züge zu zeigen. Diese Art kann sich nicht auf grossen
Ausstellungen breit machen, sie wirkt im Innern der
Rathäuser, Sitzungssäle und Kirchen, wenn nötig der
Cafes und Hotels, aber sie wirkt auf das Volk und
sie knüpft an die alten Überlieferungen.

Wenn nicht alles trügt, so wird die grosse Gruppe
von Industriestädten um Düsseldorf in wenigen Jahr-
zehnten eine Reihe von Wandmalereien aufweisen,
um die sie viel beneidet werden dürfte. In diesem
Sinne ist die in letzter Zeit so viel geschmähte Düssel-
 
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