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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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58

frühgotischen Kirche gesucht hätte, deren Wände rings
mit halberloschenen Fresken aus der Schule Oiotto's bedeckt
sind. Statt dessen machte sich modernes Kunstgewerbe
in dem völlig verunstalteten Querschiff breit und im Lang-
haus, in welchem man noch alle Gemälde über den Altären
sieht, hatte eine Wagenausstellung Platz gefunden! Die
zahlreichen aus Privatbesitz, öffentlichen Anstalten und
Kirchen zusammengebrachten Kunstschätze älterer Zeit
konnte mau in den oberen Räumen des Klosters suchen,
wo sie allerdings besseres Licht genossen, als in der
dämmernden Kirche. - Im einzelnen betrachtet bedeuteten
nun diese Kunstgegenstände nicht viel, aber doch war es
merkwürdig zu sehen, wie mancherlei Schönes aus einer
langen Reihe von Jahrhunderten ein Städtchen wie Pistoja
auch ausser den Jedermann bekannten Werken der Skulptur
und Malerei bewahrt. Eine thronende Madonna zwischen
vier Heiligen aus dem Spedale del Ceppo war das Haupt-
stuck der ganzen Ausstellung. Ein köstliches Werk des
Lorenzo di Credi von tadelloser Erhaltung, welches heute
diesen Florentiner Meister allein in Pistoja vertritt, nach-
dem (tio M-"1----

dem die Madonna im ^mTls WeiST^J""^
gesehen werden mii« au k des V«"*dii„

fand, veXnt kaum WJ Sich so^t an Gemälden

Büder des Gerino d" I^toia .zu weu'en: zwei schlechte
TaddeoGaddi, ,'!„ ,!.. S!°!;1' m T^™™ aus der Schule

nach-
10 an-

leo Gaddis, eine Predella aus der Werkstatt,

lli's und dergleichen mehr.

des Benozzo

Gozzoli, ein Werkstattbild Botticel

sah l?rhns Z^t^T"'* "2?
!" der Art des RoV r • ' koP'erte Madonnenreliefs

Terrakotten^sR^:thl^crbia:lHleitei1 ^ ^

von Angelo di Polo "a^dernT^'T'^'"6 Christl,sbüste
leicht von derselben h» j ÜCeo Fortegnerra und viel-

Grabe sitzend inPrivaSesV'"^? auf

nvatoesitz. Die herrlichen Paramente

, - <">> sitn, u1h1 es ist in der That

staunenswert zu sehen, welche Sehätze an kirchlichen Ge-
wandern die oft geplünderten Sakristeien Italiens immer
noch beherbergen. Aber auch hier befand sich unter all
°lailz der Farben und des Goldes nicht ein einziges
Stuck von wirklichem Kunstwerk. Dagegen hatte das Dom-
kapitel in einem besonderen Schrein seine Reliquienbehält-
nisse aufgestellt, unter denen man die kostbarsten Dinge
aus dem 14. und 15. Jahrhundert sah. Ein schöneres
Relicpiar wie das des heiligen Jacobus vom Jahre 1407
wird man lange suchen müssen. Es ist in zierlichster
Gotik ganz, in feinem reich vergoldeten Silber gearbeitet,
eigentlich nichts weiter als ein Kelch, der auf einem hohen,
reich verzierten Fusse steht, dessen Reliquie zwei schlanke
Engel mit flatternden Mänteln und hoch erhobenen Schwingen
bewachen. Ein Kelch vom Jahre 1384 ist von Andrea
Braccini, ein Reliquar der Madonna vom Jahre 137g ist von
Bertoldo Salvei, ein grosses silbernes, köstlich gearbeitetes
Prozessionskreuz wird vielleicht nicht mit Unrecht dem
Benvenuto Cellini zuerteilt. Endlich hatten Dom und andere
Kirchen auch ihren ganzen Schatz an Koralbüchern her-
geliehen und zahllose Kirchengeräte, Kruzifixe und Teppiche
füllten die weiten Räume au, welche die vornehmsten
Familien Pistojas mit ihren ältesten Mobilien ausgestattet
hatten, unter ihnen eine Reihe wohlerhaltener Annstühle
aus dem Cinquecento. Weniges, wie gesagt, sah man an
wirklichen Kunstwerken, vieles aber, was für das Verständ-
nis der reichen, ehrwürdigen Kultur Italiens äusserst wertvoll
erscheinen nuiss. Ein ungewöhnlich sorgfältig gearbeiteter
Katalog war dem Besucher an die Hand gegeben.

E. ST.

Wien. Im Oktober. Die im Österreichischen Museum
für Kunst und Industrie ausgestellten japanischen Farben-
holzschnüte haben diesmal auch in Wien ein Interesse er-
weckt, das über die platonische Bewunderung der Nicht-

kaufenden hinausging. Eine Reihe von wertvollen Ankäufen,
bei denen die Museumsleitung quantitativ wie qualitativ
in erster Linie beteiligt ist, zeigt den greifbaren Erfolg der
Ausstellung. Vorherrschend ist das Dreigestirn: Hokusai,
ffiroshige und Utamaro, die wohl in Europa am häufigsten
genannten, in Japan aber nicht am höchsten geschätzten
Spät-Japaner . Die beiden Erstgenannten sind uns bald
so geläufig und lieb geworden, wie die ihnen in mancher
Beziehung geistesverwandten Niederländer und Vlamen
des siebzehnten Jahrhunderts, welche natürlich ganz
unabhängig und mit anderen Traditionen und Mitteln
in der europäischen Kunst das Volksleben im eigentlichen
Sinne erst malerisch entdeckten. Mit ihren hellheiteren
Landschaften voll leuchtender Farbenfreude, dem bunten Ge-
wimmel von Landleuten, Fischern, Ringkämpfern und aller-
lei Soldateska, welche an Flussufern auf leichten Pfahlbrücken,
unter Zelten oder in sauberen Blumengärten mit Bienen-
emsigkeit arbeiten, sind namentlich Hokusai und Hiroshige
bei ihrer intimen Kenntnis von Sitten und Gebräuchen,
Handwerk, Spiel, Tanz und Frohsinn der unteren Volks-
schichten fast unübertreffliche Chronisten. Man könnte sie
in der Hauptsache Erzählende Kleinkünstler nennen.
Am einfachsten und feinsten zeigt sich die frische Natur-
freudigkeit Hiroshiges, wenn erBliiteuzweige oder schillernde
Fische, einen fliegenden oder hüpfenden Vogel blitzartig
im ersten Erfassen hinzaubert. Um diese Blätter spielen
unsichtbar Wind und Wolken, Sang und Sonnenschein.
Die Lust an der plötzlichen Erscheinung leuchtender Blüten
und schillernder Schuppen ist hier des Künstlers Leitmotiv.
Eine wesentlich verschiedene Atmosphäre tritt uns bei
Utamaro entgegen, dem etwas älteren, noch mehr am
typischen und überlieferten Stil haftenden Sittenschilderer.
Statt der freien Feldluft ein etwas matter, müder Boudoir-
duft. Es ist das Privatleben« der japanischen Halbwelt,
das Utamaro uns darbietet. Mit schier unermüdlicher Hin-
gebung zeigt er, wie jene biegsamen Mädchen, die abends
beim Halbdunkel der Papierlaternen in den Theehäusern
tanzen, tagsüber sich mit Handarbeit beschäftigen, einzeln
oder zu zweien sich an- und auskleiden, baden, schmücken
und in den Spiegel sahen. Fast einförmig typisch wie ihre
ovalen Gesichter, ihre kleinen Augen mit den dunkel ge-
schminkten Brauen und die roten Lippen sind, üben sie
durch die wiegende Grazie ihrer Bewegungen und die
farbigen Gegensätze der losen Gewänder einen eigen-
artigen Reiz auf die Sehnerven aus, der allerdings rein
äusserlich bleibt. Diese preziösen Dämchen und ihre
Dienerinnen sind fast gleichförmig unindividuell und tragen
sich ganz nach der Vorschrift . Ein kleiner Beigeschmack
von bestellter Massenproduktion scheint diesen Blättern
anzuhaften. Unerschöpflich ist der Japaner in diesen Dar-
stellungen, welche immer wieder die Cocotte zum Mittel-
punkt haben. Es sind übrigens auch Ankäufe von einigen
älteren Vorläufern Utamaros gemacht worden, die künst-
lerisch und psychologisch noch intensiver nationaljapanisch
erscheinen, als die Künstler vom Anfang dieses Jahrhunderts.
Diese Früheren offenbaren noch jenes heroische, grotesk-
ernste Empfinden der alten Heldensagen. In grossen,
starken Geberden, die uns fast wild erscheinen, aber doch
echt empfunden sind, klingt dieses Sagenhafte der alten
Heldenlieder nach in den Einzelgestalten von Kriegern,
Rittern und Schauspielern. Dieser Stil, den man als ein
verkleinertes AI fresco bezeichnen könnte, verliert sich
später mehr, bis er in einen fast bürgerlich-genrehaften
Zug allmählich übergeht, am Ausgang des vorigen und in
der ersten Hälften dieses Jahrhunderts. Einige ältere Namen
sind ebenfalls vertreten, zum Teil hervorragende Stücke.
Manchmal scheinen mir diese noch wertvoller als die
späteren, künstlerisch und psychologisch feiner abgetönt
 
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