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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0059

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101

Bücherschau.

102

rechtigte Caprice, greisenhafte, künstlich galvanisierte Im-
potenz. Der junge Künstler aber, mit dessen Ansichten
sich der Vortragende identifiziert, entgegnet ihm, das Studium
der alten Kunst könne uns weiter nichts lehren, als dass
jede Zeit ihre eigene Ausdrucksform gehabt habe und dass
ihre Kunst eine um so vollendetere Höhe erreichte, je
schlagender sie dem Inhalt der herrschenden Kultur Aus-
druck gab. In demselben Sinne bemühe sich die moderne
Kunst, die Sprache unseres Zeitempfindens zu sein. Sie
spräche nicht mehr in Citaten wie die Kunst im grössten
Teil des ig. Jahrhunderts, denn dabei könne niemals eine
künstlerische Schöpfung von wirklichem Wert entstehen.
Der junge Maler ist der festen Zuversicht, dass aus den
jetzt noch tastenden Versuchen sich ein einheitlicher Kunst-
stil herausbilden werde, wie ihn die früheren bedeutenden
Kunstzeiten gehabt haben. Der freundliche Plauderer
steigert sich, während er den Maler seine Ideen im Zu-
sammenhang entwickeln lässt, zum begeisterten Apologeten;
er hat, als er den Vortrag in Nürnberg, bei dem grossen
Andrang zweimal, hielt, seine Zuhörer mitgerissen und
wird durch das gedruckte Wort in noch weiteren Kreisen
zünden. z.
Künstlerischer Bildersehmuek für Schulen. Von
Dr. M. Spanier. Hamburg 1897, Commeter.

Seit Jahren wird von Seiten aller Zeichenlehrer-Ver-
einigungen und Zeitschriften die Forderung erhoben, dass
die künstlerische Erziehung der Jugend bereits in der Schule
zu beginnen habe. Die gleiche Forderung stellte auch neuer-
dings in Hamburg die Lehrervereinigung für die Pflege
der künstlerischen Bildung auf, und den Bestrebungen dieses
Vereins giebt nun Dr. Spanier in obiger Broschüre Aus-
druck, merkwürdigerweise ohne von den vielfältigen Be-
strebungen der deutschen Zeichenlehrer darin wesentliche
Notiz zu nehmen. Immerhin ist es von Wert, wenn auch
weitere Lehrerkreise in dieser Weise das von anderen bereits
längst Angestrebte zu fördern bereit sind. Die Hamburger
Lehrervereinigung verlangt also, dass die Klassenzimmer
nicht die bekannten kasernenmässigen öden und kahlen
Wände aufweisen sollen, vielmehr Bilderschmuck die Wand
zu zieren habe, aber nicht nur belehrenden Inhalts, sondern
von wirklich künstlerischer Form. Wo irgend angängig,
sollen farbige Bilder angebracht werden, und mit Recht
erinnert Spanier daran, dass auch gute Plakate, wie etwa
Steinlen's Katzenplakat, hierfür durchaus geeignet sind. Ist
es auch wünschenswert, dass in dieser weitgehendsten Weise
alle Klassenzimmer bildlich geziert werden, so würde es
doch vielleicht praktischer gewesen sein, wenn die Lehrer-
vereinigung zunächst den schon vorhandenen Wünschen sich
angeschlossen hatte, nämlich den Zeichensaal in erster Linie
künstlerisch auszustatten. So lange diese nächstliegende
Forderung in so geringem Umfange wie heute Erfüllung
gefunden, wird man sie erst durchzusetzen versuchen müssen,
ehe man an weiteres herangeht. Dass es natürlich mit dem
Ausschmücken des Raumes nicht allein gethan ist, sondern
eine zweckmässige Erläuterung der Bilder seitens der Lehrer
hinzukommen muss, versteht sich von selbst. Es bleibt
sonst, wie in unseren Museen dabei, dass Scharen Sehens-
lustiger an den Werken vorübergehen, ohne ihnen nahe
getreten zu sein, ohne sie verstanden zu haben. Dass
damit nicht gleich ein ausführlicher Unterricht in Kunst-
geschichte beansprucht werdeil soll, ist klar. Indem man
so unter obiger Beschränkung allen Wünschen dieser
Vereinigung beistimmen und ihnen Erfüllung wünschen
kann, immer mit dem Hinweise darauf, dass die Erziehung
unserer Zeichenlehrer für diese Art des Unterrichts noch
intensiver zu gestalten wäre, sei schliesslich auf die Auf-
zählung hingewiesen, welche Spanier in seiner Broschüre
von ähnlichen Bestrebungen im Auslande giebt, ganz be-

| sonders in England. Es wird dann zum Schlüsse ein Ver-
zeichnis derjenigen Bilder gegeben, welche als Schmuck für
Schulräume besonders geeignet sind, im Anschlüsse an eine
entsprechende Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle.
Ich habe vor Jahren in der Zeitschrift deutscher Zeichen-
lehrer bereits eine solche Liste aufgestellt, in der allerdings
auch Plastik und Architektur berücksichtigt war, von der
die Hamburger absehen, ohne Gründe hierfür anzugeben.
Man wird aber doch zugeben müssen, dass Kindern eine
Darstellung des Petersplatzes mit Peterskirche oder des
Zwingers zu Dresden mindestens so leicht verständlich ge-
macht werden kann, ja ihr Interesse vielleicht noch mehr
erregt, als etwa ein Bild von Böcklin oder Klinger. Die
ganze Aufzählung läuft aber im wesentlichen doch darauf
hinaus, dass als mit den üblichen Schulmitteln erreichbare
Vorbilder immer wieder Seemann's bekannte Wandbilder
sich empfehlen, da die Farbendrucke von Troitzsch, die
kostspieligen Kohledrucke von Braun in Dornach und andere
selbst für reich dotierte Institute eine schwere Ausgabe be-
deuten, für die Einführung in Schulen in grossem Massstabe
kaum in Betracht kommen dürften. Vielleicht hätten in
diesem Verzeichnisse auch die trefflichen Reproduktionen
der Reichsdruckerei aufgenommen weiden können, sowie
die Volksbilderbogen von Breitkopf & Härtel. Sehr be-
achtenswert sind die im Anhange erwähnten billigen eng-
lischen und französischen Drucke. Bedauerlich ist, dass alle
diese auf Bilderschmuck in Schulen gerichteten Bestrebungen
stets so vereinzelt und daher wirkungslos bleiben. Würden
alle in Deutschland gleiches Erstrebende zu einer Bewegung
sich zusammenschliessen, so wäre jedenfalls viel mehr Aus-

I sieht auf Gelingen dessen vorhanden, was Spanier's Schrift
und die Hamburger Lehrervereinigung anstreben.

M. SCH.

A Florentine Pieture Chroniele: Being a Series of
Ninety-nine Drawings representing Scenes and Personages
of Sacred and Profane History by Maso Finiguerra, repro-
duced in Facsimile from the Originals in the British-
Museum by the Imperial Press of Berlin, with a Critical
and Descriptive Text by Sidney Colvin, M. A. Keeper of
the Prints and Drawings in the British-Museum.<
Imjahre 188g erwarb die Verwaltungdes British-Museums
von Mr. Ruskins einen Band italienischer Zeichnungen, die
er bereits 18 Jahre im Besitz hatte. Diese Zeichnungen ge-
hören einer der interessantesten Periode der Florentiner
Kunst aus dem Jahre 1460 an. Sie stellen in der Phantasie
des Künstlers die heilige und profane Geschichte dar seit
der Schöpfung bis zur Gründung von Florenz. Im ganzen
sind es gg Blätter, jedes 13X9 englische Zoll gross, die sich
durch Reichtum der Erfindung auszeichnen. Sie sind vor
allem das Werk eines Zeichners, der ein Goldschmied ge-
wesen sein muss. In architektonischen und dekorativen
Motiven zeigt er sich unter dem Eindruck derjenigen Meister,
die Florenz damals umwandelten: Brunellesco, Michelozzo,
Donatello und Luca della Robbia. Hinsichtlich seines
Stils und der Erfindung der Figuren gehört er zu jener
Gruppe von Realisten wie: Andrea del Castagno, Paolo
Uccello, Alesso Baldovinetti und die Gebrüder Polla-
juolo. Der Direktor im Kupferstichkabinett des British-
Museum, Mr. Sidney Colvin, hat eine Menge verschiedener
Beweiszeugnisse gesammelt, um darzulegen, dass der bis-
her fragliche Verfasser der in Rede stehenden Zeichnungen
kein anderer sein kann als der berühmte Florentiner Gold-
schmied Maso Finiguerra (1426 -1464). Mr. Colvin hat in
einem ganz neuen Licht die künstlerische Persönlichkeil
dieses Meisters klar gelegt. Vorweg ist der Autor der Ansicht,
dass Finiguerra mehr oder minder durch Vasari und durch
die zwar Aufsehen erregende, aber irreleitende Entdeckung
des Abbe Zari in Paris verdunkelt worden sei. Die Gründe
 
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