Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Die öffentlichen Preisbewerbungen für Bildhauer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0074

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
131

Die öffentlichen Preisbewerbungen für Bildhauer.

132

Denkmalsangelegenheit durchsprechen. Dieser Beirat
wird nicht nur auf die künstlerischen Gesichtspunkte,
sondern auch auf die berechtigten materiellen An-
sprüche der Künstler aufmerksam machen.

Vielfach bildet das Komitee auch gleichzeitig die
Jury und behält sich nur das Recht vor, nach Bedarf
künstlerische Autoritäten zu Rate zu ziehen. Das
richtige wäre, dass solche kompetenten Beurteiler von
vornherein in die Jury aufgenommen werden, damit
die Künstler die Sicherheit erhalten, dass ihre Arbeiten
in erster Linie nach künstlerischen Gesichtspunkten
von Sachverständigen beurteilt werden. Zu den
grössten Missständen führt das wiederholte Ausschreiben
derselben Konkurrenz. Die erste Preisbewerbung bringt
kein Resultat, aber die Juroren gewinnen durch die
eingelieferten Entwürfe eine Grundlage, auf der sie
ihre Wünsche noch einmal präziser formulieren
können, in vielen Fällen werden sie sich vielleicht
erst durch die Arbeiten der ersten Konkurrenz über
das, was sie wollen, klar. Sie wirtschaften dabei mit
fremdem geistigem Kapital und die Künstler der zweiten
Preisbewerbung arbeiten mit den Ideen der Künstler,
die sich an der ersten beteiligten. Besonders ungerecht
ist es, wenn Künstler, welche einen Baustein zu der neuen
Grundlage beigetragen haben, zur zweiten Konkurrenz
nicht aufgefordert werden, oder wenn bei der neuen
Konkurrenz die Parole ausgegeben wird, sich im all-
gemeinen nach einem bestimmten Entwurf zu richten.
In diesem Falle wäre es das einzig richtige gewesen,
dem Verfasser dieses Entwurfs allein Gelegenheit zu
geben, auf Grund der ersten noch eine zweite nach
speziellen Wünschen abgeänderte Arbeit einzureichen.
Zahlreich sind die Fälle, in denen die Ausführung
nicht dem Gewinner des ersten, sondern erst des
zweiten oder dritten Preises gegeben wird. Das kann
unter Umständen seine Berechtigung haben. Die
Jury will damit sagen, dass nach künstlerischen Ge-
sichtspunkten eine bestimmte Arbeit den ersten Preis
verdiene, dass aber aus praktischen Gründen eine
andere für die Ausführung zu bevorzugen sei. Die
Gründe für ein solches Vorgehen sind aber nicht
immer so unanfechtbar. Am unbedenklichsten ist es
noch, wenn künstlerischer Unverstand dazu führt,
wenn zum Beispiel, wie es vorgekommen, bei den
Modellen die Bildnisähnlichkeit eines anderen Ent-
wurfes grösser ist, als die des preisgekrönten. Jeder
Sachverständige weiss, dass es sich aus einem Modell
in kleinem Masstabe nicht beurteilen lässt, wie die
Ähnlichkeit des Kopfes bei der Ausführung im grossen
wirken wird und dass die Ähnlichkeit bei einer kleinen
Skizze immer mehr oder weniger zufällig ist.

Zuweilen werden auch Preise an Entwürfe ver-
geben, die sich nicht streng an das Programm ge-
halten, die Kosten weit überschritten haben oder in
andern Punkten von den Forderungen abweichen,
deren hervorragende künstlerische Bedeutung sie aber
zur Erlangung eines Preises zu berechtigen scheint.
Mögen jedoch solche Entwürfe auch von noch so
hoher künstlerischer Kraft zeugen und noch so schön
sein, als dem Programm nicht entsprechend müssen
sie von vornherein ausgeschieden werden, denn die Jury

muss sich an die einmal aufgestellten Grundsätze
halten. Alle diese Ungerechtigkeiten sind meist nur
aus mangelnder Sachkenntnis oder gar aus falsch
angebrachtem guten Willen entsprungen, deshalb wird
eine Warnung davor gewiss nicht ohne Erfolg sein.
Von den traurigen Fällen, in welchen Konkurrenzen
nur zum Schein ausgeschrieben wurden, während
schon feststand, dass ein Künstler einer gewissen
Schule oder eine bestimmte Persönlichkeit die Aus-
führung erhalten solle, reden wir hier nicht, denn sie
entziehen sich jeder Diskussion.

Es ist üblich bei einer Konkurrenz für ein Stand-
bild mit Sockel, das wir hier als einen Auftrag
mittlerer Grösse zur Grundlage nehmen wollen, Preise
von etwa 3000, 2000, 1000 und vielleicht zwei zu
je 500 M. auszusetzen. Es geht also eine verhältnis-
mässig grosse Summe, 7000 M. in wenige Teile: nur
fünf Bildhauer erhalten einen Preis, während sich
vielleicht dreissig und mehr an der Bewerbung be-
teiligt haben. Die Sache ist aber noch schlimmer,
als es auf den ersten Blick scheint, denn wer sind
diese glücklichen Gewinner? In der Regel Künstler,
die schon einen grossen Namen haben, über den
Kampf hinaus sind und aus ihren sonstigen Arbeiten
beträchtliche Einnahmen erzielen. Diejenigen, welche
Nieten gezogen haben, sind die grosse Menge der
Unbekannten, die erst nach Anerkennung streben.
Mit welch grossen Opfern haben sie oft die Beteiligung
an der Konkurrenz erkauft! Das Modell zu einem
Standbild mit Sockel kostet in Gips abgeliefert min-
destens 100 M. an baren Auslagen, als da sind
Modellgeld, Formerkosten und Transport. Dazu
kommt noch, dass der Künstler Uniformstücke oder
andere Kostüme leihen, wenn nicht kaufen muss.
Nicht eingerechnet ist dabei die Ateliermiete und der
Lebensunterhalt des Künstlers während der Zeit seiner
Arbeit an dem Entwurf. Ein junger Künstler wird
sicherlich einen Monat brauchen, um ein konkurrenz-
fähiges Modell zu schaffen. Rechnen wir seinen
Lebensunterhalt sehr gering, zu 80 M. für den Monat
und dazu die Ateliermiete von 30 M., so kommen
wir im ganzen auf 210 M., die sich durch Auslagen
für Kostüme leicht auf 250 M. steigern können. Da
die jungen Künstler in den meisten Fällen arm sind,
ist das für sie eine grosse Summe, die noch dadurch
gewaltig anschwillt, dass sie gezwungen sind, viele
Konkurrenzen mitzumachen, ehe sie einmal einen
; Auftrag bekommen. Sie stecken ihr Geld, ihre phy-
J sische und moralische Kraft in die Arbeit, sie machen
vielleicht ein Dutzend Konkurrenzen mit, ohne eine
! zu gewinnen, verderben sich künstlerisch durch das
Arbeiten auf den Effekt, und sind dann pekuniär,
geistig und seelisch zu Grunde gerichtet.

Eine Abhilfe hierfür liegt nicht so fern. Man
verzichte auf die grossen Preise und teile die zur Ver-
fügung stehende Summe in eine grössere Zahl kleinerer
Preise oder Entschädigungen. Man wird die Künstler-
schaft im allgemeinen dadurch viel mehr befriedigen.
Folgender Modus wäre dabei zu empfehlen. Die Jury
schreibe zuerst eine Anmeldung aus, wähle dann aus
denen, die sich melden, zur Preisbewerbung etwa
 
Annotationen