Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0076

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nekrologe.

136

sich hier, an der die oben genannte Schrift des Professors
Riedler wesentlichen Anteil hat. Zwischen Universitäten
und technischen Hochschulen besteht seit langem ein bald
offener, bald heimlicher Gegensatz und Kampf. Es herrscht
aber an technischen Hochschulen bei vielen der Lehrenden
eine ausgesprochene Neigung, nicht nur in der allgemeinen
Anerkennung, namentlich in gesellschaftlicher Hinsicht, den
Universitäten sich zu assimilieren, was berechtigt ist, sondern
auch in der Unterrichtsweise sich den Grundgedanken des
Universitätsunterrichts anzuschliessen. Gegen eine solche
Neigung macht Riedler energisch Front. Er führt aus, dass
unser gesamtes Unterrichts- und Erziehungswesen, sowohl
auf Hochschulen als auf den höheren Mittelschulen, in
eine Bahn geraten ist, die von der Praxis des Lebens zu
einer ungesunden theoretischen Behandlung/hindrängt. Für
die Erziehung der Techniker ist diese Neigungganz besonders
gefährlich. Riedler verlangt, dass vor allem der Eigenart
der Technik beim Unterricht an technischen Hochschulen
Rechnung getragen werden muss, d. h. aller theoretische
Unterricht in erster Linie auf der Basis der Praxis stehen
muss. Er klagt darüber, dass alle heutige Erziehung kost-
bare Zeit verschwendet für Vorbereitungen, d. h. zur Aus-
bildung von Methoden und Lernwerkzeugen, vor denen oft
das Thatsächliche ganz in den Hintergrund gedrängt wird.
Als ob nur lehrende Theoriker, nicht aber in erster Linie
ausführende Praktiker in Deutschland erzogen werden sollten.
Hier begegnet sich Riedler mit den Forderungen, die auch
wieder aus der Praxis heraus bereits von deren Berufenen,
vor allem von den Medizinern, erhoben worden sind. Vor
lauter Methode« der Wissenschaften kommt man gar
nicht zum Geiste der Dinge, zu den praktischen Resultaten.
Unsere Jugend wird immer weiter von den wirklichen Be-
dürfnissen des praktischen Lebens entfernt, zu unfruchtbarem
Theoretisieren erzogen. Vom Urgründe aller Kenntnisse, von
der Anschauung, von der Fähigkeit räumlich sehen und ur-
teilen zu können, ist in der Ernennung immer weniger die
Rede. Sogar an den technischen Hochschulen, die in erster
Linie diese Fähigkeiten zu entwickeln hätten, beginnt die
Theorie zu überwuchern. Praktische Bildung, Anschauung,
Erkenntnisvermögen und, daraus resultierend, Urteilsver-
mögen und schnelles Entscheiden in praktischen Fragen
muss von jedem Gebildeten, vor allem vom Techniker zuerst
verlangt werden. Weniger Theorie, mehr Anschauung!
Riedler weist darauf hin, dass nicht nur dem Architekten,
sondern allen Technikern von wesentlichem Nutzen in ihrer
praktischen Erziehung die Kunst sein könne. Er sagt, der
Kunst sind an der technischen Hochschule durch die Archi-
tektur die Pforten schon weit geöffnet, sie muss als all-
gemeines Bildungsmittel stärker als bisher herangezogen
werden, d. h. als Mittel für Anschauung und Formvorstel-
lung, und ferner, Kunst und Technik müssen sich enger
zusammen finden, zu wenig wird dabei die wirtschaftliche
Bedeutung solcher Vereinigung gewürdigt, obwohl die Ge-
schichte anderer Länder, insbesondere Frankreichs, seit
Jahrhunderten deren Wichtigkeit erweist. In der That hat
jeder die Erfahrung gemacht, dass die Ausbreitung des
Interesses an der lebendigen Kunst, besonders der modernen,
in Deutschland durch die schulmeisterlich-theoretische Er-
ziehung unseres Volkes gehemmt wird, dadurch, dass
litterarisch, niemals aber künstlerisch, d. h. nach Form und
Erscheinung, bei uns Kunstwerke beurteilt werden. Wün-
schen wir, dass eine solche Erziehung zum Formempfinden,
zum Formenverständnis wenigstens auf diesem Wege wieder
weiteren Kreisen zugeführt werde. Riedler spricht es nicht
aus, aber es ist selbstverständlich, dass damit der land-
läufige Betrieb des kunsttheoretischen Unterrichts an Hoch-
schulen, der mehr Wert auf Mitteilung der litterarisch nach-
weisbaren Fakta als auf möglichst anschauliche Vorführung

I der Werke und deren formale Kritik legt, einer gründlichen
Änderung zu unterziehen ist. Nichts ist verderblicher, als
der Glaube, dass kunstgeschichtliche Dozenten an tech-
nischen Hochschulen ihr Ziel darin zu sehen haben, in

j jedem Semester ein bestimmtes Pensum d. h. eine bestimmte
Periode der Kunstgeschichte unter Aufzählung aller irgend
beachtenswerten Werke durchzuarbeiten. Hier kommt es
vielmehr darauf an, an einer Anzahl von mustergültigen
Künstlern und Kunstwerken das Wesen der künstlerischen
Betrachtung, das Wesen der künstlerischen Formentsteh-
ung und Gestaltung so vorzuführen, dass ein prak-
tischer Anschauungsunterricht ästhetischer Art gegeben

; wird. Es liegt also in Riedler's Forderung unausgesprochen

| die Notwendigkeit, die Art des Kunstunterrichtes an tech-
nischen Hochschulen den Forderungen anzupassen, die
Riedler für alle Fächer stellt. Unter diesen ist eine der
wesentlichsten, dass alle Hilfs- und Fachwissenschaften an
den technischen Hochschulen von Lehrern gelehrt werden
müssen, welche die Anwendung wissenschaftlicher Erkennt-
nis beherrschen. Alle die an der Pflege und Ausbreitung
des Kunstverständnisses im Volke ein Interesse nehmen,
werden Riedler's Vorschlägen, seinen Warnungen, der an-
schauungsIosenTheorie noch weiteren Spielraum zu gewähren,
nur Beifall geben können. Je grösser die Zahl derer ist,
die wirkliche Form Vorstellung und Raumvorstellung, also
die Grundbedingung aller künstlerischen Anschauungsweisen
besitzen, um so mehr Aussicht haben wir, auch in künst-
lerischen Dingen ein urteilsfähiges Publikum zu erhalten.

AI. SCH.

Chr. Roth, Skizzen und Studien für den Aktsaal.

Während ältere, für den Gebrauch des Künstlers be-
j stimmte Anatomiewerke in ermüdend genauer Aufzählung
der Einzelheiten des Skelettes und der Muskulatur sich und
den lernbegierigen Maler erschöpften, ohne die Anwendung
dieses toten Wissens auf den lebendigen, bewegten und
verkürzten Körper zu zeigen, ist Ro h's Werk aus der Praxis
heraus geschaffen. Roth publiziert direkt Studienblätter aus
dem Aktsaal, zeigt also den Körper und seine einzelnen
Teile in Aktivität, in verschiedensten Lagen, so skizziert,
dass immer die konstruktiv wichtigen Partien betont sind.
Daneben, wie zur Erläuterung, rein anatomische Einzelheiten,
Datails des Knochengerüstes, der Bänder etc., wie etwa der
im Aktsaal korrigierende Professor sie den Studierenden zur
Erläuterung an den Blattrand skizziert, wobei die Kenntnis
der wichtigsten anatomischen Bezeichnungen schon voraus-
gesetzt wird. Indem man beobachtet, wie Roth den Akt
studiert, lernt man unwillkürlich selber die wichtigen Partien
beachten, die am lebendigen Körper und entsprechend natür-
lich an anatomisch tüchtigen Kunstwerken zur Geltung
kommenden Körperteile beobachten. So dürfte auch für
den theoretisch mit der Kunst sich Beschäftigenden ein Durch-
arbeiten dieses Werkes von besonderem Vorteil sein. Den
Künstler wird neben der praktischen Nutzbarkeit die elegante
Skizziermethode Roth's besonders anziehen.

NEKROLOGE

Kopenhagen. Im Alter von 77 Jahren ist der Bild-
hauer Professor Karl Peters, ein Schüler des Thorwaldsen-
Jüngers Hermann Wilhelm Bissen, gestorben. Peters hat
sich durch Förderung des Kunsthandwerks sowohl, als
auch durch einzelne grosse Arbeiten, wie die tanzende
Bacchantin, den flöteblasenden Faun, den Hermes und
Okeanos, sowie durch seinen berühmten Fries für die
landwirtschaftliche Hochschule zu Kopenhagen, einen be-
deutenden Namen gemacht, und ist besonders in seinem
Vaterlande zu hohem Ansehen gelangt. Zu Thorwaldsen-
scher Kunstanschauung erzogen, ist er den Idealen diese
 
Annotationen