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Die Wiederherstelltingsarbeiten an der Marienburg.
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des Hauskomturs und des Tresslers (des Finanz-
ministers des Ordens) ihre endgültige Ausstattung er-
halten sollen. Auf den riesigen Bodenräumen sind
die Gips - Abgüsse, die aus andern Ordens-Schlössern
oder aus gleichalterigen Bauten Mittel- und West-
deutschlands als Vorbilder besorgt wurden, vereinigt,
indem sie so einen hübschen Anfang für ein Museum
deutscher mittelalterlicher Baukunst und Bildhauerei
darbieten.
Der Parcham, der auf allen vier Seiten die steilen,
gewaltig aufragenden Wände des Hochschlosses um-
giebt und nach aussen durch die Verteidigungsmauern
mit ihren malerischen Wehrgängen begrenzt wird, ist
durch Bepflanzung und Aufstellung grösserer Fund-
stücke in sehr anmutiger Weise belebt worden. Auf
der Nordterrasse lagert ein von der Weichselstrom-
verwaltung überwiesener, aus der Weichsel gefischter
Baumstamm, in welchem ein frühmittelalterliches
Schwert eingewachsen gefunden wurde. Zahlreiche
Steinkugeln begleiten den Weg: es sind mittelalter-
liche Geschosse, meist in der Burg gefunden. Vor
der Annenkapelle ist eine Lichtsäule aufgestellt und
auf der Halle vor dem Pfaffenturm stehen alte Schiess-
gestelle, welche durch das Entgegenkommen der Zeug-
haus-Verwaltung zu Berlin dortigen Originalen nach-
gebildet sind. Hier, wie auch auf den übrigen Ter-
rassen haben ansehnliche Baustücke Aufstellung ge-
funden: Granitsäulen, Kapitelle aus dem Mittelalter,
Sandsteinbildwerk aus der Zeit des Kasernenbaues.
Auf der Ostterrasse, wo sich einst der Ritterkirchhof
befand, ist der feierliche Koniferengang herangewachsen.
Die Südterrasse hat ihren alten Charakter als Obst-
garten wieder erhalten und auf der Westseite am
Dansker liegt der unvermeidliche intimere Ökonomie-
betrieb.' Ich möchte diese Art der Ausnützung des
gegebenen Raumes als vorbildlich für andere ähnliche
Arbeiten bezeichnen.
Nordöstlich vom Hochschloss ist der sogenannte
Pfaffenturm nach grossen Mühen und nach Über-
windung vielfältiger Bedenken neu erstanden; einst
um der besseren Verteidigung willen errichtet, soll
er jetzt hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke,
besonders für die Bergung der bereits recht reich-
haltigen Bibliothek des oben genannten Vereins dienen.
Er ist demgemäss mit Bücherschränken und ähnlichem
Mobiliar, und zwar wiederum ganz im mittelalter-
lichen Geiste ausgestattet; selbst ein grosses gotisches
Bett fehlt nicht und erwartet in einer Wandnische
den fleissigen Bibliothekar zur Ruhe nach gethaner
Arbeit. Von seinen vier Stockwerken sind die unteren
schwer und einfach, die oberen reicher und kunst-
voller eingewölbt; das oberste Geschoss mit seinem
reizvollen Sterngewölbe gereicht seinem Erbauer zur
besonderen Ehre. Die Bildhauer-Arbeiten an den Ge-
wölbe-Konsolen und Schlusssteinen sind der christlichen
Heilsgeschichte und der Tiersymbolik entnommen.
Durch einen gezimmerten Gang auf einer alten
Grabenmauer gelangt man vom Pfaffenturm zum
Mittelschloss, dessen östlicher Flügel ehemals die Gast-
kammern enthielt. Über die Schwierigkeiten, die sich
der richtigen Erkenntnis ihres alten Grundrisses ent-
| gegenstellten, hat Steinbrecht gerade vor einem Jahre
in der Zeitschrift für christliche Kunst klar und an-
schaulich berichtet; sie sind alle beseitigt und nach
j einer Bauzeit von insgesamt 21j2 Jahren ist nunmehr
der gesamte Flügel glücklich unter Dach und Fach.
In dem völlig veränderten Bilde, das sich jetzt dem
Beschauer hier darbietet, dürften die beiden Hauptsäle,
von denen der eine von sechs, der andere von sieben
Pfeilern getragen wird, mit ihrem, an der ganzen Hof-
j seite entlang laufenden Verbindungsgange, das grösste
Interesse erregen. Eine besondere Überraschung brachte
bei diesen Arbeiten die Entdeckung einer kleinen, der
älteren Ordenszeit angehörigen, dem h. Bartholomäus
geweihten Kapelle, die in späteren Jahrhunderten gänz-
lich verbaut worden war und ungemein zierliche Formen
aufweist. Einen Grundriss, der die somit wieder-
gewonnene Raumeinteilung des Ostflügels genau an-
giebt, findet man auf dem vorzüglichen Gesamtplan
; der Marienburg in der neuesten Auflage von Bädeker's
j Nordostdeutschland.
Augenblicklich ist man beim Nordflügel des Mittel-
I Schlosses beschäftigt, der die Wohnung des Gross-
komturs und die Firmanei (Krankenstube) enthielt,
und im neuen Jahrhundert soll der Westflügel mit
seinem weltberühmten Hochmeister-Palast und seinem
wundervollen Rittersaal an die Reihe kommen.
Was die Umgebung des Hoch- und Mittelschlosses
anlangt, so sind mit erheblichen Opfern mehrere
Grundstücks-Ankäufe vollzogen, damit nicht in nächster
Nähe des Schlosses sich hohe Neubauten erheben, die
i die architektonische Gesamtansicht empfindlich stören
könnten. Auch wurde das mittelalterliche Brücken-
thor an der Nogat wieder aufgebaut, dessen spitze
Kegeldächer das landschaftliche Bild ungemein be-
reichert und verschönt haben.
Aus alledem geht hervor, wie rüstig das in der
fernen deutschen Ostmark begonnene nationaldeutsche
Werk in den letzten Jahren vorwärts geschritten ist.
Im Eingange dieser Mitteilungen ist schon derer ge-
dacht, denen das gute Ergebnis zu danken ist. Ausser
ihnen ist aber auch der bereits erwähnte, unter
der hingebenden und sachkundigen Leitung des
Oberpräsidenten von Westpreussen, Staatsministers
Dr. von Gossler, stehende Verein hervorzuheben, der
durch seine Mitglieder-Beiträge und seine mit staat-
licher Genehmigung veranstalteten Lotterien einen
wesentlichen Teil der zur Verwendung gelangenden
Mittel aufbringt. Die Freilegung des Schlosses durch
Grundstücks-Ankäufe, der Erwerb der BlelPschen
Waffensammlung für 130000 M., die bisher mit
75000 M. betriebene planmässige Vervollständigung
, der der Marienburg als Geschenk überwiesenen, höchst
wertvollen Jaquet'schen Münzsammlung, mit ihrer fast
vollständigen Reihe der ost- und westpreussischen
Münzen (z. B. rund 1800 verschiedene Deutschordens-
Münzen, 550 Danziger, 450 Thorner und 350 Elbinger
Stadt-Münzen), sind diesem Verein vornehmlich zu
danken. Insgesamt hat er bis jetzt etwa vier Millionen
Mark zu den Gesamtkosten beigesteuert, eine Summe,
die ziemlich verausgabt ist, so dass die Veranstaltung-
weiterer Lotterien ein unbedingtes dringendes Be-
Die Wiederherstelltingsarbeiten an der Marienburg.
212
des Hauskomturs und des Tresslers (des Finanz-
ministers des Ordens) ihre endgültige Ausstattung er-
halten sollen. Auf den riesigen Bodenräumen sind
die Gips - Abgüsse, die aus andern Ordens-Schlössern
oder aus gleichalterigen Bauten Mittel- und West-
deutschlands als Vorbilder besorgt wurden, vereinigt,
indem sie so einen hübschen Anfang für ein Museum
deutscher mittelalterlicher Baukunst und Bildhauerei
darbieten.
Der Parcham, der auf allen vier Seiten die steilen,
gewaltig aufragenden Wände des Hochschlosses um-
giebt und nach aussen durch die Verteidigungsmauern
mit ihren malerischen Wehrgängen begrenzt wird, ist
durch Bepflanzung und Aufstellung grösserer Fund-
stücke in sehr anmutiger Weise belebt worden. Auf
der Nordterrasse lagert ein von der Weichselstrom-
verwaltung überwiesener, aus der Weichsel gefischter
Baumstamm, in welchem ein frühmittelalterliches
Schwert eingewachsen gefunden wurde. Zahlreiche
Steinkugeln begleiten den Weg: es sind mittelalter-
liche Geschosse, meist in der Burg gefunden. Vor
der Annenkapelle ist eine Lichtsäule aufgestellt und
auf der Halle vor dem Pfaffenturm stehen alte Schiess-
gestelle, welche durch das Entgegenkommen der Zeug-
haus-Verwaltung zu Berlin dortigen Originalen nach-
gebildet sind. Hier, wie auch auf den übrigen Ter-
rassen haben ansehnliche Baustücke Aufstellung ge-
funden: Granitsäulen, Kapitelle aus dem Mittelalter,
Sandsteinbildwerk aus der Zeit des Kasernenbaues.
Auf der Ostterrasse, wo sich einst der Ritterkirchhof
befand, ist der feierliche Koniferengang herangewachsen.
Die Südterrasse hat ihren alten Charakter als Obst-
garten wieder erhalten und auf der Westseite am
Dansker liegt der unvermeidliche intimere Ökonomie-
betrieb.' Ich möchte diese Art der Ausnützung des
gegebenen Raumes als vorbildlich für andere ähnliche
Arbeiten bezeichnen.
Nordöstlich vom Hochschloss ist der sogenannte
Pfaffenturm nach grossen Mühen und nach Über-
windung vielfältiger Bedenken neu erstanden; einst
um der besseren Verteidigung willen errichtet, soll
er jetzt hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke,
besonders für die Bergung der bereits recht reich-
haltigen Bibliothek des oben genannten Vereins dienen.
Er ist demgemäss mit Bücherschränken und ähnlichem
Mobiliar, und zwar wiederum ganz im mittelalter-
lichen Geiste ausgestattet; selbst ein grosses gotisches
Bett fehlt nicht und erwartet in einer Wandnische
den fleissigen Bibliothekar zur Ruhe nach gethaner
Arbeit. Von seinen vier Stockwerken sind die unteren
schwer und einfach, die oberen reicher und kunst-
voller eingewölbt; das oberste Geschoss mit seinem
reizvollen Sterngewölbe gereicht seinem Erbauer zur
besonderen Ehre. Die Bildhauer-Arbeiten an den Ge-
wölbe-Konsolen und Schlusssteinen sind der christlichen
Heilsgeschichte und der Tiersymbolik entnommen.
Durch einen gezimmerten Gang auf einer alten
Grabenmauer gelangt man vom Pfaffenturm zum
Mittelschloss, dessen östlicher Flügel ehemals die Gast-
kammern enthielt. Über die Schwierigkeiten, die sich
der richtigen Erkenntnis ihres alten Grundrisses ent-
| gegenstellten, hat Steinbrecht gerade vor einem Jahre
in der Zeitschrift für christliche Kunst klar und an-
schaulich berichtet; sie sind alle beseitigt und nach
j einer Bauzeit von insgesamt 21j2 Jahren ist nunmehr
der gesamte Flügel glücklich unter Dach und Fach.
In dem völlig veränderten Bilde, das sich jetzt dem
Beschauer hier darbietet, dürften die beiden Hauptsäle,
von denen der eine von sechs, der andere von sieben
Pfeilern getragen wird, mit ihrem, an der ganzen Hof-
j seite entlang laufenden Verbindungsgange, das grösste
Interesse erregen. Eine besondere Überraschung brachte
bei diesen Arbeiten die Entdeckung einer kleinen, der
älteren Ordenszeit angehörigen, dem h. Bartholomäus
geweihten Kapelle, die in späteren Jahrhunderten gänz-
lich verbaut worden war und ungemein zierliche Formen
aufweist. Einen Grundriss, der die somit wieder-
gewonnene Raumeinteilung des Ostflügels genau an-
giebt, findet man auf dem vorzüglichen Gesamtplan
; der Marienburg in der neuesten Auflage von Bädeker's
j Nordostdeutschland.
Augenblicklich ist man beim Nordflügel des Mittel-
I Schlosses beschäftigt, der die Wohnung des Gross-
komturs und die Firmanei (Krankenstube) enthielt,
und im neuen Jahrhundert soll der Westflügel mit
seinem weltberühmten Hochmeister-Palast und seinem
wundervollen Rittersaal an die Reihe kommen.
Was die Umgebung des Hoch- und Mittelschlosses
anlangt, so sind mit erheblichen Opfern mehrere
Grundstücks-Ankäufe vollzogen, damit nicht in nächster
Nähe des Schlosses sich hohe Neubauten erheben, die
i die architektonische Gesamtansicht empfindlich stören
könnten. Auch wurde das mittelalterliche Brücken-
thor an der Nogat wieder aufgebaut, dessen spitze
Kegeldächer das landschaftliche Bild ungemein be-
reichert und verschönt haben.
Aus alledem geht hervor, wie rüstig das in der
fernen deutschen Ostmark begonnene nationaldeutsche
Werk in den letzten Jahren vorwärts geschritten ist.
Im Eingange dieser Mitteilungen ist schon derer ge-
dacht, denen das gute Ergebnis zu danken ist. Ausser
ihnen ist aber auch der bereits erwähnte, unter
der hingebenden und sachkundigen Leitung des
Oberpräsidenten von Westpreussen, Staatsministers
Dr. von Gossler, stehende Verein hervorzuheben, der
durch seine Mitglieder-Beiträge und seine mit staat-
licher Genehmigung veranstalteten Lotterien einen
wesentlichen Teil der zur Verwendung gelangenden
Mittel aufbringt. Die Freilegung des Schlosses durch
Grundstücks-Ankäufe, der Erwerb der BlelPschen
Waffensammlung für 130000 M., die bisher mit
75000 M. betriebene planmässige Vervollständigung
, der der Marienburg als Geschenk überwiesenen, höchst
wertvollen Jaquet'schen Münzsammlung, mit ihrer fast
vollständigen Reihe der ost- und westpreussischen
Münzen (z. B. rund 1800 verschiedene Deutschordens-
Münzen, 550 Danziger, 450 Thorner und 350 Elbinger
Stadt-Münzen), sind diesem Verein vornehmlich zu
danken. Insgesamt hat er bis jetzt etwa vier Millionen
Mark zu den Gesamtkosten beigesteuert, eine Summe,
die ziemlich verausgabt ist, so dass die Veranstaltung-
weiterer Lotterien ein unbedingtes dringendes Be-