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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Amelung, Walther: Ausgrabungen auf dem Forum Romanum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0122

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gelegten Aufgangs mit je einer Seitentreppe und
glatter Front entdeckte, der seiner Annahme zufolge
gelegentlich den Rednern der Oppositionspartei als
Rednerbühne gedient hat, worauf denn auch gewisse
Zeugnisse antiker Schriftsteller zu deuten scheinen.
Die glatte Front mit Ablauf unten liegt jetzt frei; den
linken Treppenaufgang hat man zum Teil restauriert
mit den erhaltenen Resten der Marmorstufen.

Dicht daneben überspannte ein Triumphbogen des
Augustus die Sacra via. Bisher sah man nur die
vier glatten quadratischen Oberflächen des Fundaments,
auf denen die vier Pfeiler des Bogens ursprünglich
aufsetzten. Jetzt hat man die Reste dieser Pfeiler, die
bisher vernachlässigt und den meisten unkenntlich
umherlagen, auf diesen vier Flächen aufgebaut.

Von hier aus gelangt man geradeaus zu dem
runden Fundamentkern des Vesta-Tempels. Es ist
ein Lieblingsgedanke des Ministers Baccelli, diese
Stätte, die einem der heiligsten Kulte des alten Rom
geweiht war, wieder herzustellen. Hauptsächlich, um
die Möglichkeit dieses Unternehmens, d. h. die Festigkeit
der Fundamente zu prüfen, hat man diese, die bisher
dem Auge verborgen lagen, ausgegraben. Man
fand eine ringförmige Tuffmauer und darin einen Kern
von Gussmauer; in seinem Innern einen kellerartigen
Raum, derwahrscheinlich zur Bergung von Aschegedient
hat; der Leser weiss, dass im Vestatempel stets ein
Feuer lebendig erhalten werden musste. Wir erfahren,
dass der Abgang (stercus) jährlich einmal aus der
aedes Vestae fortgeschafft wurde; es musste also ein Raum
vorhanden sein, in dem er bis dahin geborgen
wurde. In der Nähe liegen Reste des Gebälks und
der Kassettendecke des Tempels umher; sie sind aber
so gering, dass eine Rekonstruktion unverhältnismässig
grosse Kosten bereiten würde.

Wendet man sich hierauf dem Haus der Vestalinnen
zu, so bemerkt man an seinem Äussern einen kleinen
kapellenartigen Anbau, eine Ädicula, die mit Be-
nutzung antiker Reste hier an ihrem ursprünglichen
Platz errichtet ist. Zwar entspricht ihr heutiges Aus-
sehen nicht ganz dem ursprünglichen: das Gebälk
wird getragen von einer unkanellierten Travertinsäule
und einem Pfeiler, während es einst zwei kanellierte
Marmorsäulen stützten. Die Reste der Inschrift
sagen uns, dass Senat und Volk die Aedicula er-
richtet haben; sie barg ein Bild der Vesta, während
in dem Tempel bekanntlich kein Bild der Göttin
vorhanden war.

Auch im Innern des Hauses der Vestalinnen hat
man unter dem bisher bekannten Paviment Reste
älterer Anlagen gefunden. Das Fragment " von der
Statue einer Vesta/in, das bei dieser Grabung ge-
funden wurde, ist von später, sehr geringer Arbeit;
man hatte, wie in den meisten Fällen eine griechische
Gewandfigur benutzt und ihr den Porträtkopf der
Vestalin aufgesetzt; also auch für das eigenartige
Kostüm dieser Priesterinnen, das, wie sich nach
neueren Forschungen immer deutlicher herausstellt,
vorbildlich für die Kleidung der Nonnen wurde, hat
uns dieser Fund nichts Neues gelehrt. Die überall
fühlbare Absicht, nicht nur gründlicher in der Tiefe

zu forschen, sondern auch das Gefundene besser zu
erhalten als früher, hat auch im Haus der Vestalinnen
dazu geführt, die Fussböden in den Räumen, die das
Atrium umgeben, zu restaurieren und diese Räume
z. T. mit Dächern zu versehen. Auch im Nordosten
des Atriums sind die Arbeiten gründlich vorgegangen.
Zahlreiche Mauerzüge von Gebäuden verschiedener
Epochen laufen durch einander und erregen schon
allein dadurch selbst für den, der diese Züge nicht
1 voneinander zu scheiden weiss, die Vorstellung einer
in ununterbrochener Lebhaftigkeit fortschreitenden ge-
schichtlichen Entwicklung.

In einem Abzugsgraben innerhalb des Hauses der
Vestalinnen endlich wurde ein reicher Schatz von
prächtig erhaltenen Goldmünzen aus der Zeit der
Kaiser Constantius IL, Valentinian III. und Anthemius
(5. Jahrh. n. Chr.) gefunden. Er wurde dort wohl
in Kriegswirren geborgen und sein Besitzer mag
durch den Tod verhindert worden sein, das verbor-
gene Gold wieder zu heben. Die meisten Münzen
sind so vorzüglich erhalten, dass man annehmen
muss, sie seien kaum oder gar nicht in Umlauf ge-
wesen, als man sie versteckte.

Kehren wir zum Bogen des Augustus zurück, so
1 öffnet sich jetzt in vollkommener Deutlichkeit nach
Osten hin ein Strassenarm der Sacra via zwischen
1 dem Eingang zum Haus der Vestalinnen und der
1 Regia, dem Amtslokal des Pontifex Maximus, an
' dessen der Strasse zugekehrter Wand die bekannten,
jetzt im Conservatoren - Palast befindlichen Consular-
Fasten, Verzeichnisse der Magistrate und eventuellen
I Triumphe für jedes Jahr, eingemauert waren. Die
Fundamente dieses Baues sind erst jetzt freigelegt
worden; man betritt den Vorraum von Osten her —
Teile seiner Marmorwandungen sind erhalten - , dann
das Innere, die ursprüngliche Schwelle überschreitend.
Auf dem Boden des Innenraumes fällt ein kreisrundes
Fundament auf, umgeben von einem Ring von Tuff-
quadern. Man vermutet, dass in dem Rundbau, den
dies Fundament getragen haben muss, die heiligen
Lanzen desMars aufbewahrt worden seien, deren Rasseln
den Römern ein sicheres Vorzeichen folgenschwerer Er-
eignisse war; so sollen sie in der Nacht vor dem Tode
Cäsar's, die der Diktator eben hier in der Regia ver-
brachte, gerasselt haben. Die Erinnerung an jenes
Schicksal lenkt unsern Blick nordwärts hinüber zu
dem Templum Divi Julii, doch ehe wir uns dort ver-
gegenwärtigen , was uns die neuen Ausgrabungen
lehren, bemerken wir noch zu beiden Seiten der Regia
je eine Öffnung einer Cisterne von bedeutender Aus-
dehnung, von denen die eine mitten in dem Arm
der Sacra via liegt. Ihre Anlage dürfte also einer
älteren Zeit angehören als der Bauplan, den wir jetzt
durchgeführt vor uns sehen. In der anderen Cisterne
fanden sich ausser Scherben von Gefässen allerlei
Schreibutensilien. Sie werden von den Schreibern
herrühren, die hier um die Regia ihre Bureaus haben
mussten; ein solches Bureau lag auch in der Nähe
der Rostra beim Severusbogen, die sog. Schola Xantha,
von der späterhin noch die Rede sein wird. In der
Nähe der Regia überspannte die Sacra via der Ehren-
 
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