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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Lueer, Hermann: Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0194

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Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten.

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machens sind, es würde zu weit führen, näher darauf
einzugehen, zumal doch dabei nur eigene Erfahrung
zuverlässig beraten kann.

Einige verhältnismässig leicht feststellbare Kenn-
zeichen der Neuheit giebt es aber, die den Fälschern
bisher teils wirklich unbekannt geblieben, oder deren j
Beseitigung ihnen bisher noch nicht gelungen ist.

Es handelt sich dabei um Eigenschaften, die in
der Verschiedenartigkeit der Herstellungsweise in dem
genannten Zeiträume und der Neuzeit begründet sind. \
Zweifellos echte erhaltene Arbeiten, und die Angaben ,
des Theophilus lassen z. B. aus dem angewendeten
Gussverfahren in vielen Fällen die Nachbildung er-
kennen. Wie im Altertume wurde auch im Mittel- i
alter zum Ouss von komplizierten Gegenständen stets I
das Wachsausschmelzverfahren angewendet. Die Form J
ist bekanntlich bei diesem Verfahren nahtlos, sie wird
nach der Benutzung zerschlagen. Die Abneigung
gegen Wiederholungen und technische Schwierigkeit
hielten die Künstler des Mittelalters davon ab, Gips-
formen aufzubewahren, um nach Belieben neue Guss-
modelle aus Wachs damit herzustellen. Stets wurde
das Wachsmodell über einem Kern neu ausgeführt,
so dass völlig, d. h. auch in Zufälligkeiten, gleiche
Gussstücke nicht vorkommen.

Bei einem Leuchterpaar im Kestner-Museum (506.
507. »sehr schöne Leuchter mit durchbrochenem Fuss,
12. Jahrh. . . .«) in der bekannten Art auf dreiteiligem
Fuss mit phantastischen Wesen und Ranken und einem
Schaft mit Mittelknauf und Tropfplatte würde die Guss-
technik allein schon die Fälschung beweisen. Der
moderne in Sand formende Giesser verstand es nicht,
die Spuren seiner Teilform ganz zu verdecken. An j
den Kanten des Fusses sieht man die Nähte'). Ausser-
dem zeigen beide Leuchter an den entsprechenden
Stellen dieselben kleinen Zufälligkeiten, was ja auch
die Nachformung desselben Modells für beide beweist.
Die auch sogleich als künstlich zu erkennende Art der
Abnutzung kommt dabei kaum noch in Betracht.

Besonders interessante Rückschlüsse gestattet die
Herstellungsweise bei Hohlgussstücken, z. B. den von
Fälschern so sehr bevorzugten Aquamanilen. Bei
solchen Giessgefässen kann der Kern innerhalb der
Form einmal mittels einer starken Eisenstütze gehalten
werden, die durch die künftige Einguss- oder eine
absichtlich ausgesparte Öffnung eingeführt werden
kann. Neben einer solchen, Spuren nicht hinter-
lassenden Hauptstütze wurden aber, um auch geringe
Verschiebungen innerhalb der Form zu verhindern,
weitere dünne zugespitzte, aus Bronze oder auch Eisen
bestehende Stäbchen zu Hilfe genommen. Die Stäb-
chen wurden von aussen durch den Formmantel
etwa ein Centimeter in den Kern eingedrückt, so lange
die Wachsschicht in der Form noch den Raum
zwischen beiden ausfüllte. Nach dem Ausschmelzen
des Wachses bildeten sie feste Verbindungen von
Kern und Mantel, die beim Guss in das Metall mit
eingeschlossen wurden. Nach dem Zerschlagen der

1) Es kommt auch vor, dass bei ähnlichen Stücken der
Fuss aus drei Teilen zusammengelötet ist.

Form wurde der vorstehende Teil dieser Stäbchen
entfernt und die einzige bleibende Spur sind äusser-
lich die kleinen viereckigen oder runden Flecke an
der nachher geglätteten Oberfläche. Fälscher haben
diese ja leicht zu imitierenden Kennzeichen bisher
nicht beachtet, bei alten Stücken findet man sie stets,
allerdings darf man nicht die ebenfalls an allen Stücken
vorkommenden, nur im Umfange davon unterschiedenen
Ausbesserungsstellen damit verwechseln. In der An-
ordnung der Stützstäbchen ist stets eine gewisse Ge-
setzmässigkeit erkennbar.

Einen weiteren nicht ganz unwichtigen Anhaltspunkt
gewährt die Herstellungsart der an echten und fal-
schen mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten so unend-
lich oft angewendeten gekörnten Drähte. Die bis ins

13. Jahrhundert sehr grobe Körnung wird seit dem

14. Jahrhundert stetig feiner, so fein, dass man sie
von einem sehr scharf eingeschnittenen Gewinde nur
mit grosser Mühe unterscheiden kann. An Nach-
bildungen sind statt der gekörnten Drähte stets
Stäbchen mit geschnittenen Gewinden verwendet.
Die modernen Fälscher scheinen nie auf den
Gedanken gekommen zu sein, dass man das
Gewindeschneideisen damals noch gar nicht gekannt
hat1). Theophilus giebt über die Herstellungsweise
der gekörnten Stäbchen in Kap. X. seiner Schedula
(Ausgabe von Ilg) klar Auskunft. Später hat man sich
komplizierterer Werkzeuge bedient, deren mutmassliche
Konstruktion hier nicht in Betracht kommt.

In seltenen Fällen, wie es scheint nicht vor dem

15. Jahrhundert, stellte man diese Zierstäbchen auch
in der Art her, dass man einen stärkeren Mitteldraht
mit einem feinen Draht dicht umwickelte. In diesem
Falle könnte man also von einem Gewinde sprechen,
das sich aber immer noch von einem geschnittenen
Gewinde wesentlich unterscheidet. Man muss schon
selbst einige Erfahrung im Gewindeschneiden haben,
um die charakteristischen Merkmale mit Sicherheit zu
erkennen, mit Worten ist das nicht gut zu erklären.

Eine stattliche Reihe von Fälschungen dieser Art
befindet sich im Kestner-Museum, man wird das
Wesentliche bald herausfinden. Hingewiesen sei auf
»Mantelschliesse, getriebenes Silber, Anf. d. 16. Jahrh...
(sehr ähnlich die Kusstafel im Kölner Domschatz.
Vergl. Bock.)« Kai No. 366, »Kusstafel, Silber vergoldet,
um 1500 ... . .. Kat. No. 363, »Platten von einem

Reliquienkasten. Bei allen drei Teilen ist das Mittel-
Stück früher schon anderswo verwendet gewesen«2),
Kat. No. 311, »Buchdeckel, rheinisch, Anf. d. 13. Jahrh.
Das Mittelstück, Kopf Christi, ist eine italienische

Plakette des 16. Jahrh.....« Kat. No. 303, »Grosser

Buchdeckel, 12. Jahrh.« Kat. No. 301, »KleineMadonna
mit Kind, sitzend unter hohem säulengetragenen Bal-
dachin, 15. Jahrh.....« Kat. No. 458 u. a. m.

Natürlich wenden die Fälscher die Schrauben auch

1) Erst seit dem Ende des 16. Jahrhunderts sind die
ersten geschnittenen Metallgewinde nachweisbar. Vergl.
Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen. Wochen-
ausgabe No. 12. Jahrg. 1900.

2) Die Mittelstücke mit Grubenschmelz sind allein alte
Arbeiten.
 
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