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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [2]: die fremdländischen Künstlergruppen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0226

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435

Die grosse Berliner Kunstausstellung.

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»Abend im Moor«, ein Werk, das gleich rühmens-
wert ist wegen der Feinheit des Tons wie wegen der
künstlerischen Ruhe, die von ihm auf den Beschauer
ausgeht. — Das Schneebild findet sich begreiflicher-
weise häufiger unter den Schöpfungen dieser Nord-
landssöhne, und wenn es auch nicht immer so
wirkungsvoll erscheint, wie das oben erwähnte, so
sind doch die Arbeiten dieser Art durchweg von
grosser Feinheit der Stimmung. Da ist noch ein
Wintertag in Norrland' von Carl Johansson-Stock-
holm, bei dem die gut beobachtete und wiedergegebene
Beleuchtung auf dem verschneiten Boden und auf den
Baumwipfeln zu beachten ist, und das auch durch
virtuose technische Behandlung auffällt. Ein »Winter-
sonntag in Leksand in Dalekarlien« von Paul Oraf-
Stockholm zeugt ebenfalls von grosser Frische der
Naturbeobachtung, wenn auch eine gewisse Derbheit
nicht zu verkennen ist. In dieser Hinsicht ist der
»Wintertag« desselben Künstlers besser.

Winterstimmung, und zwar abendliche, bringt auch
— freilich auf andere Weise Michael Ancher-
Kopenhagen packend zum Ausdruck in seinem grossen
Bilde »Heimkehrende Fischer«. Die Charakteristik
der Gestalten, wie auch ihre Bewegung ist dem Künst-
ler geradezu grossartig gelungen. Nicht ganz auf
gleicher Höhe steht sein anderes grosses charakteristi-
sches Bild aus dem Fischerleben, »Im Laden des
Kaufmanns«, während ein einfaches kleines Interieur,
»Mädchen mit Sonnenblumen«, wieder sehr zu loben
ist. Auch Anna Ancher-Kopenhagen ist mit wert-
vollen Arbeiten vertreten. Ihr »Tischgebet« ist meister-
haft in der Schlichtheit und Innigkeit des Ausdruckes,
und »Eine blinde Frau in ihrer Stube«, in die durch
das kleine Fenster das volle Sonnenlicht strömt, ist
ein ergreifendes Bild.

In den Sälen der Schweden sind ebenfalls ein
paar Frauen mit ganz hervorragenden Werken zu
finden, in denen ein starker nationaler Klang zu spüren
ist. Ähnliche Vorzüge zeigt Charlotte Wahlström's-Stock-
holm »Abendsonne«, und ein überaus stimmungstiefes
Bild hat Gisela Hcnckel-Helsingborg gesandt, »Pferde
vor dem Pfluge«. Esgiebt Zeugnis von seltener Schärfe
der Beobachtung hinsichtlich der Bewegung der Tiere
und ausserdem von einer fast männlichen Kraft in
Farbe und Zeichnung, durch die etwas Monumentales
in das Werk kommt. —

Ein ausgezeichnetes Bild aus dem Tierleben ist
ferner »Erschrockene Pferde« von Hans Michael
Thcrkildsen-Kopenhugen. Diese beiden von einem
heranbrausenden Eisenbahnzuge aus ihrer Ruhe auf-
geschreckten Oäule, die nun in wilder Hast über die
Koppel sausen, auf der sie eben noch friedlich grasten,
sind wirklich unübertrefflich geschildert, und wer in
nordischer Ebene zu Hause ist, der wird sich auch
der tieferen Wirkung des Bildes nicht entziehen
können. — Viggo Pedersen-HlWeröd hat eine Anzahl
von Landschaften ausgestellt, die durchweg zu den
besten der dänischen Abteilung gehören. Seine Wasser-
mühle hat in den Tönen etwas Massiges und Bedeuten-
des; die Wiedergabe des leicht beweglichen Wassers aber
ist dem Maler, besonders soweit der Vordergrund in

Betracht kommt, nicht ganz gelungen. Viel wert-
voller ist das durch wunderschöne Abendstimmung
ausgezeichnete »Hinter dem Bauernhofe«, und das
kraftvoll-sonnige »Grosse Buchenbäume am offenen
Felde«. Noch höher steht das mächtige »Aufziehende
Gewitter«. — Etwas Idyllisches liegt in dem einen
weiten Blick übers Feld gewährenden einfachen Bilde
»Wiesenblumen«.

Sehr ungleichwertig sind Carl Locher's- Kopen-
hagen Arbeiten; während einige seiner Seestücke, wie
»Heimkehr«, recht schwach genannt werden müssen,
sind »Sommernacht« und vor allem »Frische Brise«
recht gute Arbeiten. Auch Carl Ludwig Jessen - Deez-
büll erscheint in einigen seiner zahlreichen Interieurs
aus Nordfriesland kalt und trocken, andere dagegen
sind höchst reizvoll durch die Feinheit und doch
Breite der Ausführung. Ebenso verdienen einzelne
seiner sehr charakteristischen Studienköpfe Beachtung.

Breite der Behandlung zeichnet in hohem Grade
aus die Interieurs von Fritz Syberg-Svmnige, unter
denen »Das Abendessen«, wie das grosse »In der
Todesstunde« auffallen. Einzelne Landschaftsstudien,
wie »September« und »Strichregen im Sommer« sind
vortrefflich; wie aber ist es möglich, dass derselbe
Künstler so durchaus reizlose Arbeiten, wie »Lack-
violen im Garten« und das Aquarell »Ein Ufer«
zu Stande gebracht hat? — Das weitaus beste aller
seiner Bilder ist jedenfalls »Schlafenszeit« mit der
warmen Beleuchtung von Bett und Tisch. —

Von allen Dänen hat Vilhelm Hammershöj-Kopen-
hagen die grösste Anzahl von Werken ausgestellt.
I Seine Landschaften, wie »Aus Frederiksborg« und
»Am Kanal« zeichnen sich aus durch weiche duftige
Töne und sehr malerische Behandlung; seine Porträts
fallen auf durch den eigentümlich farblosen Ton, den
der Künstler hier bevorzugt, so dass sie fast, wie,
allerdings sehr malerische, Zeichnungen wirken. Der
»Cellospieler« ist zweifellos eine seiner reifsten Ar-
beiten, auch einzelne seiner Interieurs, wie z. B. »Die
weisse Thür«, stehen sehr hoch. — Eins der aller-
besten Interieurs in der dänischen Abteilung ist übri-
gens Viggo Johannsen's - Kopenhagen »Das Tisch-
decken«, das besonders fesselt durch die Behandlung
der Farbenperspektive.

Wilhelm Smith - Karlshamn giebt eine eigentüm-
liche Beleuchtungsstudie in seinem stimmungsvollen
Nachtbilde »Aus Brügge«. Es ist sehr wirkungsvoll,
aber man fragt sich unwillkürlich, woher die rötliche
Beleuchtung auf den Gesichtern der beiden alten, einsam
' durch die Strassen wandelnden Frauen stammt. Für
eine Strassenlaterne erscheint sie etwas zu grell. Aber
ein sehr tüchtiger Maler ist es, der das gemalt hat;
dafür würde, wenn man es nicht schon aus diesem
Bilde sähe, sein anderes, »Der Gemüsemarkt in Brügge«,
ein Zeugnis sein. — Wenn nun noch hingewiesen
wird auf den stimmungsvollen »Mondaufgang« von
John Kindborg-Sigtuna., die Landschaften des kürzlich
bei Gelegenheit einer Schulte-Ausstellung schon er-
wähnten Olof Arborelius-Stockho\m und die trefflichen
Abend- oder Nachtstimmungen von Pelle Svedlund-
Stockholm, so dürfte das Bild der skandinavischen
 
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