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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Gensel, Walther: Die Neuordnung der Louvre-Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0237

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In der Salle des Primiüfs sind die Veränderungen
nicht ganz so gross. Vor allem vermissen wir hier
Perugino, Mantegna und die Ferraresen. Sie haben
den wundervollen frühen Italienern aus dem Vermächt-
nis der Baronin von Rothschild - vor allem dem
köstlichen Botticelli —, dem Bild mit den fünf Künst-
lerköpfen von Uccello und mehreren Bildnissen un-
bekannter Meister, die früher im Escalier Daru unter-
gebracht waren, Platz gemacht. In der Grande
Galerie finden wir rechts zunächst die Umbrier,
Ferraresen, älteren Bolognesen und einige Florentiner,
links die übrigen Florentiner, vor allem Signorelli,
Rossetti, Fra Bartolommeo und Andrea del Sarto,
dann die Lombarden von Borgognone bis zu Leonardo
und seinen Schülern. An diese schliessen sich in
Travee B in chronologischer Reihenfolge die Venezianer,
zuerst Mantegna, Bellini, Carpaccio, Cima u. s. w.,
dann Palma, Giorgione, Sebastiano del Piombo,
Moretto, endlich die wundervollen Folgen der Tizian,
Tintoretto und Veronese. Diese greifen auf die rechte
Seite hinüber, wo die Schule mit Tiepolo, Canaletto
und Ouardi ihren Abschluss findet. Es folgen
rechts noch Caracci, Guido Reni und einige andere
Bolognesen. Die kleine Travee C, die früher den ältesten
Franzosen eingeräumt war, unterbricht die Reihenfolge
etwas, sie enthält fast ausschliesslich Werke von
Raffael und Perugino. Die späten Italiener werden
in der ersten Hälfte der rechten Seite der Travee D
und dem anstossenden kleinen Saal IX zu Ende ge-
führt. In Saal X befinden sich, wie wir gleich vor-
annehmen wollen, die ältesten Franzosen bis zu
Foucquet, im Saal XI die Clouet, dann Cousin Freminet !
und die Schule von Fontainebleau. Der übrige Teil
der Travee D wird von den Spaniern, die jetzt fast
ausschliesslich in einer Reihe hängen und darum aus-
gezeichnet zu würdigen sind, den Engländern und
den Deutschen eingenommen. Im hintersten Abschnitt
der Grande Galerie finden wir den grössten Teil der
vlämischen Bilder, aber nicht in chronologischer Folge,
da, wie wir sehen werden, die ältesten in einigen der
neuen kleinen Kabinette untergebracht sind, rechts vor
allem van der Meulen und Pourbus, dann die wahr-
haft imposante Serie der Philippe de Champaigne
und zum Schlüsse Jordaens, links hauptsächlich
Breughel und Teniers, dann die weniger wichtigen
Bilder von Rubens und van Dyck.

Die Wirkung der neuen Säle ist ganz überraschend
günstig. Die meisten Besucher werden jetzt überhaupt
erst gewahr werden, wie beneidenswert reich der Louvre
an Meisterwerken der niederländischen Schulen ist.
Gleich der erste Saal, der van Dyck-Saal, macht einen
ungemein prächtigen Eindruck. Wo in der Welt
fände man wohl eine solche Anzahl vornehmster j
Porträts nebeneinander: von van Dyck der König
Karl I., die Bayernherzöge, der Feldmarschall de Mon-
cada, die Doppelbildnisse Mann und Kind und Dame
und Tochter, die Statthalterin Isabella von Rubens,
die Eltern der Maria von Medici, Baron Henri de
Vicq, von de Champaigne der Kardinal Richelieu, von
de Crayer das Reiterbildnis Ferdinand's von Österreich, j
Ausserdem enthält der Saal drei der grossen Rubens-

bilder, die Kreuzigung, die Skythenkönigin Thomyris
und das Turnier von Rubens und mehrere andere
Bilder von van Dyck. Von hier aus führen neun Stufen
hinab in die Rubensgalerle. Es hätte für den Architekten
nahe gelegen, sich an die Dekoration des Luxemburg-
saales anzulehnen, in dem sich die Bilder aus dem
Leben der Maria von Medici früher befanden, er
hat aber jeden Anklang vermieden. Die Architektur
lehnt sich nur im allgemeinen an den Stil der Zeit
an und ist sehr massvoll. Die Wände sind graubraun
getönt und sparsam mit Gold gehöht, die achtzehn
Bilder befinden sich in trefflich abgewogenen Ab-
ständen in goldenen Rahmen zwischen korinthischen
Pilastern. Jedenfalls ist die Dekoration wie das Ober-
licht des Saales den Farben äusserst günstig. Mancher,
der die grossen Bilder mit ihrer Mischung von derbem
Realismus und Allegorie nur aus Pflichtgefühl be-
wunderte, wird jetzt bekehrt werden. Um die Rubens-
galerie läuft nun ein etwa sechs Meter breiter Gang,
der vom Architekten in vierzehn kleinere Kabinette
und vier abgerundete Eckräume geteilt worden ist.
Jedes der Kabinette ist nach einem Meister benannt.
Im van Eyck-Zimmtr finden wir die Madonna des
Kanzlers Rollin zwischen den Werken von Memling
und van der Weyden, dann u. a. auch den vielum-
strittenen Hieronymus Bosch, der der Sammlung vor
zwei Jahren geschenkt worden ist. Das zweite Zimmer
enthält ausser den Werken des Antonis Mor vor
allem die Blinden von Breughel und das Waldfest
von van de Venne, das dritte ausser den Bildern von
Frans Hals die Porträts von Miereveit und zwei Bil-
| der von Honthorst, das vierte die Landschaften von
van Goyen und einigen anderen, das sechste ist fast
ausschliesslich den beiden Ostade eingeräumt. Den
Beschluss machen auf dieser Seite die beiden nach
Ruysdael und Hobbema benannten Kabinette, in denen
ausserdem die Bilder von Terborch, Metsu, van de
Velde, Potter und einigen anderen untergebracht sind.
In den Eckräumen hängen Bilder von Berchem, Wou-
werman, Lingelbach, van der Werff und anderen.
Jenseits macht das Jan Steen-Z\mmtr den Anfang,
das ausserdem die Netscher und die berühmten ehe-
mals im Salon Carre untergebrachten Interieurs von
Metsu und Terborch enthält. Es folgt das Cuyp-
Zimmer, dessen herrlichster Schatz vielleicht die
beiden Pieter van Hoogh sind und dann das 1. Rem-
brandt-Zimmer, in dem ausser zwei Selbstporträts,
der Zimmermannsfamilie, den beiden Philosophen und
dem Bildnis eines jungen Mannes aus dem Jahre 1658
sämtliche Bilder von Dou und mehrere Bilder von
I Rembrandt-Schülern hängen. Den Glanzpunkt bildet
entschieden das 2. Rembrandt-Zimmer. Es enthält
| neun Perlen, hinter dem Samariter zwischen dem
Tobias und den Jüngern von Emmaus, links den
< Matthäus zwischen dem ergreifenden Selbstbildnis im
vorgerückten Alter und der sogenannten Venus, rechts
ein Selbstporträt, das Bildnis eines alten Mannes und
den berühmten geschlachteten Ochsen. Die drei
letzten Kabinette sind den kleineren vlämischen Bil-
dern und den holländischen Bildern der Sammlung
La Caze eingeräumt, die nun endlich zur Geltung
 
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