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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Weisbach, Werner: Von der Pariser Weltausstellung: künstlerische Eindrücke
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Von der Pariser Weltausstellung.

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die Franzosen so recht in ihrem Element. Die >Doigts
de fee«, diese Oabe, eine Sache, oft mit geringen
Mitteln, so auszugestalten, dass sie in ihrer denkbar
wirksamsten Form zur Geltung kommt, sind dieser
Nation ja seit Alters eigen.

Der Trocadero nebst allen umliegenden Ausstellungs-
gebäuden ist der Kolonialabteilung eingeräumt. Die
Baulichkeiten sind hier zwischen den grossen Bäumen
versteckt, so dass man von keiner Stelle einen Ge-
samtüberblick über sie gewinnen kann. Der ganze
Komplex mit seinen hübschen Nachahmungen afrika-
nischer und asiatischer Häuser und Tempel würde,
wenn man ihn besser übersehen könnte, und alles
nicht so nahe aufeinander gerückt wäre, gewiss einen
recht pittoresken Eindruck machen. Besonders interessant
ist eine gut gelungene Nachahmung des alten Felsen-
tempels der Khmer in Cambodja, eines der ältesten
asiatischen Kulturvölker. Neben dem Trocadero hat
auch Russland, das in der Rue des Nations gar nicht
vertreten ist, seinen Kolonieen einen eigenen grossen
Palast errichtet.

Eine Stätte, die zum Genüsse reizendster alter
Kunst einladet, ist in der Nähe des Trocadero der
japanische Pavillon. Hier sind, zum grossen Teil aus
kaiserlichem Besitz, wunderbare Kunstwerke aus der
japanischen Vergangenheit ausgestellt. Im oberen
Stockwerk kann man eine gewählte Kollektion von
Malereien, teilweise in sehr früher Zeit entstanden, be-
wundern. Unten fesseln den Besucher Skulpturen in
Holz und Bronze, die herrlichsten Lack- und Perl-
mutterarbeiten, eine kleine, aber fein zusammengestellte
Kollektion von Fayencen, unter all diesen Gegen-
ständen wahre Wunder an Geschmack und technischer
Durchführung. Auf gleicher Höhe künstlerischer Voll-
endung stehen in ihrer Art die modernen japanischen
Webereien und Stickereien in der Gewebe-Abteilung
des Champ de Mars. In der üppigen Pracht ihres
Formenreichtums, ihrer feinen Stilisierung und ihrem
berauschenden Farbenzauber sind sie nahezu unerreicht.

Dass die Industriepaläste der Invalidenesplanade
für jeden Freund moderner Kunst die reichste An-
regung bieten, bedarf wohl kaum eines Hinweises.
Sie bilden die Hauptstätte für jeden, der sich über
das Kunstgewerbe orientieren will.

Unübertroffen steht Frankreich auf dem schon seit
lange von ihm kultivierten Gebiete der Keramik da. Es
zeigt eine schier unerschöpfliche Vielseitigkeit. Jeder
von den Meistern des Gres hat seine eigene Technik,
seine besonderen Farbenreize; Chaplet, Taile Doat,
Dalpeyrat, Delaherge, Clement Massier, Bigot, Lachenal,
Georges Hoendschel. Wir haben in Deutschland viel-
leicht drei diesen etwa an die Seite zu stellen, Mutz in Ham-
burg, Scharvogel in München und Läuger in Karls-
ruhe. Die staatliche Manufaktur in Sevres hat eine
bewundernswerte, in höchstem Masse abwechslungs-
reiche Ausstellung in Porzellan und Gres zusammen-
gebracht. Wir Deutsche müssen, wenn wir von dort
zu der mehr prunkhaften als geschmackvollen Aus-
stellung der Berliner Königlichen Porzellan-Manufaktur
unsere Schritte lenken, wohl etwas beschämt die
Augen senken. Dänemark ist durch die königliche

Fabrik in Kopenhagen und Bing & Gröndal auf's
würdigste vertreten. In der Glasindustrie ragen durch
ihre vornehme Eigenart wie stets die Arbeiten von
Emile Galle und unserem trefflichen Radierer Karl
Koepping hervor. Das Haus Tiffany in New-York
zeigt, dass es auf diesem Gebiete, was künstlerische
Qualität betrifft, weit Hervorragenderes leistet als in
der Goldschmiedekunst.

Das Beste, was das französische Kunstgewerbe in
den letzten Jahren hervorgebracht, ist in dem Pavillon
der Union des Arts decoratifs vereinigt, der von dem
Architekten Georges Hoendschel erbaut und von
Besnard mit einem prachtvollen dekorativen Wand-
gemälde ausgestattet ist. Hier findet man eine vor-
treffliche Auswahl von Gefässen und Luxusgegen-
ständen aller Art, die das moderne französische Kunst-
gewerbe auf seiner vollen Höhe zeigen. In der
Emailtechnik, sowie in der Fassung von Edelsteinen
steht Frankreich noch immer an der Spitze. Zu wie
ausserordentlichen, oft geradezu märchenhaften Wir-
kungen die Verbindung von edlen Metallen, Emaillen
und Steinen bei der Ausführung von Geschmeide
gesteigert werden kann, dafür legen die in diesem
Pavillon und in einer eigenen Vitrine der Orfeverie-
Abteilung ausgestellten Schmuckstücke von Rene La-
lique das beredteste Zeugnis ab. Werke des zu jener
Zeit noch wenig bekannten Künstlers waren mir zum
erstenmal auf der Brüsseler Weltausstellung im Jahre
1896 entgegengetreten, und ich hatte damals schon
die Empfindung, einer höchst eigenartigen, bedeuten-
den Persönlichkeit gegenüberzustehen. Diesmal bildet
die Vitrine Lalique's einen »Clou« der Ausstellung. Er
überragt dadurch alle seine Kollegen, dass jede seiner
Arbeiten als ein organisches Kunstwerk erscheint, als
die unmittelbare Verwirklichung einer künstlerischen
Idee, die für das zur Ausführung benutzte Material
bis ins kleinste Detail erdacht ist. Keine Mühe in
der Behandlung des Materials scheint vorhanden. In
jedem Stück glaubt man den schöpferischen Funken
I des Meisters zu spüren.

Einige der bedeutenden Keramisten haben, ausser
j auf ihren eigenen Plätzen besonders hervorragende ältere
I Stücke auch bei der Union des Arts decoratifs aus-
gestellt. Die hier gleichfalls vertretenen Silberarbeiten
von Cardeilhac werden den Kunstfreund sicherlich
veranlassen, dem besonderen Ausstellungsraum dieser
Firma in der Orfevrerie-Abteilung seine Aufmerksam-
keit zuzuwenden. Er wird dort höchst reizvolle
Gegenstände für den Tisch und den täglichen Ge-
brauch finden, mit neuen, der Silbertechnik durchaus
entsprechenden Mustern, teilweise eine äusserst eigen-
artige Zusammenstellung von Silber, und getöntem
Elfenbein.

Doch es ist nicht möglich, auf alles Einzelne ein-
zugehen. Es sei nur noch gestattet, den Liebhaber
von gewebten Stoffen auf die schwedische und nor-
wegische Abteilung zu verweisen, wo namentlich
Arbeiten von Frida Hansen durch ihre feine Farben-
wahl und musterhafte technische Ausführung die Be-
wunderung herausfordern. Die französische Manu-
facture des Gobelins hat nach einem phantasievollen,
 
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