Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Rée, Paul Johannes: Nürnberger Künstlerbrief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
123

Nürnberger Künstlerbrief

124

überhaupt der untere Teil besser als der hochragende
Sockel mit der mächtigen Gestalt des Neptun. An
ihr ist alles Pose und Manier. Sehr eigentümlich
ist die uns von Andreas Gulden, dem Fortsetzer Neu-
dörfels, überlieferte Thatsache, dass Schweigger und
Ritter »alle Bilder auf den Brunnen zu Augsburg
und Salzburg auf ihrer beschehenen Umreise falsch
befunden hätten«. Wir wissen ja nicht genau, was
sie mit dem Worte falsch- haben besagen wollen,
wenn auch der nachfolgende Satz uns verrät, dass
sie am Salzburger Brunnen die Ausführung aus rotem
Marmor als Mangel empfanden, denn »dem Stein
fehlt eben die Perspektive, dass man ihn nicht wie
das Metall formieren und überschneiden kann . Wahr-
scheinlich passte ihnen die ganze künstlerische Rich-
tung nicht. Etwas besseres zu schaffen, was sie
zweifellos vorhatten, dazu fehlte aber nicht nur ihnen,
sondern überhaupt der damaligen Kunst die Kraft.
Dass Schweigger ein trefflicher Modelleur und tüch-
tiger Meister war, davon zeugt sein Schwanhardt'sches
Epitaph auf dem Johannisfriedhofe, monumentalen
Aufgaben wie der hier von ihm geforderten, war er
aber nicht gewachsen. Es fehlt dem Werk die grosse
Linie und der organische Zusammenschluss der ein-
zelnen Teile. — Die von vielen gehegte Befürchtung,
dass der Neptunbrunnen den »Schönen Brunnen<
beeinträchtigen würde, hat sich als nicht stichhaltig
erwiesen. Die Entfernung beider voneinander ist da-
für zu gross. Nach Süden hin, über die Mitte des
Marktes hinausgerückt, ist die Aufstellung des Neptun-
brunnens zugleich eine solche, dass die Front der
Frauenkirche ganz frei geblieben ist. — An Stelle
des alten »Schönen Brunnens«, der vollständig ver-
wittert ist, wird demnächst ein völlig neuer treten.
Die Arbeiten dazu sind jetzt nahezu vollendet. Den
noch am Platze stehenden Rest des alten Brunnens
hat man gelegentlich der Jubiläumsfeierlichkeiten des
Germanischen Museums zu Polychromierungsversuchen
benutzt, bei denen der wohlerhaltene farbige Aufriss
von Georg Penz als Anhaltspunkt gedient hat. Noch
steht die Frage, ob der neue »Schöne Brunnen< den
Farbenschmuck von einst bekommen soll, offen. Zu
wünschen wäre es, denn so erst enthüllt das Werk
seinen ganzen Zauber. — Interessante Reste von
Wandmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts — neu-
testamentliche Darstellungen und Heiligengestalten
sind bei der im Laufe dieses Jahres vorgenommenen
gründlichen Restaurierung der Heilig-Geistkirche zu
Tage getreten, ebenso hat man solche in dem an das
Chörlein des Sebalder Pfarrhofes anstossenden Zimmer
und in der Moritzkapelle aufgedeckt. Das stark ver-
witterte Chörlein ist in das Germanische Museum
übertragen und durch eine unter Leitung von Professor
Josef Schmitz ausgeführte stilechte Wiederholung ersetzt
worden.

Stand Nürnberg fast durch das ganze 19. Jahr-
hundert im Banne der alten Kunst und schien es
ausgeschlossen, dass hier je eine andere als die auf
historische Treue zielende retrospektive Kunst ge-
pflegt werden würde, so mehren sich die Anzeichen
dafür, dass auch die dem Geiste unserer Zeit er-

I wachsende neue Kunst hier eine Pfleg- und Heim-
stätte gefunden hat. Die vor Monatsfrist eröffnete
Austeilung des Nürnberger Dürerbundes zeigt dies
auf das deutlichste. Der Dürerbund ist im vergangenen
Jahre von einer Gruppe Nürnberger Künstler ge-x
gründet worden und bezweckt, in jährlich wieder-
kehrenden Ausstellungen von dem künstlerischen

| Leben der Stadt Zeugnis abzulegen.

Zu den Hauptmeistern dieser Künstlergruppe ge-
hört der durch seine Radierungen rühmlichst bekannte
Professor Ludwig Kühn, der in neuerer Zeit als Maler
und Künstlerlithograph die heimische Landschaft pflegt
und damit einer Reihe jüngeren Nürnberger Künstlern
den Anstoss zur Pflege der Heiniatskunst gegeben
hat. Von ihr verspreche ich mir viel für die Weiter-
entwickelung der Nürnberger Kunst. Die Schönheit,
welche die alte Stadt mit ihrer Umgebung bietet, ist
unerschöpflich. Jede Generation findet darin wieder
Neues. Noch harrt die Stadt des Meisters, der ihre
malerische Schönheit ohne Romantik schildert, so wie

I das moderne Auge sie sieht. Erfreuliche Ansätze
dazu bietet die Ausstellung. — Im Verein mit dem
Dürerhund haben die unter der Parole »Nürnberger
Handwerkskunst« thätigen Kunsthandwerker Nürnbergs
die Ausstellung beschickt, der Mehrzahl nach mit
Arbeiten, die aus den vom Direktor des Bayerischen
Gewerbemuseums, Oberbaurat von Kramer, ins Leben
gerufenen kunstgewerblichen Meisterkursen stammen.
Diese Meisterkurse, deren bis jetzt zwei vierwöchent-
liche unter Leitung des Professors Behrens aus Darm-
stadt abgehalten worden sind, haben sich als unge-
mein heilsam und segensreich erwiesen. Nicht nur
haben sie die tüchtigen kunsthandwerklichen Kräfte
aus der bis dahin gepflegten historischen Schaffens-
weise in gesunde zeitgemässe Bahnen gelenkt, sondern,
und das ist das Wichtigste, durch diese Kurse sind
jene bewahrt geblieben vor jener unkünstlerischen
und stilwidrigen Pseudomodernität, welche unter dem
Namen Jugendstil auf allen Gebieten des Kunsthand-
werkes ihr unkünstlerisches Wesen treibt. So ist die
Ausstellung von grossem kunstpädagogischen Interesse
und verdient deshalb die Beachtung aller, welche vor
die Lösung der Frage gestellt sind, wie dem Un-
geschmack in unseren Tagen zu steuern sei. Das
1 lauptstück ist eine aus Stahl und Bronze ausgeführte
Schmuckkassette, die ich als Musterbeispiel einer guten
modernen Arbeit bezeichnen möchte und die als
solche in vielen Exemplaren verbreitet zu werden
verdiente. In Verbindung mit den kunstgewerblichen
Meisterkursen, deren nächster von Riemerschmid aus
München geleitet werden wird, hat das Bayerische
Gewerbemuseum die Einrichtung getroffen, dass die
guten Arbeiten der Nürnberger Handwerkskunst
dauernd zur Schau und zum Verkauf ausgestellt
werden. Es geschieht dies nicht im Museum, sondern
in einem für sich bestehenden Laden, der zum Mu-

i seum nur so weit in Beziehung steht, dass sich der

I Inhaber verpflichtet hat, nur Arbeiten der Nürnberger
Handwerkskunst zu führen, und zwar nur solche, die

! vom Museum begutachtet und von diesem mit einer
Schaumarke versehen worden sind. So dient dieser
 
Annotationen