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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Gümbel, Albert: Agnes Dürerin und ihre Stipendienstiftung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0075

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1 27

Agnes Dürerin und ihre Stipendien-Stiftung

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des bereits in die Volkstradition übergegangenen und
selbst von ernsten Forschern bis in die neuere Zeit
festgehaltenen Bildes eines zanksüchtigen und geld-
gierigen Weibes eine Frau kennen lernte, die schlicht
und recht ihre häuslichen und verwandtschaftlichen
Pflichten nach guter Bürgerart erfüllte und schliesslich
durch ihre letztwillige Stipendienstiftung für Studenten
der Gottesgelehrtheit ein Zeugnis ihres religiösen
Sinnes und eines über die nächsten Interessen hinaus-
sehenden Geistes ablegte, hat die jüngere Dürer-
forschung dieser Charakteristik keinen neuen Zug
angefügt. Thausing stützt sich bei seiner Darstellung
auf die Briefe aus Venedig vom Jahre 1506, das
Tagebuch der niederländischen Reise, Notizen bei
Scheurl und Neudörfer und nicht zum letzten auf die
Bilder der Frau Agnes von des Meisters Hand, die alles
andere als Abscheu vor seinem bösen Weibe verraten1).

Diesen älteren Beweisstücken reiht sich nun in
glücklicher Weise ein erst neuerdings zum Vorschein
gekommenes Schriftstück an, das vielleicht noch reiner
als jene den verständigen und frommen Sinn der
Lebensgefährtin Dürer's wiederspiegelt, weil sie darin
selbst zu Worte kommt, ich meine ein im Königlichen
Kreisarchive Nürnberg befindliches, bisher noch nicht
zur Veröffentlichung gelangtes, eben jene Stipendien-
stiftung betreffendes Fragment des Testamentes der
Agnes Dürerin.

Es bildet die Anlage zu einem Eintrag in ein
»Ewiggelt Buch, Libro nono genannt« der Reichs-
stadt Nürnberg über den von Meister Albrecht im
Jahre 1524 vorgenommenen Kauf von 50 Gulden
Ewiggeldes aus der Losungsstube-), mit welcher, erb-
weise auf sie gekommenen und 1534 auf 40 Gulden
herabgesetzten Rente seine Ehefrau das Stipendium
letztwillig dotierte. Dieser Eintrag (auf Folio 384)
lautet folgendermassen:

»Albrecht Dürer, vnnser Burger, hat mit 1000
Gulden landsswerung von uns in sein ainshanndt er-
entziehen«. Buchner's Polemik im Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit, 1870, Nr. 12 gegen die Thausing'sche
»Rettung« sucht neues Material und zwar zu Ungunsten
Frau Agnes' aus dem Dürerischen Bericht über seine Mutter
(Lange und Fuhse, Dürer's Nachlass, Seite 15) zu gewinnen,
indem die Bemerkung, dass sie viel Unbill im Leben er-
fahren habe »kurzweg« auf ihre Schwiegertochter bezogen
wird. Das ist eine willkürliche Annahme, doch liesse sich
hierüber eventuell streiten, ganz entschieden aber muss
Verwahrung dagegen eingelegt werden, dass sich in jenem
wenig hoffähigen Passus aus dem letzten Dürer'schen
Briefe aus Venedig an Pirkheimer (Lange und Fuhse, Seite
40, Zeile 8 v. o.) Gleichgültigkeit, ja rohe Oesinnung Dürer's
gegen seine Lebensgefährtin dokumentiere. Es ist ein
derbes Scherzwort, in überschäumender Lebenslust zwischen
Männern gewechselt, nichts weiter. Gerade dieser letzte,
von dem Meister, wie er selbst sagt, in »guter Froligkeit«
geschriebene Brief sprüht von keckem Humor, derber Aus-
gelassenheit und schalkhafter Verspottung des hochgelahrten
Freundes.

1) Vergl. hierzu auch die hübsche Beobachtung von
Weber im Rep. f. Kw. Bd. 23 (Frau Agnes auf dem Rosen-
kranzbild!).

2) Diese war die Centralstelle für die städtische Finanz-
verwaltung.

kauft 50 gülden gmainer landsswerung ewigsgelts,
ye ein pro 20 Gulden1), geben losung vnd Steuer,
ze zalen In forma Antreten me[dia] so[lutione]
Walburgis schierst. Act. 2 a post Galli (=17. Oktober)
Anno 1524. Habet literam2). Nota: Nach Absterben
obgemelts Albrechten Durers selig, sind dise 50 Gulden
ewigsgelts auf Agnes, sein gelassne Wittib, gevallen
vnd auf solch ir ankommen haben wir ir dieselben
50 Gulden ewiggelts mit 1000 Gulden, als die haubt-
summa, yetzo Martini diss 1534 Jars abzelosen ver-
kündet, darauf hat sie sich bewilligt für solch 50
Gulden hinfuro 40 Gulden ewigsgeltz ze nemen,
Also das ein yeder gülden nun hinfuro vmb 25 Gul-
den abzelosen stet; das ist ir pey den losungherren
also zugelassen, darauf hat sie den alten brief, auf
iren hawsswirt selig, lautende, geantwurt; der ist
abgethan vnd [haben wir] ir einen newen brief, in
ir ainsshanndt lautende, pro 40 Gulden gegeben de
dato Sabbato post Leonhardi (= 7. November) Anno
1534. Habet literam. Nota dise 40 Gulden sind
nach irem, der Durerin, vnd Katherina Zynerin ab-
sterben zu einem stipendio gewendt innhalt desselben
besondern stifft puchleins etc. Actum 3 ad[i]:!) 24. May
Anno 1547«.

Mit Beziehung auf den letzteren Vermerk wurde
nun, wie öfters in jenem Ewiggeldregister, dem Ein-
trage eine Abschrift der betreffenden Bestimmungen
aus dem Testamente beigelegt.

Die Überschrift dieser Anlage lautet: »Artickel
auss Agnes Albrecht Dürers Wittib seligen Testament
gezogen, das Stipendium, so sy darinnen verordent
I belanngende«. Es folgen sodann der unten wieder-
gegebene Text und am Schlüsse der Vermerk:
Söllich der Durerin Testament ist nach dem form
vnndter gemainer Stat Nürmberg anhanngenden Inn-
sigel aussganngen. Act. Dinstag nach dem heyligen
Christag im 1540 Jar«.

Lassen wir nun Frau Agnes das Wort! Die Be-
stimmungen des Testamentes lauten:

»Nachdem aber ich viertzigk guidein ewigs gelts
an goldt auff meiner Herrn Losungstuben hab, die"
ich von meinem Hausswirt Albrecht Dürer seligen
ererbt hab, die mit Tausennt guidein an goldt er-
kaufft seind, ist mein letzster will, das mein freunt-
liche liebe Schwester, Katherina Martin Zynerin, nach
j meinem tod vnnd abganng dieselbigen in der ab-
nutzung ir lebenlanng jerlich einnemen soll, aber
nach irem tod vnnd abganng, so sollen solliche 40
Gulden ewigs gelts an gold fünff Jar lanng nach-
einannder einem frummen Studenten, der ains Hanndt-
wercks Mans Sun sey vnnd der auch Burgers Sun
I sey vnnd der zuvor vier Jar lanng vngeverlich in
den freyen künsten gestudirt hab vnnd füran in der
Heyligen schryfft studiren wöll, verlihen werde[n],

1) Dürer erbat sich diesen Zinsfuss von 5 Prozent als
eine besondere Vergünstigung. Sein Brief an den Rat
(undatiert) bei Lange und Fuhse, Seite 62.

2) Diese Bemerkung über die Aushändigung der Schuld-
urkunde ist mit Bezug auf das Folgende wieder gestrichen.

3) Italienisch, auch in Privatbriefen jener Zeit häufig
| gebraucht für »am Tag«.
 
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