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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0094

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Vom Kunstmarkt

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bouillet (48 Kilonieter von Paris) minutiös nachschnitzen
lassen, desgleichen Sigmund Jaray das »petit cabinet« Lud-
wig's XIV. in Versailles, mit reizend erfundenen, Handel
und Wissenschaft durch allerlei Gerät symbolisierenden
Bordüren, Rahmungen, Friesen (nach eigens genommenen
Gipsabgüssen). Schönthaler hat eine prächtige Bibliothek
im Barock Maria Theresia's (Nuss, mit Esche, Palisander,
und Kirsch eingelegt) ausgeführt, die schon in London
Beifall gefunden. Und so fort. Die modernen Interieurs
sind vorwiegend altenglisch (Eichenholz, in viereckiges
Rahmenwerk aufgelöst) oder Louis XV., Louis XVI. mit
neumodischem Einschlag. Unter den Einzelmöbeln findet
sich manches vortreffliche Stück und von unglaublicher
Billigkeit, daher denn auch London auf den Ausstellungen
des Museums fleissig einkauft. Mancher neue Einfall
kommt dabei vor. So hat Fachschullehrer Jelinek in Horzic
eine neue Plastokaustik für Holzdekor erfunden. Er model-
liert in einer eigenen, patentierten Pasta das Ornament und
übergiesst es mit Säure, die das Holz je nach der Dicke
der stehengebliebenen Pasta angreift. Grünspan in Bielitz
hat die gute Idee gehabt, alte Polengürtel in Goldbrokat
aus dem 17. Jahrhundert nachzuarbeiten, was ein reiz-
volles Produkt giebt. Einzelne Tischler (Quittner, Knob-
loch) bringen an Möbeln das Messing in aller Blankheit
mit pikanter Wirkung zur Geltung. Die Fachschulen sind
stark vorwärts gekommen. Die zu Teplitz giebt ihrem
Steingut immer interessantere Nüancen und stilisierte Natur-
ormen. Cortina entwickelt seine Holzintarsia immer
witziger; z. B. indem es die Maserung verschiedener
Hölzer koloristisch bei Blumen- und Früchtendekor mit-
wirken lässt. Grossen Beifall finden die modernen be-
druckten Kattune der Gebrüder Rosenthal in Hohenembs
(Vorarlberg), die eine ganze Wand bedecken und in Farbe
und Muster so verführerisch sind, dass man sich beinahe
wieder die grossen bunten Taschentücher der Schnupf-
tabaksära zurückwünscht. In Prag hat Anyz eine sehr
leistungsfähige Werkstatt für Metallsachen und anderes er-
richtet, in der es so ungefähr ashbeeisch hergeht. Schliess-
lich ist die Wiener Spitze nach wie vor sehr hervorragend
und neuestens ist infolge eines grösseren Auftrages der
Erzherzogin Maira Theresia auch die gehäkelte irische
Spitze aufgenommen worden. Sie beschäftigt bereits an die
fünfzig Mädchen und findet viel Anklang. — Abseits des
Museums ist eine interessante Neuigkeit der Porzellanwelt
zu melden. Die Firma Wahliss hat das Altwiener Porzellan
wieder belebt, das seit der Auflösung der berühmten
kaiserlichen Fabrik im Jahre 1864 und durch allerlei Nach-
ahmungen (die besten von Moritz Fischer von Herend)
von Zeit zu Zeit an sich erinnert hat. Die Originalmodelle
der Fabrik !sind teils dem Österreichischen Museum zu-
gefallen, teils von dem Keramiker De Cenda in Wiener-
Neustadt erworben worden. Dieser gedachte sich auf das
Porzellan zu verlegen, begnügte sich aber mit wenigen
Reproduktionen in einer roten Terrakottamasse. Nun hat
Wahliss diesen Neustädter Modellschatz, etwa 500 Stück,
erworben und seit anderthalb Jahren emsig verarbeitet, so
dass er einstweilen fast nach jedem Modell wenigstens
ein Exemplar in Porzellan aufzuweisen hat. Man sieht
da vor allem viele Arbeiten Anton Grassi's (f 1807), des
hochbegabten Modellmeisters in der glänzenden Baron
Sorgenthal'schen Epoche der Fabrik (1789—1805). Sie sind
mythologisches Empire, das Nackte ganz vorzüglich, die
Draperie klassizistisch. Grassi führte namentlich das weisse
Biskuit ein, das an Marmor erinnern sollte, aber bei Wahliss
ist meist die schöne Glasur und eine feine blasse Farben-
gebung bevorzugt. Die Objekte wirken dadurch noch
liebenswürdiger. Nicht uninterressant ist eine Vergleichung
der Preise. In den alten Preislisten findet sich etwa eine

| grosse Jardiniere mit vier Figuren, in weissem Biskuit mit

! Vergoldungen, mit 800 Gulden angeführt; heute kostet sie
in Farben und Glasur nur 600. Echt altwienerisch putzig
und naiv spasshaft sind gewisse mythologisierende Genre-
gruppen, z. B. wenn Mädchen (immer im obligaten
Decollete) um Herzen würfeln, die blutrot wie Tomaten
im Korbe dabeistehen, oder gar das »Fass voll Kinder«,
wo thatsächlich ein grosses Fass voll rosiger Babies das
Interesse zweier Nymphlein erregt. Das Thema »wer kauft
Liebesgötter?« kommt in ähnlich drolligen Varianten vor.
Auch die berühmten weissen Biskuitbüsten der Fabrik
werden wieder gemacht. Ihr Hauptmeister war der alte
Elias Hütter (geboren 1775), dem zwischen 1810 und 1826

j die ganze kaiserliche Familie zu diesem Zwecke sass. Die
lebensgrosse Büste Josefs II. ist ein Hauptstück, dann die
meterhohe Statuette des Sieges von Aspern, in Uniform,
eine ungemein charakteristische Arbeit. Sehr interessant
ist ferner eine Reihe von über 170 Typen der österreichi-
schen Armee, von 1600 bis 1848, in welchem Jahre sie mit
einem vorzüglichen Porträtfigürchen des achtzehnjährigen
Kaisers Franz Josef schliesst. Diese spannenlangen Por-

! zellanfiguren in ihren genau gegebenen keckfarbigen Trach-
ten und Uniformen bilden eine gar niedliche Armee von
Liliputanern. Es sind auch viele Porträts darunter: Wallen-

I stein, Tilly, Daun, Laudon, Erzherzog Karl, Radetzky u. s. f.
Da all dies nach den Original-Negativmodellen gearbeitet
ist, darf es als authentisches neu-altwiener Porzellan gelten.

Ludwig Hevesi

VOM KUNSTMARKT

Wien. In der letzten Novemberwoche wurde im
Versteigerungsamte die gräflich Brunsvik'sche Galerie unter
den Hammer gebracht. Der Hauptstock der Galerie ist
von den ungarischen Grafen Räday in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts und im ersten Viertel des 19. Jahr-
hunderts gesammelt worden. In den dreissiger Jahren
ging sie an die Brunsviks über, aus deren Besitz sie erst
ganz vor kurzem an die Wiener Baumeister Holzmann
und Schwedianer gelangte. Die Galerie war so lange
schier unbemerkt geblieben, als sie auf ungarischen Land-
gütern versteckt war. Erst im Laufe der jüngsten Jahre,
nachdem die Sammlung in das Schloss Sommerau bei
Spital am Semmering gebracht worden war, wurde sie
wenigstens einem kleinen Kreise von Händlern und Kunst-
freunden bekannt. Bei der Versteigerung sind unter
anderem folgende Preise erzielt worden, die hier ohne
Berechnung des Zuschlages angeführt werden: Nr. 1.
Th. v. Abshoven 405 Kronen. — Nr. 18. Holländische
Marine aus der Nähe des J. A. Bellevois (vielleicht
J. Percelles) 500. — Nr. 26. L. Boilly, ein fein gestimmtes,
überaus sorgfältig durchgebildetes Sittenbildchen, das
Rendez-vous, 6100. — Nr. 39. Dem Q. Brekelenkam zuge-
schrieben (etwas beschmutzt, aber sonst gut erhalten)
700. — Nr. 41 und 42. Bauernbrustbilder von Adriaen
Brouwer 2100 und 910. — Nr. 44. Jan Brueghel I., Paradies
goo. — Nr. 45. Peeter Brueghel IL, Räuberischer Überfall
700. — Nr. 48. Dem Cantarini zugeschrieben, Halbfigur
des heiligen Sebastian 640. — Nr. 54. Ein stark übermalter
Cima da Conegliano (kleine Heiligenfigur) 700. — Nr. 94.
Vermutlich Frangois Duchastel, Scene in einem Atelier
1550. — Nr. 95 bis 97. Drei gute Cornelis Dusaert um
730, 760 und 610. — Nr. 128. Interessantes Bildnis der
Marguerite de Valois von einem französischen Meister
aus der Gruppe des Jean Clouet 3700. — Nr. 130. Halb-
figur des Marechal de Rieux von einem interessanten
Franzosen aus der Nähe des Pseudo-Amberger 5000. —
Nr. 135. Ein guter signierter Jan Fyt 2900. — Nr. 139.
 
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