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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0099

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175

Personalien — Archäologisches

an Antikes in Gefässen, Statuen, Fassaden von Gebäuden
auf. Antike Allegorien begegnen. (Gerade hier miisste
einmal der Besitz des Mittelalters an antikem Gut fest-
gestellt werden, um unterscheiden zu können zwischen
diesem Ererbten und dem in der Renaissancezeit neu Er-
worbenen.) Die »Künstler des Lebens« stehen kaum
anders; Masaccio und Castagno verwenden antike Archi-
tekturmotive. In der kirchlichen Malerei zeigt Fra Angelico
in Florenz wenig (»keine« ist wohl zu viel behauptet), in
Rom dagegen zahlreiche Spuren der Antike. Von den
»Erzählern« giebt Fra Filippo Lippi noch am meisten An-
tikes in den Bildern in Prato, während Benozzo Gozzoli
gern seine Kenntnisse zur Schau stellt. In der Scene
»Augustin lehrt in Rom« hat für das eine Medaillon eine
Büste des Maximinus Thrax als Vorbild gedient. Für die
Pollajuoli und Verrocchio wird Mantegna's Einfluss in Form
und Inhalt (Herkules) bestimmend. Verrocchio studiert
auch die antike Gewandbehandlung. Während bei ihnen
die antike Architektur zurücktritt, erscheint sie zuerst bei
den »Konservativen«: Lor. di Credi, Raffaellino del Garbo,
Cosimo Rosseiii. Filippino und Ghirlandajo dagegen sind
direkt Altertumsforscher, während Botticelli antike Ideen
frei fortbildet, Centauren und Satyre führt er wieder ein.
Die Flora, der Mercur, die drei Hören gehen wohl auf An-
tikes zurück, wohl auch die Venus, deren Vorbild schon
Giovanni Pisano gekannt haben muss. In der Verläum-
dung ist nur die Wahrheit auf Antikes zurückzuführen.
Für Piero di Cosimo ist die klassische Sagenwelt nur
Sprungbrett für seine eigene Traumphantasie. — Der Ein-
fluss der Antike auf das Florentiner Quattrocento ist nur
gering. Man sieht zu sehr mit eigenen Augen. Die Arbeit
will nur als Einleitung betrachtet werden und ist an neuen
Ergebnissen nicht eben reich, aber anregend geschrieben.

K. S.

PERSONALIEN
Den Vorsitz in der leitenden Kommission für die
grosse Berliner Kunstausstellung führen die Professoren
Artur Kampf und Kallmorgen.

ARCHÄOLOGISCHES
Zum Parthenonfries und zum betenden Knaben.

Die Wünschelrute, ohne die auch die wissenschaftlichste
Archäologie bei Ausgrabungen oft auf taubes Gestein
stösst, hat in England wieder zu einem merkwürdigen
Funde geführt. Auf einem Landsitz in Essex, der um die
Mitte des 18. Jahrhunderts Thomas Astle, einem Trustee
des British Museum, gehört hatte, wurde aus der Erde
bei einem künstlichen Felsenwerk ein Stück des Nord-
frieses vom Parthenon ausgegraben, das einen Teil einer
Tafel ergänzt, die zu den Elgin Marbles, d. h. den von
Lord Elgin 1801/1802 nach England entführten Parthenon-
skulpturen, gehört. Wie der berühmte Archäologe A. S.
Murray in einem im »Royal Institute of British Architects«
am 17. November gehaltenen Vortrage, der jetzt im »Journal«
dieser angesehenen Körperschaft vorliegt, erklärte, ist das
Stück vermutlich in der grossen Pulverexplosion des Jahres
1687 abgesprungen und mit anderen Antiquitäten, worunter
auch ein Fragment einer bekannten Inschrift (Boeckh,
C. J. Gr. 166; bezieht sich auf die Schlacht bei Tanagra
457 v- Chr.), durch den Archäologen Stuart nach England
verbracht worden. Dies warum 1750 geschehen; und ehe
das Fragment vom Parthenonfries auf irgend eine Weise
unter die Erde in Essex geriet, muss es nach den Ver-
witterungsspuren, die sich z. B. auch in durch den Regen
gezogenen Rinnen äussern, den Unbilden des englischen j
Klimas längere Zeit ausgesetzt gewesen sein. Das Stück j

ergänzt den Reiter, der bei Michaelis (der Parthenon) die
Nummer 110 auf der dreizehnten Tafel trägt (XXXV und
XXXVI). Dieser Reiter ist gerade vor einem Nackten
dargestellt; und auch sein nackter Arm kontrastiert vor-
trefflich zu den vom Winde aufgeblasenen Falten derChlamys,
die er trägt, und die mit einigen tiefen Schatten einen
bewegten Hintergrund bildet. Murray fügt in seinem Vor-
trage noch einige Bemerkungen bei, wie der Südfries des
Parthenon als Ganzes eine bei weitem weniger sorgsame
Ausführung gefunden hat, als der Nordfries, zu dem das
jetzt in England ausgegrabene Stück gehört, und die West-
und Ostseite gefunden haben, weil zwischen der Südseite
und der Burgmauer sonst nichts mehr zu sehen war,
während die vielfachen Herrlichkeiten, welche die Akro-
polis auf den anderen Seiten des Parthenon noch schmückten,
auf diese hauptsächlich zahllose Besucher und Beschauer
zogen. Auch macht Murray auf die Willkürlichkeit auf-
merksam, mit der die ausführenden Künstler, um die
Gleichmässigkeit zu vermeiden, mit den Rossschweifen
umgegangen sind. —

Ein interessanter Aufsatz von Augi st Mau in dem so-
eben erschienenen reichhaltigen zweiten Heftder»Römischen
Mitteilungen des Kaiserlich deutschen Archäologischen In-
stituts« kommt auf eine schon früher aufgekommene Deutung
des sogenannten »betenden Knaben« im Berliner Museum
zurück, deren Priorität der Pompejaner Forscher unserem
deutschen Dichter Wilhelm Raabe zugesteht, der in seinem
köstlichen Hungerpastor zuerst gesagt hat: »Da ist ein
anbetender Knabe, von dem ich glaube, dass er seinen
Ball wieder finden will«. Voraussetzung für die Deutung
der herrlichen Berliner Bronze als eines Auffangenden,
ruhig und sicher nach dem zufliegenden Ball Blickenden
ist die schon längst geschehene (richtige) Ergänzung, die
Mau auf Grund technischer und anatomischer Verhältnisse
anerkennt. Denn der Gebetgestus der Alten, wie wir ihn
aus der schriftlichen und bildlichen Tradition kennen, würde
verlangen, dass apotropäisch die Innenfläche der rechten
Hand oder seltener der beiden Hände dem Götterbilde
oder dem Himmel (?) zugewandt sind. Aber über die
richtige Ergänzung wird man ja zweierlei Ansicht sein
dürfen, und die Möglichkeit, dass die Hände in dem be-
kannten Gebetgestus hätten ergänzt werden müssen, so
dass des Boedas Meisterwerk doch in der Bronze zu sehen
ist, wird auch ihre Verteidiger behalten. Nichtsdestoweniger
wird die Deutung Mau's für einen Fangball (pila) spielenden,
möglicherweise mit einem Gegenstück zusammen als Weihe-
geschenk oder Genrebild aufgestellten Knaben durch die
Autorität seines Namens und seine treffenden Deduktionen
zahlreiche Anhänger finden. m.

Vom olympischen Zeus des Phidias. Ein Beitrag
Ad. Furtwängler's zu den Melanges Perrot, der Festgabe
für den französischen Archäologen Perrot, bringt ver-
schiedenes Interessante und Neue zum Zeus des Phidias.
Zunächst tritt der Münchner Gelehrte mit Bestimmtheit
für die Datierung nach der Parthenos, also für die Jahre
nach der um 438 vor Chr. geschehenen Verbannung des
Phidias aus Athen ein. Alle litterarische (Philochoros
gegen Plutarch) und alle monumentale Überlieferung
spricht nach Furtwängler dahin, dass der Zeus des Phidias
nach der Parthenos gearbeitet worden ist. — Dann glaubt
Furtwängler eine Erklärung dafür, dass der Olympische
Zeus uns nur in den bekannten Hadrianischen Münzen
und sonst in keiner Nachbildung überliefert ist, darin zu
finden, dass die Phidiasische Statue sich in den Kreisen
der schaffenden Künstler des Altertums nicht derjenigen
Geltung erfreute, die wir nach ihrem Ruhme annehmen
j möchten; nur aus Laienkreisen stammen die begeisterten
i Urteile des Altertums, wie ja Wilamowitz-Möllendorff nach-
 
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