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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0116

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209

Denkmalpflege

210

Worten ab. Dabei zeigt er eine merkwürdige Unfähigkeit
zu unterscheiden zwischen dem, was er vermutet, und dem
was er zu beweisen vermag. Die dreitürmige Anlage sei
in Erfurt erfunden, die »Grille« eines spätgotischen Bau-
meisters, »neu, aber nicht gerade schön«, sie habe »der
Neuheit wegen auf einigen Dörfern und in einigen Klein-
städten Nachfolge« gefunden. Dem gegenüber ist zu be-
merken: l. dass es eben das Wesen der Meister der Spät-
gotik ist, das zu schaffen, was alle akademischen Zöpfe
»Grillen« nennen — die ganze Albrechtsburg ist eine solche!
— 2. dass der Dom zu Erfurt wohl nur Herrn Schäfer
und auch ihm wohl nur zu der gegenwärtigen Polemik
als »nicht gerade schön« erscheint, und dass die angeb-
lichen Dörfer und Kleinstädte, deren Kirchen die drei-
türmige Anlage erhielten, nach Gurlitt's Buch folgende
sind: Ansbach, Dresden, Kolberg, Konstanz, Leipzig, Lo-
burg, Lommatzsch, Mühlhausen, Öderan, Rochlitz, Stettin,
Zerbst u. a. m. Wer die Schäfer'schen Ausführungen liest,
der wird sich erstaunt fragen: Wen hofft Schäfer mit seinen
biedermännisch klingenden Plaudereien zu überzeugen?
Ist das nicht ebenso wie in der Heidelberger Schlossbau-
Angelegenheit die vollkommene wissenschaftliche Ohnmacht?
Schäfer hat ein bestimmtes Vorbild vor Augen: den Magde-
burger Dom. Diesen nun kopiert er, obgleich die Ver-
hältnisse in Magdeburg und in Meissen ganz verschieden
sind. Seine ganze Kunst besteht darin zu sagen: in Magde-
burg wirkt der Turm gut — also wird er auch in Meissen
gut wirken! Und diese Kunst bethätigt er damit, dass er
einen neuen Entwurf (iqoi) macht, der nun auch die Turm-
spitze von Magdeburg entlehnt. Natürlich kann man dieser
Anlage nicht nachsagen, dass sie. hässlich sei, sie ist ganz
stattlich. Aber nach Meissen passt sie ganz und gar nicht:
Die Turmanlage wird den Meissner Domberg erdrücken,
wie die berühmte Brühl'sche Terrasse zu Dresden von dem
Lipsius'schen Akademiebau erdrückt worden ist. Der Dom-
berg wird zum Sockel der Türme gemacht und dadurch
wird das herrliche Stadtbild von Meissen zerstört. Das ist
ja das Verhängnisvolle an solchen Restaurierungen: das
Neue überwältigt das Alte, während doch das Alte ge-
schützt werden soll. Überdies werden die vier Türme —
Schäfer will auch den Bruder des höckerigen Turmes diesem
ganz ähnlich ausbauen — ein ganz unerfreulich stacheliges
Bild geben und die vornehme Ruhe und Geschlossenheit
im Umriss zerstören und zerreissen. Die Westtürme aber
brauchen einen einheitlichen ruhigen Abschluss nach oben,
der sich in die Umrisslinie des Burgberges von allen Seiten
wohlthuend einordnet, nicht sie zu beherrschen trachtet.
Diese Bedenken werden durch das Modell, das der Dom-
bauverein jetzt hat anfertigen lassen, vollauf bestätigt.
Wir haben schon früher erwähnt, dass Schäfer in einem
Entwurf einen falschen Schatten eingesetzt hat, durch den
die Wirkung der alten Bauteile zu Gunsten der Schäfer'schen
verschoben wird. Der Vorstand des Dombauvereins hat
sich nicht gescheut, trotzdem den Schäfer'schen Entwurf
wieder abzubilden, anstatt ihn gebührend zurückzuweisen.
Erfreulicherweise hat er wenigstens die gleichfalls falsche
Perspektive nicht aufgenommen. Im übrigen wird nicht ein-
mal ein Grundriss der gesamten Turmaufbauten gegeben.

Aus der Hauptversammlung ist noch zu erwähnen,
dass in den Vorstand gewählt wurden die Herren Geh.
Reg.-Rat Baurat Hossfeld in Berlin, Dezernent für das
Kuchenbauwesen im preussischen Ministerium des Innern
und Stadtbaurat Prof. Licht in Leipzig (sehr komisch wirkte
bei dieser Wahl, dass verschiedene Mitglieder des Dom-
bauvereins erst unterrichtet werden mussten, wer Hossfeld
ist). Weiter teilte der Vorsitzende mit, dass mit Ge-
nehmigung des Finanzministeriums Baurat Krüger in
Meissen den Dombauverein in den bautechnischen An-

gelegenheiten vertritt, dass die Kasse des Kultusministeriums
die Verwaltung des Dombauvermögens übernommen hat,
dass die Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler
in Sachsen künftighin fortdauernd von allen Fortschritten
der Arbeiten am Dom auf dem Laufenden erhalten werden
soll, dass ein Dombauführer angestellt worden ist und
dass der Bau auf fünfeinhalb Jahre berechnet ist. Ein für den
Vorstand nicht sehr erfreuliches Zwischenspiel in der Ver-
sammlung brachte das Auftreten eines Sohnes des ver-
storbenen Bildhauers Hofrat Andresen in Meissen. Dieser
hat die Gründung des Dombauvereins angeregt und durch-
geführt und hat auch mit dem Berliner Architekten Sehring
einen Plan zur Ergänzung des Meissner Domes hergestellt.
Der jüngere Herr Andresen hielt nun dem Vorstand in
scharfer Weise vor, wie undankbar er sich gegenüber dem
Gründer des Dombauvereins verhalten habe, indem er
dessen Entwurf nicht einmal zum Wettbewerbe zugelassen
habe. Der Vorsitzende ging über diesen berechtigten Vor-
wurf zur Tagesordnung über, ohne auch nur die Ver-
sammlung darüber zu befragen. Endlich ist zu melden,
dass Oberbaurat Schäfer-Karlsruhe vom Vorstand ein-
stimmig zum Dombaumeister gewählt worden ist. In dem
Vertrag soll angeblich ausdrücklich die »Einreichung der

, Pläne« verlangt und ihre Ausführung abhängig gemacht
sein von der Genehmigung der beteiligten Ministerien,
des Landeskonsistoriums und des Domkapitels. Diese
Vorsicht ist gewiss sehr zu billigen und auch durchaus am
Platze. Was wird denn nun aber, wenn die Pläne be-
anstandet werden müssen, wie die bisherigen, wenn Schäfer
das nicht leisten kann, was man von ihm im Interesse des
berühmten Stadtbildes und des berühmten Bauwerkes
fordern muss? Nur der umgekehrte Weg war richtig: erst
Pläne, die allseitig Zustimmung finden und dann Anstellung

| des Dombaumeisters. Aber freilich dieser Weg war un-
gangbar für den Vorstand des Meissner Dombauvereins,
dazu hat er sich viel zu sehr durch sein bisheriges Vor-
gehen festgelegt. Paul Schumann.

Ulmer Münsterrestauration. Entgegen den früheren
Jahren, in welchen für den Ausbau des Münsters noch
erhebliche Mittel zur Verfügung standen, sind schon vor
Jahresfrist Einschränkungen am Arbeitspersonal, sowie an
projektierten Arbeiten erfolgt, welche die Aufsicht eines
ständigen Architekten am Platz nicht notwendig machen.
Deshalb hat Architekt Bauer seinen Wohnsitz wieder nach
München verlegt. Nachdem die Neidhardskapelle von
Maler Loosen im Vorjahre ausgemalt worden war, wurde
die Ausstattung derselben in Angriff genommen: Die
beiden trefflichen Frührenaissance-Altäre, sowie die Predella

' auf dem östlichen Altartisch wurden durch Maler Ruedorfer
in München einer sorgfältigen Restauration unterzogen.

| Die Fenster wurden teilweise mit alten Resten von Glas-
malereien, welche von Hofglasmaler Burckhardt in München
mit Geschick zusammengesetzt wurden, geschmückt.

Die Kapelle reiht sich jetzt mit den restaurierten Stein-
epitaphien, Totenschildern und Bildwerken würdig den
anderen Räumlichkeiten des Münsters an. Die Herstellung
eines neuen Sockels am Sakramentshäuschen und des da-
mit in Verbindung stehenden Bodenbelags wurde gleich-
falls ausgeführt. Am Hauptturm wurde ein Teil des süd-
westlichen Strebepfeilers mit seinen Wimpergen und Mass-
werken erneuert und zur obersten Helmspitze eine Steig-
leiter hergestellt. Die Restauration der Bildwerke am
Brautportal wurde durch Bildhauer Bronni besorgt, die
noch sichtbaren Malereien an den Wandflächen gereinigt,
sowie die Spuren früherer Gemälde fixiert. Auch der
architektonische Teil des Portals wurde in Stand gesetzt
und das schon früher entfernte Denkmal der Weihe des
Münsters an der Ostwand der Portalhalle wieder ein-
 
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