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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0125

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227

Sammlungen und Ausstellungen

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des Marmors, für dessen griechischen Ursprung Qonse
nichts aufzuführen hat, spricht wohl für ein archaisierendes
Werk der römischen Kaiserzeit; die meisten Autoritäten
erklären den Marmor für italienisch. Mit ausserordentlicher
Kunst ist der unter Chiton, ungewöhnlich langer Aegis
und Himation durchscheinende Körper gearbeitet, wovon
die in der Revue de l'art ancien gegebene Rückansicht
den besten Begriff giebt.

Der oben genannte Diadamenos von Vaison, der sich
jetzt im British Museum befindet, ist der Ausgangspunkt,
von dem aus der römische Professor der Archäologie
Emanuel Löwy die Persönlichkeit dieses berühmten Poly-
kletischen Siegers zu bestimmen sucht. In den Wiener
Studien (XXIV, 2, soeben erschienen) erkennt er in dem
Diadumenos den Pentathlonsieger Pythokles aus Elis,
dessen Bildnis Polyklet nach Pausanias VI, 7 für Olympia
gefertigt hat. Indem wir auf Löwy's gelehrte Deduktionen
verweisen, wollen wir nur daraus anführen, dass die im
Abguss mit der in Olympia erhaltenen Originalbasis ver-
glichene Vaisonstatue nicht nur die erforderliche Deckung
der Füsse mit den Einlassvorrichtungen der olympischen
Basis, sondern auch vollkommen übereinstimmende Rich-
tung der Figur ergab. Man hatte selbstverständlich auch
an den Polykletischen Doryphoros bei Pythokles gedacht;
aber hier passen Füsse und Stand des Neapolitaner Pen-
tathlonsiegers, was der Doryphoros ja auch ist, nicht zu
den Spuren und Abmessungen der olympischen Basis.
Die Pythoklesstatue ist von Olympia, wohl in der Zeit der
Antonine oder schon Hadrian's, weggeführt worden; die
olympische Basis zeigt die Spuren der Ersatzstatue. Eine
weitere Basis der Pythoklesfigur hat sich auch in Rom
vorgefunden, wohin wahrscheinlich das olympische Original
verbracht worden war. Aber die römische Basis, die die
Spuren mehrfachen Gebrauchs trägt, beweist nichts für
das Standmotiv der Polykletischen Figur, welche den rechten
Fuss vor-, den linken zurückgesetzt haben muss, wie der
Diadumenos, das heisst nach Löwy »Pythokles, der sich
die Siegerbinde umwindet«, es thut. m.

Die Aphrodite oder, wie Reinach sie genannt hat,
die Amphitrite von Melos, ist gewiss eine der schönsten
Marmorstatuen, welche die hohe Kunst des Altertums uns
geschenkt hat. Nur die Archäologen können keine reine
Freude an der »Venus von Milo« haben; ihr Apfel ist zum
Zankapfel geworden, nachdem die Franzosen nicht davon
ablassen wollen, ein'^Werk des beginnenden 4. vorchrist-
lichen Jahrhunderts in ihr zu sehen, während die Ansicht,
dass sie aus späthellenistischer Zeit stammt, in Deutsch-
land gewichtige Vertreter mit gewichtigen Gründen für
sich hat. Reinach hat bis jetzt zur Stütze seines Glaubens
an das Alter der Venus die Gleichzeitigkeit mit der athe-
nischen Poseidonstatue, welche ebenfalls auf Melos ge-
funden wurde und für welche eine Weihinschrift aus dem
beginnender 4. Jahrhundert in Anspruch genommen wurde,
behauptet. In der Revue archeologique (September-Oktober
1902) giebt er nun den grossen Poseidon, der bis jetzt
der Genosse der Venus war, preis. Der wird als eine
400 Jahre später entstandene Kopie der römischen Kaiser-
zeit betrachtet, frei nach einem Original, das einmal gleich-
zeitig mit der Venus entstanden war. Die Venus aber
bleibt dem grossen Zeitalter des Praxiteles, vor allem aus
Stilgründen, aber auch durch günstige Verschiebung der
mit ihr gefundenen Inschriften erhalten. Reinach entgegen
führt Furtwängler in den »Bayrischen Sitzungsberichten«
1902, Heft IV »der Fundort der Venus von Milo« aus,
dass die stilistische und technische Verwandtschaft, welche
den Poseidon mit der Venus verbindet, nicht zu bestreiten
ist, dass sie aber sonst gar nichts zusammen zu thun
haben. Denn der Ort der Auffindung ist ein ganz ver-

schiedener. Der grosse Poseidon und die sogenannte
Theodoridasinschrift sind am Meeresstrande gefunden; die
Venus und die mit ihr zu Tage gekommenen Hermen und
Inschriften lagen an der »Klima« genannten Stelle, einem
Thal, das oberhalb des Meeres sich heruntersenkt. Dort
war ein Gymnasion, ein Bau mit Nischen, das dem Hermes
und Herakles geweiht und das im 2. bis 1. Jahrhundert
mit der Venus, den Hermen und der jetzt in Berlin be-
findlichen von Antiphanes gefertigten Statue des Gottes
Hermes ausgestattet worden war. Dass dabei auch noch
Weihinschriften und Anathemata aus der älteren Zeit des
Gymnasions zur Aufstellung kamen, ist erklärlich; so wurden
die bärtige Herme, die Theodoridasinschrift, die unbärtige
Herme mit verwandt. Aber die Venus mit der jetzt ver-
schwundenen, doch mit ihr seiner Zeit gefundenen, durch-
aus anpassenden Inschrift des Künstlers aus Magnesia am
Mäander, das erst um 250 v. Chr. gegründet worden ist,
stand in der Nische, welche der Hypogymnasiarch Bak-
chios dem Hermes und dem Herakles nach der darüber
befindlichen Inschrift geweiht hatte. Was Bakchios ausser
der Nische gestiftet hatte, und wofür in der Inschrift eine
Lücke ist, war wahrscheinlich das Standbild, eben die
Venus; die Bakchiosinschrift ist aus dem Ende des 2. vor-
christlichen Jahrhunderls, der Künstler aber muss nach
der Gründung von Magnesia a. M. geboren sein. Löwy
nimmt für die verlorene Künstlerinschrift rund 100 vor
Christi an. Die Venus von Milo muss sich trösten, dass
sie dreihundert Jahre jünger ist, als die Franzosen sie gerne
hätten: als ob sie damit weniger schön wäre!

Griechische Giebelstatucn in Rom heisst ein weiterer
Vortrag Furtwängler's, der soeben in den »Münchner
Sitzungsberichten« erschienen ist. Drei in der berühmten
Sammlung Jacobsen in Kopenhagen befindliche Figuren,
von denen zwei schon früher von dem Münchner Ge-
lehrten als aus griechischen Giebelgruppen stammend er-
klärt worden waren, gehören formal zusammen; aber auch
ein sachlicher Zusammenhang ist zwischen dem Apollon,
der eilenden Frauengestalt und dem liegenden, die Giebel-
ecke ausfüllenden Jüngling der Glyptothek Ny-Carlsberg
zu konstruieren. Der Apollo passt vorzüglich in die Mitte
des einen Giebels eines ihm geweihten Tempels ; es ist
der Kitharode, der feierliche Klänge auf den Saiten spie-
lend und singend einherwallt. Und der andere, der hintere
Giebel, soll die furchtbare Macht des Gottes zeigen: wo
hat sich diese gewaltiger gezeigt als bei dem Schicksal
der Niobiden? Die eilende Frau, welche die gleiche Grösse
wie Apollo hätte, wenn sie nicht die Knie eingebogen
hielte, gehört auch in die Mitte; es kann Niobe selbst sein
oder eine Niobide. Der in die linke Ecke gehörige Jüng-
ling ist ein von den Pfeilen des Gottes in den Nacken
getroffener Sohn der Niobe. Wo dieser Apollotempel
stand, ob es ein berühmter oder unberühmter war, sucht
Furtwängler nicht zu entscheiden; aber es ist ihm un-
zweifelhaft, dass der nordische Mäcen drei nach Rom
verbrachte Originalstatuen von griechischen Giebeln in
seiner den besten öffentlichen Museen Konkurrenz bieten-
den Sammlung besitzt. — Bei dieser Gelegenheit macht
Furtwängler noch darauf aufmerksam, dass er den Torso
Medici immer noch als die Mittelfigur des Ostgiebels des
Parthenons ansehe, allerdings nicht mehr als das Original,
aber als Kopie der Mittelfigur, der Göttin Athena. m.

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Der diesjährige Staatshaushaltsetat für Preussen
weist wieder eine Reihe interessanter Positionen auf dem
; Gebiete der Kunstpflege auf. Besonders das Berliner
I Kupferstichkabinett nimmt stärkere Mittel in Anspruch;
 
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