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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0131

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239

Bücherschau

240

In der Galerie zu Karlsruhe befindet sich ein Frauen-
bildnis, welches Oberdeutsch um 1520 genannt ist. Das
ist aber nach unserem Verfasser weit gefehlt; denn es ist
ein ferraresisches Werk, von keinem Geringeren als Ercole
Roberti.

Der Johannes der Täufer in der grossherzoglichen
Galerie zu Oldenburg ist nach Venturi ein echter Correggio.
Die sehr an Correggio erinnernde Gestalt hat einen lang-
gestreckten Körper mit einem verhältnismässig kleinen
Kopfi).

Venturi bezeichnet die sehr rohe »Beweinung Christi«
in der alten Pinakothek zu München als Frühwerk Basaiti's.
In meinem Artikel über die italienischen Bilder der Münch-
ner Galerie (Repert. für Kunstwissenschaft 1897) habe
ich auch die Gründe entwickelt, welche trotz der augen-
fälligen Mängel dennoch für den jungen Basaiti sprechen.
Morelli dagegen hatte das Bild als eine schwache vlämische
Kopie bezeichnet.

In der Gemäldegalerie zu Wien hat unser Verfasser
auch einige interessante Umtaufen vorgenommen. So ist
die Pietä daselbst nicht von dem schwachen Squarcionesken
M. Zoppo, sondern von dem bedeutenderen und charakter-
vollen Cosimo Tura. Noch mehr Aufsehen dürfte es er-
regen, dass er die höchst anmutige Madonna mit dem
stehenden Kinde, die immer als eines der schönsten Früh-
werke Tizian's bewundert worden ist, dem Giorgione zu-
schreibt. Dass er in der nämlichen Galerie Correggio's
Ganymedes gegen moderne Anzweifelungen in Schutz
nimmt, dem muss ich durchaus beistimmen.

In den Gemäldegalerien von London und Paris begegnen
uns wieder wichtige Neubestimmungen. Das phantastische
Bild Nr. 1173 in der National Gallery, »an unknown Subject«
genannt, ist nach Venturi ein echter Giorgione. Ja, es ist
nach dem Verfasser der einzige Giorgione in London und
Hampton Court.

Nicht dem Melozzo da Forli, sondern dem Justus van
Gent sind die beiden Gemälde »Rhetorik« und »Musik«
zuzuweisen, welche zu einer Serie gehören, die wahrschein-
lich einst den Bibliotheksaal im Schlosse zu Urbino ge-
schmückt hat. Der Verfasser nennt nicht die beiden hier-
her gehörenden Gemälde in der Berliner Galerie. Da sie
aber in der Technik übereinstimmen, müssen sie wohl
auch von Justus van Gent sein. Die Richtigkeit der An-
nahme des Verfassers ist hier nicht zu prüfen. Die neue
und zugleich sehr entwickelte Öltechnik hat gewiss sehr
viel Niederländisches. Es ist andererseits anzunehmen,
dass Melozzo und Justus van Gent in sehr nahe Berührung
kamen und sehr viel von einander gelernt haben. Vielleicht
wird Venturi ein anderes Mal durch eine eingehende Ver-
gleichung mit der »Kommunion der Apostel« aus San
Agathe, jetzt in der Pinakothek zu Urbino, seine Behaup-
tung näher begründen.

Das dem Raffael zugeschriebene Jünglingsporträt im
Louvre ist nach unserem Verfasser von einem Nachfolger
Correggio's, vielleicht von Rondani. Morelli hatte es dem
Bacchiacca zugeschrieben. Die weiche Malweise des sym-
pathischen Bildnisses könnte in der That auf die Richtung
Correggio's deuten.

Die beiden grossen, dem Correggio zugeschriebenen
Temperagemälde mit den Triumphen della Scienza, della
Giustizia e dell' Arte in dieser Galerie werden von Ven-

1) Ähnliche Verhältnisse findet man bei einer von mir
aufgefundenen Rötelzeichnung Correggio's zu seinem Kup-
pelfresko in Parma (Städel'sches Institut zu Frankfurt a. M.).
Vergleiche meinen Artikel in der Gazette des Beaux Arts
1901, wo die Zeichnung reproduziert ist.

turi sehr scharf kritisiert. Die Köpfe sind maskenartig, die
Figur der Wissenschaft barock, die der Gerechtigkeit gobba,
der Kopf Midas' ist kopiert nach Laocoon. »II disegno e
la parodia di quello del Correggio. Tutto e cartaceo senza
profonditä.« Sie rühren aus dem 17. Jahrhundert her. —
Ich möchte gern seine Meinung über die Skizze im Palazzo
Doria erfahren, welche bekanntlich Morelli ebenso scharf
verurteilte wie jetzt Venturi die angeblichen Originale.
»La belle Ferroniere« ist nicht, wie behauptet wurde, von
Boltraffio, sondern in der That von Lionardo selbst in
Mailand im »gusto toscana« gemalt.

In dem »Konzert« findet unser Verfasser weder das
Kolorit noch die Zeichnung Giorgione's. Hier findet man
eine Vorliebe für das Runde und Fette, die mit Giorgione
nichts zu thun hat. Es ist wahrscheinlich ein von diesem
Meister beeinflusstes Jugendwerk Sebastiano Luciani's. —
Einige Forscher möchten auch noch hier Domenico Cam-
pagnola in Betracht ziehen. Und in der That befindet
sich eine von den üppigen nackten Frauen auf einer ihm
zugeschriebenen, gleichfalls ein Konzert darstellenden Feder-
zeichnung der Coli. Malcolm (British Museum). Diese
scheint jedoch eine Pastiche zu sein und wer weiss, ob
sie überhaupt auf ihn zurückgeht. Steht das magisch
fesselnde Bild nicht über dem Niveau Campagnola's?
Dieser war Nachahmer, geschickter Nachahmer, aber nichts
als Nachahmer. Ist man überhaupt berechtigt, stilkritisch
auf ihn zurückzugehen? Venturi schätzt das Bild jeden-
falls höher, indem er es dem jungen Sebastiano zu-
schreibt1).

In den italienischen Galerien begegnen uns natürlich
die meisten Neubestimmungen. Wir können hier nur
einige der wichtigsten erörtern.

Das schwer zu bestimmende, viel umstrittene Altar-
werk mit der Familie des Ludovico il Moro giebt Venturi
wieder dem Zenale. Nachdem die letzte, von Morelli her-
rührende Benennung sich als nicht stichhaltig erwiesen
hat, ist es natürlich, dass man wieder auf die frühere zu-
rückgreift.

Das Diptychon mit der Kreuztragung und der klagenden
Maria in der Galerie Poldi-Pezzoli ist nach der Meinung
unseres Verfassers nicht, wie bis jetzt allgemein ange-
nommen, von Luini, sondern von Solario. Diese Umtaufe
hat, wie ich erfahren habe, die Mailänder Kunstkenner sehr
überrascht. Ohne auf diesen besonderen Fall einzugehen,

1) Der Kreis der Möglichkeit ist mit Giorgione, Cam-
pagnola, Sebastiano noch nicht erschöpft. Wenn jetzt in
kurzem ein Forscher käme und das Bild auf den jungen
Tizian taufte, könnte man es ihm verargen? Gründe hier-
für würden gewiss nicht ermangeln. Die Landschaft ist
giorgionesk-tizianisch; man vergleiche sie z. B. mit der im
Hintergrunde im Fresko: »St. Antonius heilt einen Jüng-
ling« in der Scuola del Santo zu Padua. Der junge Tizian
hatte eine Vorliebe für das Volle der Körperformen. Man
erinnere sich an seine »Himmlische und irdische Liebe«,
auch noch an sein »Noli me tangere« in London. Auch
vergleiche man den Kopf eines der Jünglinge mit dem des
jungen Johannes auf der, allerdings viel späteren, Grab-
legung im Louvre. Ich persönlich möchte freilich noch
auf Giorgione halten. Auf diesen Meister deutet, trotz
der genannten Fehler, der allgemeine Eindruck. Auf einen
besonderen Zug, der auf den Meister von Castelfranco
hindeutet, habe ich in meinem Aufsatz über die Louvre-
galerie im Repertorium für Kunstwissenschaft aufmerksam
gemacht. Daselbst habe ich auch auf eine Eigentümlich-
keit hingewiesen, die die Zuweisung Venturi's von »La
belle Ferroniere« an Lionardo bestätigt.
 
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