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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0181

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339

Denkmalpflege

340

Sitzfiguren der Evangelisten, Kirchenväter und deren
Schüler, die bei der damaligen Wiederherstellung durch
die in Bronze gegossenen plumpen wasserspeienden
Bestien ersetzt worden sind, fehlten vollständig und von
den übrigen vierundzwanzig Figuren des Brunnens waren
damals sechzehn so stark verwittert, dass sie keine Ver-
wendung finden konnten, sondern neu hergestellt werden
mussten. Dieser unter Beihilfe Ernst von Bandel's, des
Schöpfers des Hermannsdenkmals, von Reindel geschaffene
»Schöne Brunnen« hatte im Laufe des Jahrhunderts durch
die Unbill der Witterung so sehr gelitten, dass schon seit
längerer Zeit eine gründliche Wiederherstellung unab-
weislich erschien. Statt ihrer zog man es vor, das Werk
vollständig neu aufzuführen und dazu an Stelle des weichen
Sandsteins den wetterbeständigen harten Muschelkalk zu
nehmen. Die Verkehrsverhältnisse liessen ein Abrücken
von der nördlichen Häuserreihe des Marktes angezeigt
erscheinen. Die Verschiebung ist nur eine geringe und
wird auf den Charakter des Marktbildes kaum einen Ein-
fluss ausüben. Sehr gespannt kann man auf die Wirkung
der erfreulicherweise geplanten Polychromierung sein, für
welche die im Jahre 1540 von Georg Penz geschaffene,
im Privatbesitze des mit den Wiederherstellungsarbeiten
betrauten Oberingenieurs Wallraff befindliche kolorierte
Handzeichnung, die damals zum Zwecke der Erneuerung
der zuletzt im Jahre 1491 durch Wilhelm Pleydenwurf auf-
geführten Polychromierung gefertigt worden war, alle
nötigen Anhaltspunkte bietet. Die mit peinlicher Gewissen-
haftigkeit ausgeführten, nach Hunderten zählenden Werk-
stücke und Figuren lagern zur Zeit im Hofe und in der
Kirche des alten Katharinenklosters. Neu zu entwerfen
waren auf Grund der Penz'schen Handzeichnung die an
Stelle der Bronzebestien tretenden Brunnenrandfiguren,
und eine wesentliche Veränderung wird das Brunnengitter
zeigen, dessen unterer Teil wieder unverändert zur Ver-
wendung kommen wird, während der von Reindel stammende
obere gotisierende Teil durch einen aus Blumenwerk und
Rundstabgeschlingen gebildeten Renaissanceaufsatz ersetzt
werden wird, wie ihn im Jahre 1587 der Schlossergeselle
und Gitterschmied Paulus Kühn von Augsburg »viel
schöner und künstlicher als es ihm angedingt worden«,
gefertigt hatte. Als Grundlage zur Herstellung dieses
reichen Aufsatzes diente ein aus dem Beginn des 17. Jahr-
hunderts stammender Kupferstich. Die Kosten der Wieder-
herstellung sind von Wallraff, der in einer bemerkens-
werten Schrift: »Bericht über den Entwurf zur Wieder-
herstellung des Schönen Brunnens auf dem Hauptmarkt-
platze zu Nürnberg« ausführlich die Geschichte des
Brunnens erzählt hat, mit 150 000 M. veranschlagt worden.
Eine künstlerische Würdigung der Wiederherstellungs-
arbeiten behalten wir uns für später vor. -i-

Während es in Verona an einer Persönlichkeit zu
fehlen scheint, die sich für die Erhaltung der Kunstschätze
derStadt,z.B. des antiken Theaters unddesPalazzoBevilaqua,
interessiert oder sich bemüht, sie in besseres Licht zu stellen,
hat Ravenna in dem Mitglied der Kommission für die Erhal-
tung der nationalen Monumente und dem hervorragenden
Kunstforscher «Corrado Ricci einen warmen Freund und
Vorkämpfer gefunden. Ihm ist es gelungen, die Mittel
flüssig zu machen, um die Schätze Ravennas durch Studien
an Ort und Stelle, durch sachgemässe Nachgrabungen —
der heutige Boden der Stadt liegt meterhoch über dem
seiner Denkmäler aus byzantinischer und gotischer Zeit —
durch Freilegungen und Restaurationen in das helle Licht
klarer Erkenntnis und Anschauung zu rücken. Abgeschlossen
sind solche Arbeiten ja schon seit lange am Grabmal
Theoderich's; durch Anlage eines umlaufenden breiten
Kanals ist der Fusspunkt der Umfassungsmauern freige-

legt und wird durch Pumpvorrichtungen gegen Eindringen
von Grundwasser oder stagnierendes Regenwasser ge-
schützt. Wir können uns jetzt einen Begriff von der
relativ schlanken Form des Mausoleums machen, das früher
zu etwa ein Viertel im Boden steckend mit seiner riesen-
haften Monolithdecke einen gradezu plumpen Eindruck ge-
macht haben muss. Ähnliche Arbeiten sind für das herr-
liche Battisterium (Giovanni in fönte) beabsichtigt, nachdem
der monströse Gedanke einer Höherschraubung des Bau-
werks aufgegeben ist. Wie die Gesamtverhältnisse der
Ravennatischen Kirchen auch im Inneren gewinnen werden,
wenn die alten Basen der Säulen von Fussböden und Auf-
schüttungen späterer Zeit befreit sind, lässt sich schon
jetzt in San Vitale erkennen, wo man jetzt den alten Fuss-
boden der Apsis wiederherstellt, nachdem der prachtvolle
alte Marmoraltar zu neuer Schönheit erstanden, die ge-
sammte Kirche von Anbauten befreit und ihre Bedachung
erneut ist. Letztere Arbeiten sind zum Teil aus dem Er-
trag einer Sammlung in Ravenna bestritten worden. In
dem sonst so verschlafenen Städtchen regt sich unter dem
Einfluss der Anregungen Ricci's Kunstliebe und Kunsteifer.
Privatpaläste, wie Baronio, Dradi, Graziani, werden repariert,
durch Tausch mit der Akademie von Venedig ist es ge-
lungen, für die Pinakothek mit dem Apostelmahl des
Matteo Ingoli (1585 —1631) ein Spezimen der Kunst eines
Ravennatischen Malers zu erhalten, der bisher in der Stadt
nicht vertreten war, auf Betreiben des kunstsinnigen Be-
wohners des erzbischöflichen Palastes, des Kardinals Ri-
boldi, sind im Palast Freilegungsarbeiten vorgenommen,
die zur Entdeckung griechisch-byzantinischer Fresken ge-
führt haben, über das Baptisterium ist von einem Geist-
lichen, Cesare Langiorgi, eine Spezialschrift von 150 Seiten
herausgegeben worden (Ravenna, Tipografia Alighieri),
kurz es regt sich überall im öffentlichen und privaten Leben.
Die seit 1901 in Mailand erscheinende Kunstzeitschrift
grossen Stils »Rassegna d'Arte« nimmt sich des Ravenna-
tischen Kunstlebens besonders an, und eine Reihe grösserer
Aufsätze über die Marmorarbeiten in der Apsis von
S. Vitale, die Glockentürme von Ravenna, die Ausgra-
bungen in der Darsena und den sogenannten Panzer
Theoderich's mögen für Freunde der Kunstgeschichte Ra-
vennas neben der neueren deutschen und italienischen
Monographie über die Stadt von Götz und Ricci und neben
der dritten Auflage der Guida di Ravenna (1900. Bologna,
Zanichelli) die kurzen Ausführungen dieser Korrespondenz
erhärten und erweitern. v. ar.

Venedig. Seit längerer Zeit befinden sich die Ver-
treter der Stadt Venedig in Rom, um mit der Regierung
alle jene Vereinbarungen zu treffen, welche dem Wieder-
aufbau des Markusglockenturmes vorauszugehen haben.
Das Resultat ist folgendes: Die Regierung ist damit ein-
verstanden, dass Venedig selbst für den Aufbau Sorge
trägt durch die Berufung des bekannten Mailänder Archi-
tekten L. Beltrami. Die Stadt trägt dazu mit den schon
früher bestimmten 500000 Lire bei; die gleiche Summe
leistet der Staat. Für die Restaurierung der übrigen Mo-
numente Venedigs tritt der Staat mit 300000 Lire ein, mit
gleicher Summe die Stadt. — Gleichzeitig tritt der neu-
ernannte Direktor Architekt Moretti sein Amt an Stelle des
beim Sturze des Campanile entlassenen Berchet an, als
Vorstand des Uffizio Regionale per la conservazione dei
monumenti. So ist denn zu hoffen, dass der Wunsch aller
Venetianer wahr werde, dass gleichzeitig mit der Eröffnung
der Ausstellung am 25. April der Grundstein des neuen
Campanile gelegt werden könne. Für den Bau desselben
sind also jetzt zunächst etwas über 2500000 Lire verwend-
bar. Architekt Beltrami tritt sofort sein Amt an.

August Wolf.
 
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