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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Société Nationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0209

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395

Der SalorTder

Societe nationale

396

Stimmungen von Le Sidaner und Duhem, die ganz
seiner berühmten, jetzt im Luxembourg hängenden
»Familie Thaulow« nachgebildete und dabei sehr übel
geratene »Familie Viele-Griffin« von Blanche, der
ausserdem fünf vorzügliche Brustbildnisse ausgestellt
hat, die magisch beleuchteten Bilder vom Meeresstrande
von dem Amerikaner Alexander Harrison, die leblosen
Modepuppen von Carolus Duran, der unaufhaltsam
seinen Gang abwärts verfolgt, die gespensterhaften alten
Schlösser und Mühlen von Chudant, die so fein voll-
endeten Bildnisse von Dagnan-Bouveret, die beinahe
schon geleckt wirken, die melancholischen bretonischen
Landschaften von Dauchez, der auch bei den Griffel-
künstlern mit einigen ausgezeichneten Radierungen
vertreten ist, die in grauen Nebeln verschwimmenden
Blumen von Lisbeth Carriere und die etwas farbiger
gehaltenen von Henri Dumont, die Landschaften von
Maurice Eliot, der überall violette Harmonien erblickt
und wiedergiebt, die holländischen Kanäle von Guil-
laume Roger und Gilsoul, die sanft beleuchteten
Interieurs von Lobre und die ähnlichen stimmungs-
vollen Räume von dem Amerikaner Walter Gay,
die poetischen Abende am Meeresstrande von Menard,
die melancholischen Landschaften von Mesle, Griveau
und Moulle, die vornehmen Bildnisse von dem Irländer
Lavery, dessen gegenwärtiges Porträt einer jungen
Dame in weissem Kleid und schwarzer Pelzjacke,
von der ein schwarzes Band herabfällt, eine blass-
blaue Schleife im blonden Haar, eines der bezeich-
nendsten Beispiele für diese äusserst distinguierte und
geschmackvolle Kunst ist, und von dem Deutschen
Neven Dumont, der ganz die diskrete Farbengebung
der englischen Porträtisten angenommen hat, die weiss
in weiss gehaltenen und mitunter etwas kreidig wir-
kenden Ansichten von Paris und der Seine von
Raffaelli, die Spanier und Spanierinnen von Zuloaga,
der jetzt seine eigene Manier übertreibt und anfängt,
ganz karikaturenhaft zu wirken. Alle diese Leute
sehen wir in jedem Jahre wieder, und immer sind
sie ungefähr mit den nämlichen Sachen da. Es würde
sich also nicht der Mühe lohnen, auf ihre diesjährigen
Sendungen ausführlicher einzugehen. Wenden wir
uns lieber den Leuten zu, die entweder ganz neu im
Salon sind, oder die heuer mit einer mehr oder
weniger neuen Note hervortreten.

Unter den letzteren steht Roll obenan, der seine
üblichen, sonnenlichtfrohen Studien verlassen hat, um
sich mit seinem Mädchen im roten Kleid, das ein
brennendes Licht in der Hand hält, sehr erfolgreich
auf das Gebiet Gerhard Dou's zu begeben, während
er in seiner an unsern Erlkönig erinnernden »breto-
nischen Legende« das Grausen der stürmischen Nacht
in unwirtlicher Felsengegend darstellt. Auch Gervex
ist zu erwähnen, da er sich mit dem Porträt Gordon
Bennett's in ganzer Figur, grauer Sommeranzug, mit
dem blauen Grund des Rivierameeres, ganz bedeutend
über die gegen früher sehr abfallenden Leistungen
der letzten Jahre erhebt. Die anderen kleineren Por-
träts des nämlichen sind freilich recht mühsame und
verdienstlose Dutzendarbeiten. Raffaelli hat ein aus-
gezeichnetes weibliches Bildnis geschickt, das zu den

besten Werken des Meisters zu rechnen ist: eine auf
blaugrüner Gartenbank sitzende junge Dame, rosig
angehauchtes, mit grossen blassgelben und grünen
Stickereien verziertes Kleid, duftig und zart wie ein
Pastell, was weiter kein Wunder ist, da es mit den
Ölstiften Raffaelli's gemalt ist, die in ihrer Wirkung
den Pastellstiften sehr nahekommen. Sargent hat der
langen Reihe seiner unübertrefflichen Bildnisse mit
den drei Schwestern Hunter ein neues Meisterwerk
zugefügt. Ebenso natürlich wie die Anordnung und
Auffassung, so energisch und lebendig ist auch die
Ausführung dieses grossen Bildes, auf dem man drei
hübsche junge Damen sieht, die auf einem Rundsitze
die drei dem Beschauer ganz oder halb zugekehrten
Plätze füllen; Braunschwarz und Grauweiss der Kleider
und des Grundes geben einen vornehmen, nur durch
das Rosa der Gesichter und das Blond der Haare
belebten Farbenklang. Wichtig in der Geschichte
seiner Kunst ist auch die diesjährige Ausstellung von
Luden Simon: ausgezeichnet ist sein Bildnis der Frau
S. mit ihren Kindern in dem hell vom Tageslichte
beleuchteten Zimmer, in dem »Windstoss« hört und
sieht man den Wind hinter den auf der Landungs-
brücke hineilenden Männern und Frauen herpfeifen,
und in seinem Altmännerhaus ist er ebenso glücklich
in der Charakterisierung der Insassen, wie in der
Wiedergabe des durch die Seitenfenster auf die weissen
Kalkwände fallenden Lichtes.

Unter den neuen Leuten steht Caro-Delvaille
obenan, den ich an dieser Stelle neulich schon er-
wähnt habe, als er bei Durand-Ruel ein grosses
Porträt ausgestellt hatte. Er ist mit zwei grossen
Arbeiten vertreten, dem Bildnisse einer Dame mit
ihrem Töchterchen am Frühstückstisch und dem Akte
einer nackten Frau, die auf einem Kanapee sitzt. In
beiden Bildern klingen Schwarz und Weiss prächtig
zusammen, belebt durch einige rosige, gelbe oder
zartgrüne Töne. In beiden ist die Modellierung der
Körper vorzüglich, und in beiden finden sich kleine
Zeichenfehler, die in dem famosen Eindruck des
Ganzen verloren gehen. Dann ist da der Belgier
Maurice Wagemans mit dem Bildnisse in ganzer Figur
eines alten Mannes, der mit seiner merkwürdigen
Schädelform, seinen herabfallenden Schultern und
seinen schlechtsitzenden Kleidern an die Zwerge und
Hofnarren von Velasquez und Ribera erinnert, bei
denen der Belgier ohne Zweifel gelernt hat. Francois
Thevenot muss genannt werden, weil der bekannte
Pastellist sich hier zum erstenmal als Ölmaler zeigt,
und sich dabei mit dem ausserordentlich natürlichen
und lebendigen Bildnisse des Malers Leandre sofort
einen Platz unter den besten Porträtisten erobert.
Bernard Boutet de Monvel, der jugendliche Sohn des
gleichnamigen bekannten Malers, führt sich mit zwei
grossen Bildnissen eines jungen Engländers, ganz
braun in braun gehalten und an ein famoses Bildnis
des holländischen Amerikaners Gari Melchers erinnernd,
das vor drei oder vier Jahren im Salon ausgestellt
war, sehr vorteilhaft ein. Gaston Hochard zeigt sich
in seinen Bauern bei der Beerdigung, seinen Chor-
knaben und anderen Volksscenen als talentvoller
 
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